Leitsatz

1. Einer von der Agentur für Arbeit für den Rentenversicherungsträger erstellten Bescheinigung über Anrechnungszeiten der Ausbildungssuche i.S.d. § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a SGB VI kommt als öffentlicher Urkunde (§ 418 ZPO) hinsichtlich des darin vermerkten Tages der Anmeldung des Ausbildungssuchenden bei der Berufsberatung ein besonderer Beweiswert zu, der ggf. aber widerlegt werden kann (§ 418 Abs. 2 ZPO).

2. Werden dem Rentenversicherungsträger mit der Meldung nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a SGB VI Zeiten der Ausbildungssuche pauschal bis zum 30.9. eines Berichtsjahrs bescheinigt, dient die Meldung im Bereich des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG grundsätzlich nur für drei Monate ab dem Tag der Anmeldung bei der Berufsberatung als Nachweis für das ernsthafte Bemühen des Kindes um einen Ausbildungsplatz.

 

Normenkette

§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG, § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a SGB VI, § 418 ZPO

 

Sachverhalt

Die Klägerin bezog Kindergeld für ihre im September 1986 geborene Tochter S. Ende 2006 erfuhr die Familienkasse, dass S im April 2005 vorzeitig von der  Schule abgegangen war. Auf Nachfrage der Fa­milienkasse nach anspruchsbegründenden Ausbildungsnachweisen ab Mai 2005 übersandte die Klägerin lediglich ein Schreiben der Bundesagentur vom 30.4.2006, mit dem diese sich wegen der "Meldung beitragsfreier Zeiten an die Rentenversicherung; Beendigungsmeldung für die Ausbildungssuche bei einer deutschen Agentur für Arbeit" an S gewandt hatte. In diesem Schreiben war aufgeführt, die Zeit vom 27.4.2005 bis zum 30.9.2005 sei als Ausbildungssuche bei einer deutschen Agentur für Arbeit zu melden. Die Familienkasse hob die Festsetzung des Kindergelds ab Mai 2005 auf und wies den Einspruch zurück.

Das FG gab der Klage für die Monate Mai bis September 2005 statt (FG Köln, Urteil vom 13.3.2008, 10 K 2174/07, Haufe-Index 1993100, EFG 2008, 1043). Es war der Ansicht, die Bemühungen um einen Ausbildungsplatz würden durch die Aufforderung belegt, dem Rentenversicherer den Zeitraum vom 27.4.2005 bis 30.9.2005 als Ausbildungssuche zu melden. Dieses Schreiben begründe die Vermutung der Ausbildungsplatzsuche mit der Folge einer Beweislastumkehr zulasten der Familienkasse.

 

Entscheidung

Die Revision der Familienkasse war hinsichtlich der Monate Mai bis Juli 2005 unbegründet. Hinsichtlich der Monate August und September 2005 war sie dagegen erfolgreich, weil die Bescheinigung die erforderliche Wiederholungsmeldung nach Ablauf von drei Monaten nicht beweisen konnte. Der BFH hat die Klage insoweit abgewiesen.

 

Hinweis

1. Für ein über 18 Jahre altes Kind, das das 25. (bis 2007: das 27.) Lebensjahr noch nicht vollendet hat, besteht Anspruch auf Kindergeld, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Dazu muss sich das Kind ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemühen, dessen objektive Anforderungen es erfüllen kann.

2. Die Nachweise für die Bemühungen um einen Ausbildungsplatz hat der Kindergeldberechtigte beizubringen; das Kind ist zur Mitwirkung verpflichtet. In Betracht kommen z.B. Belege für Bewerbungen bei Unternehmen oder Universitäten. Das ernsthafte Bemühen um einen Ausbildungsplatz kann auch durch eine Bescheinigung der Agentur für Arbeit nachgewiesen werden, dass das Kind als Bewerber um eine berufliche Ausbildungsstelle registriert ist. Die bloße Registrierung genügt auch dann, wenn das Kind ansonsten keinerlei eigene Anstrengungen entfaltet. Ihre Wirkung beschränkt sich aber auf drei Monate. Danach muss sich das Kind erneut als Ausbildungssuchender melden.

3. Die Agentur für Arbeit erstellt für den Rentenversicherungsträger Bescheinigungen über Zeiten der Ausbildungssuche (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a SGB VI). Diese Bescheinigungen erfassen häufig lange Zeiträume, und zwar auch solche, in denen sich das Kind nicht wiederholt bei der Agentur vorgestellt hat. Dies beruht darauf, dass die Ausbildungsvermittlung – anders als die Vermittlung Arbeitsuchender – nicht nach Ablauf von drei Monaten eingestellt wird, wenn keine erneute Meldung stattfindet.

4. Das Bundesamt für Finanzen hatte im Jahr 2004 die für den Rentenversicherungsträger bestimmte Bescheinigung als Nachweis für die Ausbildungssuche i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG für generell ungeeignet gehalten. Dem ist der BFH nicht gefolgt. Er hat die Beweiseignung dieser Bescheinigung nicht allgemein geklärt, aber entschieden, dass sie die Familienkassen zwar nicht bindet, von den FG aber im Rahmen der Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls als widerlegbares Beweisanzeichen zu berücksichtigen ist.

5. Die Bescheinigung erbringt aber allenfalls Nachweis dafür, dass das Kind sich zu Beginn des bescheinigten Zeitraums als Ausbildungssuchender gemeldet, nicht jedoch dafür, dass es sich danach alle drei Monate erneut gemeldet hat.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 22.9.2011 – III R 30/08

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