Rz. 10

Die Kapitalrücklage definiert sich im Unterschied zu den Gewinnrücklagen dadurch, dass dem Unt von außen Vermögen zugeführt wird. Die Erfassung der Zuführungen erfolgt dabei ergebnisneutral in dem Bilanzposten "Kapitalrücklage". Welche Beträge bilanzverlängernd i. S. e. Kapitalrücklage wirken, regelt § 272 Abs. 2 HGB (§ 272 Rz. 118 ff.).

 
Praxis-Beispiel

Eine AG führt eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen durch. Das Grundkapital betrug bislang 200 Mio. EUR, zerlegt in 50 Mio. Aktien. Den Aktionären werden 10 Mio. neue Aktien zu einem Bezugspreis von je 12 EUR angeboten. Der Nennwert je Aktie beträgt 8 EUR. Daraus ergeben sich folgende Werte:

Mittelzuführung gesamt = 10 Mio. Stk. × 12 EUR/Stk. = 120 Mio. EUR

Zuführung zum Grundkapital = 10 Mio. Stk. × 8 EUR/Stk. = 80 Mio. EUR

Zuführung zur Kapitalrücklage = 120 Mio. EUR – 80 Mio. EUR oder 10 Mio. Stk. * (12 EUR/Stk. – 8 EUR/Stk.) = 40 Mio. EUR

 
Aktiva Veränderungen in der Bilanz Passiva
    Gez. Kapital + 80 Mio. EUR
    Kapitalrückl. + 40 Mio. EUR
Bank + 120 Mio. EUR    
       
 

Rz. 11

Die Bildung einer Kapitalrücklage kann neben den Bestimmungen des § 272 Abs. 2 HGB zudem auf verschiedenen Sondervorschriften fußen. Für AG bestehen Sondervorschriften mit Bezug auf die vereinfachte Kapitalherabsetzung (§ 229 AktG), die Einziehung von Aktien ohne Entgelt (§ 237 Abs. 5 AktG) und die Einstellung von Beträgen in die Kapitalrücklage bei zu hoch angenommenen Verlusten (§ 232 AktG). Werden diese Sonderregelungsbereiche tangiert, sind die Einstellungen in die Kapitalrücklage in der Ergebnisverwendung (§ 268 Rz 6) zu erfassen – aber gleichwohl ebenfalls bei der Aufstellung der Bilanz zu berücksichtigen. Dies korrespondiert mit dem geforderten Ausweis des aus der Kapitalherabsetzung gewonnenen Ertrags in der Ergebnisverwendungsrechnung gem. § 240 Satz 1 AktG.[1] Eine grds. Pflicht zur Berücksichtigung von Veränderungen der Kapitalrücklage in der Verlängerungsrechnung der GuV jenseits der Sonderbereiche kann daraus jedoch nicht abgeleitet werden.[2]

 

Rz. 12

Lediglich die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln bildet eine Ausnahme in Bezug auf die Darstellung in der Ergebnisverwendung (§§ 207ff. AktG und §§ 57c ff. GmbHG). Bilanziell wird die Umwandlung in gezeichnetes Kapital hier durch Umbuchung innerhalb des Eigenkapitals erfasst (§ 272 Rz 110).[3]

 
Praxis-Beispiel

Eine AG mit Aktien von 1 EUR Nennwert, gezeichnetem Kapital von 60 Mio. EUR und einer Kapitalrücklage von 100 Mio. EUR führt eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftermitteln im Verhältnis 4:1 durch.

 
Konto Soll Haben
Kapitalrücklage 15  
Gez. Kapital   15

Nach Abschluss der Transaktion verfügt die Ges. über 75 Mio. Aktien im Nennwert von 1 EUR, einem gezeichneten Kapital von 75 Mio. EUR und einer Kapitalrücklage von 85 Mio. EUR.

 

Rz. 13

Sondervorschriften für GmbH ergeben sich aus den §§ 26ff., 42 Abs. 2, 58a und 58b GmbHG (Nachlässe und vereinfachte Kapitalherabsetzung).[4]

 

Rz. 14

Die Auflösung der Kapitalrücklage muss grds. in der Ergebnisverwendungsrechnung dargestellt werden, was eine zwingende Berücksichtigung der teilweisen oder vollständigen Ergebnisverwendung bei der Bilanzerstellung bedingt. Eine Ausnahme davon gilt dann, wenn die Gesellschafterversammlung jederzeit unterjährig Entnahmen aus der Kapitalrücklage beschließen kann, was etwa bei einer GmbH denkbar ist, nicht aber bei der AG oder KGaA.

 

Rz. 15

AG haben bei Entnahmen die Vorschriften der §§ 150 Abs. 3 und 4 sowie 229 Abs. 2 AktG zu beachten, wogegen GmbH bei der Auflösung keinen gesetzlichen Beschränkungen unterliegen. Lediglich aus dem Gesellschaftsvertrag können sich bei GmbH Einschränkungen ergeben. Für AG resultiert daraus eine Beschränkung der Entnahme auf Fälle eines Ausgleichs eines Verlustvortrags oder eines Jahresfehlbetrags.

 

Rz. 16

Gem. § 275 Abs. 4 HGB und § 158 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 respektive Satz 2 AktG sind Entnahmen aus der Kapitalrücklage alternativ zu einem GuV-Ausweis nach dem Posten "Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag" im Anhang darzustellen (§ 275 Rz 255 ff.). Darüber hinaus ist der Wert der negativen Änderung gem. § 158 Abs. 2 Nr. 2 AktG gesondert in der Bilanz oder im Anhang zu beziffern.

[1] Vgl. Thiele, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 270 HGB Rz 22, Stand 9/2002.
[2] Vgl. anstatt vieler Rux, in Kußmaul/Müller, HdB, Rücklagen im Abschluss nach HGB, IFRS und EStG/KStG Rz 7, Stand 8/2021.
[3] Vgl. Störk/Taetzner, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 270 HGB Rz 13.
[4] S. dazu Störk/Kliem/Meyer, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 272 HGB Rz 215 ff.

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