Rz. 10

Täter einer Straftat nach § 331 HGB kann nur eine natürliche Person sein, die Mitglied des vertretungsberechtigten Organs ist. Wer zu dem jeweiligen Personenkreis zählt, bestimmt sich nach der gesetzlichen Regelung für die jeweilige Gesellschaftsform.

2.1.1 Aktiengesellschaft

 

Rz. 11

Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der AG sind die Mitglieder des Vorstands, § 76 Abs. 2 und 3 AktG. Soweit sie Vorstandsgeschäfte wahrnehmen, zählen hierzu auch die stellvertretenden Vorstandsmitglieder, § 94 AktG.[1]

[1] Vgl. Dannecker, in Staub, Großkommentar Handelsgesetzbuch, 5. Aufl. 2012, Band 7/2, § 331 HGB Rn 16; Grottel/Hoffmann, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 331 HGB Rz 18; Klinger, in MünchKomm. HGB, 4. Aufl. 2020, § 331 HGB Rn 9.

2.1.2 Kommanditgesellschaft auf Aktien

 

Rz. 12

Bei der KGaA sind die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs die persönlich haftenden Gesellschafter, §§ 278 Abs. 2, 283 AktG.

2.1.3 Gesellschaft mit beschränkter Haftung

 

Rz. 13

Taugliche Täter bei der GmbH sind die Geschäftsführer (§ 35 Abs. 1 GmbHG) und die stellvertretenden Geschäftsführer (§ 44 GmbHG).[1]

[1] Vgl. Dannecker, in Staub, Großkommentar Handelsgesetzbuch, 5. Aufl. 2012, Band 7/2, § 331 HGB Rn 21; Grottel/Hoffmann, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 331 HGB Rz 18; Klinger, in MünchKomm. HGB, 4. Aufl. 2020, § 331 HGB Rn 12.

2.1.4 Kapitalgesellschaft in Liquidation

 

Rz. 14

Bei der KapG in Liquidation sind die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs der oder die Abwickler bzw. Liquidatoren (§§ 265 Abs. 1, 290 AktG, § 66 GmbHG).[1] Falls eine juristische Person als Liquidator bestellt ist, sind nach § 14 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. StGB die Mitglieder von deren vertretungsberechtigtem Organ Normadressat des § 331 HGB.

[1] Vgl. Dannecker, in Staub, Großkommentar Handelsgesetzbuch, 5. Aufl. 2012, Band 7/2, § 331 HGB Rn 24; Grottel/Hoffmann, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 331 HGB Rz 18; Klinger, in MünchKomm. HGB, 4. Aufl. 2020, § 331 HGB Rn 14.

2.1.5 Sonstige Personen

 

Rz. 15

Andere als die im Gesetz ausdrücklich genannten Personen können nicht Täter sein. Für leitende, nicht zum Vorstand gehörende bzw. nicht zu Geschäftsführern bestellte Angestellte, Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigte gilt dies entsprechend. Ebenso können Personen, denen die Bilanzerstellung rechtsgeschäftlich übertragen wurde, nicht Täter sein. Die Möglichkeit einer generellen Delegation von Unternehmenspflichten nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 StGB oder einer speziellen Delegation nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB begründet auch keine strafrechtliche Verantwortung, weil die Bilanzerstellung eine höchstpersönliche Organpflicht ist, §§ 264 Abs. 1 Satz 2 HGB, 91 Abs. 1 AktG.[1]

[1] Vgl. Dannecker, in Staub, Großkommentar Handelsgesetzbuch, 5. Aufl. 2012, Band 7/2, § 331 HGB Rn 25; Klinger, in MünchKomm. HGB, 4. Aufl. 2020, § 331 HGB Rn 15.

2.1.6 Faktische Betrachtungsweise

 

Rz. 16

Für die Frage der möglichen Täterschaft kommt es nicht allein auf die zivil- oder gesellschaftsrechtliche Wirksamkeit des Bestellungsaktes an. Vielmehr bestimmt sich der Begriff des vertretungsberechtigten Organs auch nach den tatsächlichen Kriterien.[1]

 

Rz. 17

Bei einer nicht wirksam entstandenen oder noch nicht bestehenden KapG gibt es bereits Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs, wenn ein solches Amt von einer natürlichen Person ausgeübt wird.[2]

 

Rz. 18

Die zivilrechtlich unwirksame oder mangelhafte Bestellung zum Mitglied des Vertretungsorgans lässt die strafrechtliche Verantwortung bei tatsächlicher Übernahme und Ausübung des Amtes unberührt.[3] So kann auch eine Person, die kraft Gesetzes die Fähigkeit, ein Mitglied des vertretungsberechtigten Organs zu sein, verloren hat (§§ 6 GmbHG, 76 AktG) weiterhin Täter sein, wenn sie ihre Organfunktion weiter ausübt.[4]

 

Rz. 19

Die Eintragung in das Handelsregister stellt keine Strafbarkeitsvoraussetzung dar. Der tatsächliche Beginn der Tätigkeit vor der Eintragung begründet bereits die Tätereigenschaft.

 

Rz. 20

 
Praxis-Beispiel

Fehlt es noch an einem förmlichen Bestellungsakt, erfolgt die Organtätigkeit aber mit Einverständnis oder auch nur mit der Duldung des für die Bestellung zuständigen Organs (GesV, HV, AR), ist ebenfalls die Tätereigenschaft ge­geben.[5]

 

Rz. 21

Die rückwirkende Beendigung der Organstellung, die zivilrechtlich möglich ist, lässt die Strafbarkeit unberührt. Der Täter bleibt, wenn er über den Zeitpunkt der Beendigung der Organstellung hinaus seine Aufgaben weiter wahrnimmt, bis zur tatsächlichen Amtsaufgabe tauglicher Täter.[6]

 

Rz. 22

Wird ein Geschäftsführer bzw. Vorstand als sog. "Strohmann" in das HR eingetragen, ohne dass er tatsächlich Organfunktionen übernimmt und wahrnimmt, hat dies keinen Einfluss auf seine formelle Täterqualifikation. Zudem lässt dieses Vorschieben eines nur eingetragenen Dritten, dessen Organfunktionen tatsächlich aber vollständig von dem Hintermann, dem tatsächlichen Geschäftsführer bzw. Vorstand ausgeübt werden, die Täterschaft des Hintermanns unberührt. Täter kann in diesen Strohmann-Fällen damit sowohl das eingetragene Mitglied des vertretungsberechtigten Organs als auch der faktische Geschäftsführer/Vorstand sein.[7]

 

Rz. 23

Bisher ungeklärt ist die Frage, wie weit die faktische Bet...

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