Leitsatz

Eine Veräußerung i.S.d. § 16 EStG liegt auch dann vor, wenn der Übertragende als selbstständiger Unternehmer nach der Veräußerung des (Teil-)Betriebs für den Erwerber tätig wird.

 

Normenkette

§ 15, § 16, § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG

 

Sachverhalt

Im Jahr 2001 verkaufte der Kläger seinen Gewerbetrieb (Vertrieb von Klimasystemen) an einen Mitarbeiter. Da sich der Erwerber weniger um den kaufmännischen Bereich kümmern wollte, schlossen er und der Kläger zeitgleich einen Beratervertrag ab. Zu der vereinbarten Beratungstätigkeit gehörten insbesondere auch "Organisation und Systeme, Akquisition und Vertrieb, Werbung und kaufmännische Verwaltung". Als Vergütung wurde ein Honorar von jährlich 45 000 DM zuzüglich USt sowie ein umsatzabhängiges Honorar von 5 % des Mehrumsatzes gegenüber dem Jahresabschluss 2001 vereinbart. Tatsächlich wurde später kein umsatzabhängiges Honorar gezahlt.

Das FA gewährte für den Veräußerungsgewinn weder den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG noch behandelte es den Veräußerungsgewinn als außerordentliche Einkünfte i.S.v. § 34 EStG. Die dagegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg, da auch das FG der Ansicht war, dass der Kläger seine bisherige Tätigkeit über den geschlossenen Beratervertrag fortgesetzt habe (FG Düsseldorf vom 20.04.2007, 12 K 5766/04 E, Haufe-Index 1967058, EFG 2008, 608).

 

Entscheidung

Der BFH sah dies anders: Der Kläger habe seine auf das veräußerte Betriebsvermögen bezogene unternehmerische Tätigkeit vollständig eingestellt und sowohl seine Unternehmerinitiative als auch das von ihm zu tragende Unternehmerrisiko nur auf seinen neu gegründeten Gewerbebetrieb "Beratertätigkeit" bezogen.

 

Hinweis

1. In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass der bisherige Betriebsinhaber nach der Veräußerung seines Unternehmens dem Erwerber nicht nur unentgeltlich mit Rat und Tat zur Seite steht, sondern auch noch entgeltlich für seinen ehemaligen Betrieb tätig wird. Dies gilt nicht nur für freiberuflich, sondern auch für gewerblich tätige Steuerpflichtige.

Es stellt sich dann jedoch die Frage, ob diese nachfolgende Tätigkeit des Betriebsveräußerers nicht die Steuervergünstigungen, die ihm anlässlich einer Betriebsveräußerung gewährt werden, gefährdet.

2. Der Gewinn aus einer Betriebsveräußerung wird nach § 16 Abs. 4 EStG zur ESt herangezogen, soweit er die dort bezeichneten Freibeträge übersteigt, und gem. § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG nur ermäßigt besteuert.

3. Die Veräußerung eines Gewerbebetriebs im Ganzen setzt sowohl voraus, dass das wirtschaftliche Eigentum an allen wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang auf einen Erwerber übertragen wird, als auch dass die bisher in diesem Betrieb entfaltete gewerbliche Tätigkeit endet.

4. Die Grundsätze, die der BFH für die Übertragung einer freiberuflichen Praxis bei späterer Tätigkeit des früheren Praxisinhabers für seinen Nachfolger entwickelt hat (vgl. BFH, Urteil vom 29.06.1994, I R 105/93, BFH/NV 1995, 109), gelten auch bei der Übertragung eines Gewerbebetriebs. Das bedeutet im Einzelnen:

5. Wird der Veräußerer vom Erwerber als Angestellter beschäftigt, erzielt der Übertragende keine Gewinneinkünfte mehr, sondern Einkünfte gem. § 19 EStG. Bereits aus diesem Umstand folgt, dass der Veräußerer seine bisherige berufliche Tätigkeit endgültig aufgegeben hat. Angesichts der normativen Wertung des Gesetzgebers, der in der rechtlichen Behandlung zwischen den Gewinneinkunfts- und den Überschusseinkunftsarten unterscheidet, rechtfertigt bereits die Veränderung der Einkunftsart die Annahme, die vorher und nachher ausgeübten Tätigkeiten seien nicht identisch.

6. Ein steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn liegt aber auch dann vor, wenn der Übertragende als selbstständiger Unternehmer nach der Veräußerung für den Erwerber tätig wird. Als freier Mitarbeiter verwertet er seine unternehmerischen Leistungen nur gegenüber seinem Nachfolger; als Betriebsinhaber hatte er sich hingegen an den allgemeinen Markt gewendet. Nach der Betriebsveräußerung geht nur der Erwerber rechtliche Beziehungen zu den bisherigen Kunden des Übertragenden ein. Der Veräußerer hat nach der Übertragung nur noch den Erwerber als Kunden.

7. Die unterschiedliche unternehmerische Tätigkeit zeigt sich insbesondere bei der Übertragung von gewerblichen Produktionsbetrieben. Während die Wertschöpfung des übertragenen Unternehmens in erheblichem Umfang auf der Nutzung dieses Produktivvermögens beruht, verwertet der jetzige Berater nur seine eigene Arbeitskraft ohne Kapitaleinsatz. Der Übertragende hat seine auf das veräußerte Betriebsvermögen bezogene unternehmerische Tätigkeit eingestellt und sich eine neue Einkunftsquelle erschlossen.

8. Unschädlich ist grundsätzlich auch die Vereinbarung eines erfolgsabhängigen Honorars. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Vereinbarung eines (zu) hohen Honorars, das den Gewinn des Unternehmens (zum großen Teil) abschöpft, bei der Finanzverwaltung den Gedanken aufkommen lassen könnte, dass der bisherige Betriebsinhaber noch einen Teil des Goodwills sei...

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