Rz. 77

Da im Konzernabschluss die Jahresabschlüsse einbezogener TU nach den für das MU maßgeblichen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften zusammenzufassen sind (§ 308 Abs. 1 HGB), ergibt sich mindestens bei ausländischen TU das Erfordernis der Prüfung der sog. Handelsbilanz II (HB II). Ausgangspunkt hierzu stellen die einheitlichen Bilanzierungs- und Bewertungsregeln des MU dar, die häufig in einer Konzernbilanzrichtlinie (group accounting manual) o. Ä. zusammengefasst sind. Die Beurteilung der Angemessenheit der Konzernbilanzrichtlinie ist eine wesentliche Prüfungshandlung des Konzernabschlussprüfers, da eine unangemessene Konzernbilanzrichtlinie (z. B. widersprüchliche oder schwer verständliche Ausführungen, Unvollständigkeit) das Einhalten einheitlicher Rechnungslegungsregeln im Konzern erschwert bzw. im Extremfall verhindert. Ist keine (schriftliche) Konzernbilanzrichtlinie vorhanden, muss der Konzernabschlussprüfer beurteilen, durch welche Maßnahmen das MU sichergestellt hat, dass die TU einheitliche Regelungen befolgen. In einfachen Konzernstrukturen mit z. B. ausschl. inländischen TU dürfte das Aufstellen einer Konzernbilanzrichtlinie nicht zwingend erforderlich sein, wenn über wesentliche Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte konzernweite Absprachen zur einheitlichen Ausübung vorliegen.

 

Rz. 78

Die auf Basis der Konzernbilanzrichtlinie aufgestellte HB II des TU ist ein wesentliches Prüfungsobjekt i. R. d. Konzernabschlussprüfung. In der Praxis erfolgt die Prüfung der Überleitung der HB I (nach lokalem Recht aufgestellte und geprüfte Handelsbilanz) zur HB II (nach den konzerneinheitlichen Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden aufgestellte Handelsbilanz) häufig durch den lokalen Abschlussprüfer des TU. Dieser verfügt aufgrund seiner Abschlussprüfung der HB I zumeist über die notwendigen Kenntnisse, welche Abweichungen sich zur konzerneinheitlichen Bilanzierung und Bewertung ergeben, sodass auch aus Kostengesichtspunkten der lokale Abschlussprüfer die Prüfung der Überleitung der HB I auf die HB II vornimmt. In Konstellationen, in denen die Einhaltung der konzerneinheitlichen Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte unsicher erscheint, ist die Prüfung der Überleitung der HB I zur HB II durch den Konzernabschlussprüfer zweckmäßig.

 
Praxis-Beispiel

Der deutsche Wirtschaftsprüfer ist Konzernabschlussprüfer der A-AG mit Sitz in Köln. Die A-AG hält 100 % der Anteile an einem TU in Brasilien. Die nach brasilianischen Rechnungslegungsvorschriften aufgestellte HB I wird von einem brasilianischen Abschlussprüfer geprüft. Nach den Feststellungen des Konzernabschlussprüfers verfügt der brasilianische Abschlussprüfer über keine ausreichenden Kenntnisse zur Prüfung der nach deutschem Handelsrecht aufzustellenden HB II des TU.

Da es sich bei dem brasilianischen TU um eine bedeutsame Teileinheit des Konzerns handelt, prüft der Konzernabschlussprüfer die HB II selbst. Hierzu muss er sich ausreichende Kenntnisse über die nach brasilianischen Grundsätzen aufgestellte HB I verschaffen. Er bindet daher einen ihm bekannten Wirtschaftsprüfer als freien Mitarbeiter in sein Prüfungsteam ein, der über die entsprechenden Kenntnisse verfügt.

 

Rz. 79

Soweit bei in den Konzernabschluss einbezogenen TU ein vom Konzernabschlussstichtag abweichender Abschlussstichtag vorliegt, kann die Überleitung der HB I auf die HB II auch die Prüfung der Überleitung auf einen Zwischenabschluss (§ 299 Abs. 2 HGB) bzw. die Beurteilung von besonderen Vorgängen zwischen dem Abschlussstichtag des Tochterunternehmens und dem Konzernabschlussstichtag (§ 299 Abs. 3 HGB) erfordern (§ 299 Rz 31).

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