Leitsatz

Die für die Annahme einer Betriebsaufspaltung erforderliche personelle Verflechtung ist auch im Verhältnis zwischen einer Aktiengesellschaft und ihrem Mehrheitsaktionär grundsätzlich zu bejahen (Anschluss an das BFH-Urteil vom 28.01.1982, IV R 100/78, BStBl II 1982, 479). Diese Grundsätze sind durch die zwischenzeitlichen Änderungen im Aktienrecht nicht überholt; sie sind auch auf börsennotierte Aktien­gesellschaften anwendbar.

 

Normenkette

§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger hielt 71,18 % des Grundkapitals einer börsennotierten AG und war zugleich Vorsitzender des Vorstands dieser AG. Im Streitjahr mietete die AG von dem Kläger ein Bürogebäude, in dem die AG ihre bisher auf mehrere Standorte verteilten Mitarbeiter zusammenführen konnte. Nach Ablauf der dreijährigen Festmietzeit standen ihr zwei Verlängerungsoptionen von jeweils fünf Jahren zu. Der Kläger erklärte aus der Grundstücksvermietung negative Einkünfte aus VuV. Das FA war demgegenüber der Auffassung, zwischen dem Kläger und der AG habe seit der Überlassung des Bürogebäudes eine Betriebsaufspaltung bestanden. Das FG wies die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage ab (FG Hamburg, Urteil vom 11.09.2009, 3 K 124/08, Haufe-Index 2255811, EFG 2010, 140). Seine Revision begründete der Kläger vor allem damit, dass eine AG nicht durch die Möglichkeit, die personelle Zusammensetzung ihrer Organe zu bestimmen, beherrscht werden könne. Denn Aufsichtsratsmitglieder seien allein dem Interesse des Unternehmens, nicht aber dem Mehrheitsaktionär verpflichtet.

 

Entscheidung

Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des BFH hat das FG zu Recht entschieden, dass der Kläger aus der Vermietung des Gebäudes an die AG Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt hat, weil zwischen ihm und der AG eine Betriebsaufspaltung bestand.

 

Hinweis

Der oben stehende Leitsatz des Urteils beschreibt präzise den Inhalt dieser Entscheidung, die die Frage, ob eine Betriebsaufspaltung zwischen dem Mehrheitsaktionär und seiner börsennotierten AG möglich ist, beantwortet.

1. Eine für die Annahme einer Betriebsaufspaltung notwendige Voraussetzung ist das Bestehen eines einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen.

Nach Auffassung der Rechtsprechung genügt es hierfür, wenn sich aufgrund der Befugnis, die Mitglieder der geschäftsführenden Organe der Betriebsgesellschaft zu bestellen und abzuberufen, in der Betriebsgesellschaft auf Dauer nur ein geschäftlicher Betätigungswille entfalten kann, der vom Vertrauen der das Besitzunternehmen beherrschenden Personen getragen ist und demgemäß mit deren geschäftlichen Betätigungswillen grundsätzlich übereinstimmt. Bei der AG führen die Vorschriften des AktG (insb. § 101 Abs. 1 S. 1, § 119 Abs. 1 Nr. 1, § 133, § 134, § 84 Abs. 3 AktG) dazu, dass der Mehrheitsaktionär mittelbar über die personelle Zusammensetzung des Vorstands und damit über die Grundlinien der Geschäftspolitik der AG entscheiden kann. Dies reicht für die Feststellung einer personellen Verflechtung auch dann aus, wenn man hieran "strenge Anforderungen" stellt. Denn die Stimmenmehrheit im maßgebenden Beschlussorgan ist das durchschlagende Beherrschungsinstrument in einer Gesellschaft, deren innere Verfassungauf dem Prinzip der Entscheidungsfindung kraft Kapitalmehrheit beruht. Nach § 17 Abs. 2 AktG wird von einem in Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen vermutet, dass es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig ist. Aus dieser Norm folgt zwanglos die gesetzgeberische Einschätzung, auch eine AG werde durch den Inhaber der Anteils- bzw. Stimmenmehrheit im Regelfall beherrscht.

2. Die im Vergleich zur GmbH gegebenen aktienrechtlichen Besonderheiten ändern – ebenso wenig wie die Möglichkeit einer Aktionärsminderheit, Sonderprüfungen durchzusetzen (§ 142 AktG) –, etwas daran, dass sich aufgrund der gesellschaftsrechtlich abgesicherten Möglichkeit des Mehrheitsaktionärs, mittelbar die personelle Zusammensetzung des Geschäftsführungsorgans zu bestimmen, in der AG auf Dauer nur ein solcher geschäftlicher Betätigungswille entfalten kann, der vom Vertrauen des Mehrheitsaktionärs getragen ist.

3. Auch die Änderungen im Aktienrecht durch das KonTraG haben diejenigen Strukturmerkmale der AG, die für die Bejahung der grundsätzlichen Möglichkeit einer Beherrschung einer AG durch ihren Mehrheitsaktionär tragend sind, unberührt gelassen. Dies gilt auch – so der BFH in einem obiter dictum – für die Änderungen des AktG bzw. HGB durch das TransPuG und das BilMoG sowie für die rechtlich nicht verbindlichen Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex (§ 161 AktG).

4. In Bezug auf die Anwendung der Grundsätze in Bezug auf die Betriebsaufspaltung besteht kein entscheidungserheblicher Unterschied zwischen einer börsennotierten AG, deren Aktien sich mehrheitlich in der Hand eines einzigen Großaktionärs befinden, und einer nicht börsennotierten AG. Der wesentliche Unterschied zwischen börsennotierten und ni...

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