1 Überblick

 

Rz. 1

Zum Anwendungsbereich und Normenzusammenhang vgl. § 238 Rz 2 ff.

§ 240 HGB enthält in Abs. 1 und 2 die Pflicht zur Aufstellung des Inventars (Rz 34 f.). Daraus leitet sich die Inventurpflicht (Rz 3 f.) ab. In Abs. 3 und 4 sind mit dem Festwertverfahren und dem Gruppenbewertungsverfahren Inventur- und Bewertungserleichterungsverfahren (Rz 50 f.) geregelt.

 

Rz. 2

Das Inventar und die dafür erforderliche Inventur gem. §§ 240, 241 HGB sind Bindeglied zwischen der laufenden Buchführung nach §§ 238, 239 HGB und der Aufstellung des Jahresabschlusses nach §§ 242ff. HGB. Dabei sind Inventur und Inventar Teil der Buchführung und das Inventar als Handelsbuch nach § 257 HGB aufbewahrungspflichtig. Inventur und Inventar haben folgende Funktionen:

  • Sie dienen dem Abschluss der Buchführung für das jeweilige Gj (bzw. der Vorbereitung der Buchführung beim Eröffnungsinventar).
  • Die Inventur dient der Korrektur der Buchführung; durch Vergleich der Buchbestände mit den tatsächlich erfassten Beständen kann der Kfm. Fehler in seiner Buchführung feststellen und berichtigen.
  • Sie dient damit der dauerhaften Erhaltung der Richtigkeit und der Vollständigkeit der Buchführung (§ 239 Abs. 2 HGB).
  • Dadurch sichert sie die Selbstinformationsfunktion nach § 238 Abs. 1 HGB und macht die Buchführung für Dritte nachvollziehbar.
  • Sie führt den Nachweis über das Vorhandensein von VG und Schulden; dient also der Sicherung der Beweiskraft der Buchführung nach § 258 HGB.[1]
[1] Zu weitergehenden steuerlichen Buchführungspflichten vgl. Frotscher/Watrin, in Frotscher/Geurts, EStG, § 5 EStG Rz 5, Stand: 3/2019.

2 Inventur und Inventar (Abs. 1 und 2)

2.1 Inventurpflicht (Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 3)

2.1.1 Eröffnungsinventur

 

Rz. 3

§ 240 Abs. 1 HGB schreibt dem Kfm. vor, zu Beginn seines Handelsgewerbes ein Eröffnungsinventar aufzustellen; das Eröffnungsinventar ist Grundlage für die nach § 242 Abs. 1 HGB aufzustellende Eröffnungsbilanz (§ 242 Rz 3).

 

Rz. 4

Nach dem Gesetzeswortlaut sind darin Grundstücke, Forderungen, Bargeld, sonstige VG und Schulden des Kfm. mit ihrem Wert zu verzeichnen. Der Gesetzeswortlaut ist unvollständig und die Aufzählung nur beispielhaft (bspw. fehlen Sachanlagen). Aufzuzeichnen sind sämtliche VG und sämtliche Schulden, d. h. alles, was der Kaufmann in sein Betriebsvermögen bei Eröffnung eingelegt hat.

2.1.2 Schlussinventur

 

Rz. 5

Nach § 240 Abs. 2 Satz 1 HGB hat der Kfm. ein Inventar auch am Ende eines jeden Gj aufzustellen. Das Schlussinventar muss ebenfalls sämtliche vorhandenen VG und Schulden verzeichnen. Zur Frage des Endes des Gj vgl. Rz 44 f. Auch für Zwischenabschlüsse ist grds. eine Zwischeninventur erforderlich, wobei hier mangels Bedeutung der Inventur für die Besteuerung bzw. dem Zweck der Rechnungslegung nach h. M. großzügiger als bei Inventuren auf den Abschlussstichtag mit Schätz- und Vereinfachungsverfahren gearbeitet werden darf, solange dadurch nicht die richtige Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage beeinträchtigt wird.[1]

 

Rz. 6

Für einige VG bzw. Schulden besteht keine Inventurpflicht bzw. deren Inventurpflicht ist strittig. Dies betrifft

  • den Geschäfts- und Firmenwert,
  • vor Einführung des BilMoG gebildete Sonderposten mit Rücklageanteil,
  • die Rechnungsabgrenzungsposten,
  • vor Einführung des BilMoG gebildete Bilanzierungshilfen und
  • vor Einführung des BilMoG gebildete Aufwandsrückstellungen.

Die fehlende Inventurpflicht begründet die Literatur damit, dass es sich um rein rechnerische Posten handelt.[2] Damit ergibt sich auch keine Inventurpflicht für die latenten Steuern, da es sich hier um einen rechnerischen Posten handelt. Die Dokumentation von Bewertungseinheiten (§ 254 Rz 48) fällt dagegen nicht in den Bereich der Inventur, da im Regelfall eine Erfassung bereits in der laufenden Buchführung erforderlich ist, soweit nicht eine Zuordnung zur Bewertungseinheit offensichtlich ist und noch bei Aufstellung des Jahresabschlusses erfolgen darf.

 

Rz. 7

Für selbst geschaffene immaterielle VG des AV lässt § 248 Abs. 2 HGB (§ 248 Rz 10) ein Aktivierungswahlrecht zu. Da es sich nicht um rein rechnerisch ermittelte Posten handelt, besteht bei Aktivierung wegen des Grundsatzes der Ansatzstetigkeit (§ 246 Rz 134) dauerhaft Inventurpflicht; bei Nichtaktivierung entfällt die Inventurpflicht.

 

Rz. 8

Die Frage, ob eine Inventurpflicht besteht oder nicht, ist nicht etwa nur akademischer Natur; besteht eine Inventur- bzw. Inventarpflicht für einen Posten, sind die engen Fristen (grds. Stichtagsinventur vgl. Rz 16 f., bei Erfüllung der Voraussetzungen vor- oder nachverlegte Stichtagsinventur, § 241 Rz 28) für ihre Erfassung einzuhalten, nicht jedoch die längeren Aufstellungsfristen für den Jahresabschluss bspw. nach §§ 243 Abs. 3, 264 HGB.

[1] Vgl. IDW, WPH Edition, Wirtschaftsprüfung & Rechnungslegung, 18. Aufl. 2023, Kap. G Tz 189.
[2] Vgl. ADS, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2001, § 240 HGB Rz 8.

2.1.3 Inventurgrundsätze

 

Rz. 9

§ 240 HGB enthält selbst keine Inventurgrundsätze; die Vorschrift verweist auch nicht ausdrücklich auf die GoB. In der Literatur haben sich jedoch Grundsätze ordnungsmäßiger Inventur (GoI) herausgebildet.[1]

 

Rz. 10

Diese Grundsätze or...

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