1 Überblick

1.1 Inhalt

 

Rz. 1

§ 250 HGB regelt die Bilanzierung transitorischer Rechnungsabgrenzungsposten, d. h., Ausgaben (Einnahmen), die Aufwand (Ertrag) für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag darstellen, sind aktiv (passiv) abzugrenzen. Demgegenüber dienen antizipative Rechnungsabgrenzungsposten der zutreffenden Periodisierung von erst später anfallenden Zahlungen. Antizipative Rechnungsabgrenzungsposten stellen bilanziell regelmäßig Forderungen bzw. Verbindlichkeiten dar und sind daher nicht vom Regelungsbereich des § 250 HGB erfasst. Rechnungsabgrenzungsposten sind keine VG oder Schulden; ihr Bilanzansatz ist Konsequenz der dynamischen Bilanztheorie von Schmalenbach.

Abb. 1: Arten von Rechnungsabgrenzungsposten

 

Rz. 2

Bei Anzahlungen (geleistete oder erhaltene) handelt es sich nicht um nach § 250 HGB zu bilanzierende Rechnungsabgrenzungsposten,[1] auch wenn eine Unterscheidbarkeit von Anzahlungen und Rechnungsabgrenzungsposten schwierig ist und zumeist nur kasuistisch vorgenommen werden kann: Rechnungsabgrenzungsposten beziehen sich regelmäßig auf Dauersachverhalte, während Anzahlungen zumeist Einmalvorgänge betreffen.

Bei Werkzeugkostenzuschüssen richtet sich die Beurteilung nach der Art des Vertrags:[2]

  • Beruht der Zuschuss auf einer zeitbezogenen Gegenleistung (Lieferung der mit dem Werkzeug produzierten Teile über eine bestimmte, mind. aber schätzbare Zeitdauer), hat der Zuschussgeber einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten, der Zuschussempfänger einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden.
  • Beruht der Zuschuss auf einer mengenmäßigen Gegenleistung (Lieferung einer bestimmten Mindestmenge an Teilen), sind diese – mangels Zeitbezug – nicht als Rechnungsabgrenzungsposten, sondern als geleistete (Zuschussgeber) bzw. erhaltene (Zuschussempfänger) Anzahlung zu bilanzieren.
  • Bei in der Praxis sehr häufig anzutreffenden Kombinationen beider Gegenleistungen ist ein Ansatz als Rechnungsabgrenzungsposten mangels ausschl. Zeitbestimmtheit nicht zulässig, d. h. auch hier hat ein Ausweis als geleistete bzw. erhaltene Anzahlung zu erfolgen.
[1] Vgl. BFH, Urteil v. 16.5.1973, I R 186/71, BStBl 1974 II S. 25; ADS, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2001, § 250 HGB Rz 14.
[2] Vgl. St-HFA 2/1996 i. d. F. 2010, Abschn. 2111.

1.2 Normenzusammenhang und Zweck

 

Rz. 3

Bei § 250 HGB handelt es sich um eine für alle Kaufleute gültige Regelung, die gleichermaßen auf den Konzernabschluss anzuwenden ist (vgl. § 298 Abs. 1 HGB). § 246 HGB stellt klar, dass es sich bei Rechnungsabgrenzungsposten nicht um VG oder Schulden handelt. Damit gelten für Rechnungsabgrenzungsposten die Bewertungsvorschriften der §§ 252ff. HGB nicht; insb. sind keine außerplanmäßigen Abschreibungen zulässig. Die Rechnungsabgrenzung hat für eine Vorleistung in dem Umfang zu erfolgen, in dem die noch ausstehende Gegenleistung zur gesamten Gegenleistung steht.[1] Hat die zukünftige Gegenleistung für den Vorleistenden keinen oder einen nur geringen Wert (z. B. weil Geschäftsräume, für die im Voraus bereits Miete geleistet wurde, nicht mehr genutzt werden), so muss der Rechnungsabgrenzungsposten in entsprechend geringerem Umfang gebildet bzw. (tw.) aufgelöst werden.[2]

Rechnungsabgrenzungsposten finden regelmäßig auf gegenseitige Verträge Anwendung, bei denen Leistungen für eine bestimmte Zeit zu erbringen sind, Leistung und Gegenleistung aber zeitlich auseinanderfallen. Dabei ist nicht erforderlich, dass der Vertrag bereits geschlossen ist; es genügt, dass die Vorleistung in Erwartung eines Zustandekommens erbracht wurde.[3] Gleichermaßen fallen bestimmte öffentlich-rechtliche Verpflichtungen (z. B. Kfz-Steuer, Grundsteuer) in den Anwendungsbereich.

Werden im Zusammenhang mit zeitraumbezogenen Verträgen Leistungen an Dritte erbracht (z. B. Maklerprovision beim Mietvertrag), so ist hierfür kein Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden,[4] es sei denn, die Leistung durch den Dritten selbst ist ebenfalls zeitraumbezogen.

 

Rz. 4

I. R. d. JStG 2022 wurde durch eine BR-Initiative § 5 Abs. 5 EStG[5] mit einem neuen Satz 2 erweitert, nach dem der Ansatz eines Rechnungsabgrenzungspostens unterbleiben kann, wenn die jeweilige Ausgabe oder Einnahme i. S. d. Satzes 1 den Betrag des § 6 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht übersteigt. Dabei ist das Wahlrecht einheitlich für alle Ausgaben und Einnahmen i. S. d. Satzes 1 auszuüben.[6]

Begründet wurde die Neuregelung mit einer Reduzierung des Bürokratieaufwands bei nahezu allen bilanzierenden Unternehmen und damit auch bei den steuerlichen Beratern und auf Seiten der Finanzverwaltung. Die Einführung der gleichen Wesentlichkeitsgrenze wie bei der Sofortabschreibung von GWG wird als ein Schritt zur Steuervereinfachung und zum Bürokratieabbau gesehen.[7]

[2] Vgl. Schubert/Waubke, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 250 HGB Rz 30.
[3] Vgl. Schubert/Waubke, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 250 HGB Rz 7.

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