1 Überblick

 

Rz. 1

§ 321a HGB regelt die Offenlegung von Prüfungsberichten in Insolvenzfällen. Der Gesetzgeber hat i. R. d. BilReG die Vorschrift neu geschaffen und damit Gläubigern und Gesellschaftern von insolventen Unt Zugriffsmöglichkeiten auf den Prüfungsbericht eingeräumt.

 

Rz. 2

Hintergrund der Schaffung dieser Vorschrift war, in Fällen einer öffentlichen Diskussion über die Qualität der Tätigkeit des Abschlussprüfers im Zusammenhang mit einer insolventen Ges., diesen durch die Offenlegung des Prüfungsberichts von Vermutungen und Mutmaßungen zu entlasten.[1] Bis dahin war es dem Abschlussprüfer aufgrund der gesetzlichen Verschwiegenheitsverpflichtung (§ 323 Abs. 1 HGB) nicht möglich, gegenüber Anschuldigungen Stellung zu nehmen. Hierzu bedurfte es regelmäßig zunächst der Entbindung von der Verschwiegenheit durch das geprüfte Unt (§ 323 Rz 68).

 

Rz. 3

Die Vorschrift verschafft einem begrenzten Personenkreis die Möglichkeit, nachzuprüfen, ob der Abschlussprüfer seinen gesetzlichen Berichterstattungspflichten nachgekommen ist. Hieraus ergibt sich zugleich eine präventive Wirkung für den Abschlussprüfer, damit dieser angehalten wird, seinen Prüfungsbericht entsprechend § 321 HGB zu erstatten, da er mit einer Offenlegung rechnen muss.

 

Rz. 4

Art. 58 Abs. 3 Satz 1 EGHGB bestimmt, dass die Vorschrift erstmals auf das nach dem 31.12.2004 beginnende Gj anzuwenden war, d. h. bei Gj = Kj erstmals für das Gj 2005. Da sich das Einsichtsrecht gem. Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift auf die Prüfungsberichte der letzten drei Gj bezieht, konnten somit Prüfungsberichte von Gj, die nach dem 31.12.2002 beginnen, in den zeitlichen Anwendungsbereich von § 321a HGB gelangen.

Soweit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder die Ablehnung des Antrags mangels Masse vor dem 1.1.2005 erfolgte, entsteht auch nach diesem Zeitpunkt kein Einsichtsrecht i. S. v. § 321a HGB.[2]

[1] Vgl. Orth, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 321a HGB Rz 6, Stand: 7/2022.
[2] Vgl. Forster/Gelhausen/Möller, WPg 2007, S. 201.

2 Einsichtnahme in den Prüfungsbericht (Abs. 1)

2.1 Einsichtnahmeberechtigter Personenkreis (Abs. 1 Satz 1)

 

Rz. 5

Das Einsichtnahmerecht besteht für Gläubiger und Gesellschafter des insolventen Unt. Unter Gläubiger sind alle Gläubiger der Ges. im zivilrechtlichen Sinne zu verstehen. Gläubiger sind somit auch die Inhaber von gewinnabhängigen Zahlungsansprüchen, wie z. B. aus Nachrangdarlehen, Genussrechten oder stille Ges.[1] Nicht zu den einsichtsberechtigten Gläubigern zählen somit Gläubiger von TU oder des MU, sodass in Fällen der Insolvenz eines Konzerns oder einer Unternehmensgruppe ein Gläubiger nur Prüfungsberichte derjenigen Ges. einsehen darf, bei denen er auch Gläubiger ist. Werden Forderungen abgetreten,[2] geht das Einsichtnahmerecht mit über.[3] Das Einsichtnahmerecht besteht für sämtliche Forderungen, unabhängig von deren Höhe oder zeitlicher Fälligkeit.[4] Soweit ein Gläubiger jedoch seine Forderung vollumfänglich realisiert (z. B. wegen bestehender Aus- oder Absonderungsrechte), besteht kein berechtigtes Interesse mehr an einem Einsichtnahmerecht in die Prüfungsberichte.[5]

 

Rz. 6

Gesellschafter des Unt sind alle direkt am EK der insolventen Ges. Beteiligten. Maßgeblicher Zeitpunkt der Gesellschafterstellung ist hierbei der Zeitpunkt der Geltendmachung des Einsichtsrechts.[6] Stille Gesellschafter rechnen nicht zum Kreis der Gesellschafter, da sie gem. § 230 HGB ihre Einlage dergestalt geleistet haben, dass diese in das Vermögen der (nunmehr insolventen) Ges. übergegangen ist. Sie sind aber Gläubiger des Unt und erhalten hierüber das entsprechende Einsichtsrecht (Rz 5). Darüber hinaus bestehen die in § 233 HGB genannten Kontrollrechte der stillen Gesellschafter. Handelt es sich bei dem Gesellschafter um eine juristische Person, kann diese nicht nur durch einen gesetzlichen Vertreter, sondern auch durch einen vertretungsberechtigten Mitarbeiter (z. B. Prokurist, Syndikusanwalt) vertreten werden. Es handelt sich hierbei nicht um einen Fall der Beauftragung eines Wirtschaftsprüfers (Rz 8), sondern um eine Einsichtnahme durch den Berechtigten selbst.[7]

 

Rz. 7

Gläubiger und Gesellschafter können gem. Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift ihr Einsichtsrecht auch durch einen Wirtschaftsprüfer oder vBP ausüben lassen. vBP können diese Funktion allerdings nur für mittelgroße Ges. i. S. v. § 267 HGB ausüben, wobei dies für jedes der drei Jahre separat zu beurteilen ist.[8]

 
Praxis-Beispiel

Die mittelgroße I-GmbH geht im Gj 04 insolvent. Bis einschl. Gj 02 handelte es sich um eine große KapG i. S. v. § 267 HGB. Ein Gläubiger bestimmt einen vBP zur Einsichtnahme in die Prüfungsberichte der Jahre 01–03. Der vBP darf die Einsichtnahme nur für die Prüfungsberichte der Gj vornehmen, in denen er die Voraussetzungen des § 319 Abs. 1 Satz 2 HGB erfüllt. Dies ist im vorliegenden Fall ausschl. für das Gj 03 erfüllt.

 

Rz. 8

Das Einsichtnahmerecht kann auch auf WPG/BPG übertragen werden.[9] Die WPG ihrerseits wird regelmäßig die Auftragsverantwortung Mitarbeitern übertragen, die selbst WP bzw. vBP sind. Dies ist aber nicht zwingend, weil das Erfordernis aus Abs. 1 Satz 1 durch die ...

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