Der Vorrang von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und Teilhabe ist im SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen) festgelegt. Im SGB XI ist geregelt, dass im Falle drohender oder bestehender Pflegebedürftigkeit regelmäßig die Notwendigkeit präventiver oder rehabilitativer Leistungen, insbesondere die Notwendigkeit von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, zu prüfen ist. Durch das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz aus dem Jahr 2008 wurde der Grundsatz "Rehabilitation vor und bei Pflege" gestärkt. Es ist in jedem Einzelfall im Rahmen der Begutachtung von Pflegebedürftigkeit zu prüfen, ob eine Indikation für diese Leistung besteht, um Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, eine bestehende Pflegebedürftigkeit zu beseitigen oder zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten (§ 18b Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 2b, Absatz 2 SGB XI, § 9 Absatz 1 und 3 SGB IX). Der Medizinische Dienst hat eine gesonderte Präventions- und Rehabilitationsempfehlung zu erstellen und an die Pflegekasse zu übersenden. Die Pflegekasse informiert unverzüglich die antragstellende Person und mit deren Einwilligung die behandelnde Ärztin beziehungsweise den behandelnden Arzt und leitet mit Einwilligung der antragstellenden Person die entsprechende Mitteilung dem zuständigen Reha-Träger zu (§ 31 Absatz 3 SGB XI). In diesen Fällen ist ein gesonderter Antrag der antragstellenden Person oder eine Verordnung durch die Vertragsärztin beziehungsweise den Vertragsarzt mit Muster 61 im Weiteren nicht erforderlich (§ 31 Absatz 3 SGB XI).

Leistungen zur medizinischen Rehabilitation werden in ambulanter oder stationärer Form als komplexe, interdisziplinäre Leistung nach § 42 SGB IX erbracht.

Zuständig können entweder die gesetzliche Krankenversicherung, die gesetzliche Rentenversicherung, die gesetzliche Unfallversicherung oder andere Sozialleistungsträger sein. Bei der hier infrage kommenden Patientengruppe wird überwiegend die gesetzliche Krankenversicherung zuständig sein und Leistungen nach § 40 SGB V erbringen.

Den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation der GKV stehen Einzelleistungen, zum Beispiel Heilmittel, die auch eine rehabilitative Zielsetzung haben können, gegenüber.

Das konzeptionelle und begriffliche Bezugssystem bei der Begutachtung zur Indikation und Allokation einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation ist das bio-psycho-soziale Modell der WHO, das auch der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) zugrunde liegt. Im Sinne der ICF ist Behinderung vor allem eine Beeinträchtigung der Teilhabe.

Für Personen, die einen Antrag auf Pflegeeinstufung oder Höherstufung gestellt haben, ist in einem hohen Anteil davon auszugehen, dass nicht nur vorübergehende alltagsrelevante Beeinträchtigungen der Aktivitäten vorliegen. Vielmehr ist anzunehmen, dass dieser Personenkreis häufig längerfristige Beeinträchtigungen aufweist.

4.12.1.1 Indikationsstellung zur medizinischen Rehabilitation

Die Indikation für eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation[1] im Sinne des SGB IX liegt vor, wenn

  • Rehabilitationsbedürftigkeit,
  • Rehabilitationsfähigkeit,
  • realistische, für die antragstellende Person alltagsrelevante Rehabilitationsziele und
  • eine positive Rehabilitationsprognose

bestehen.

Nur bei Vorliegen aller vier Kriterien ist die Indikation zu einer Leistung der medizinischen Rehabilitation gegeben.

4.12.1.2 Rehabilitationsbedürftigkeit

Rehabilitationsbedürftigkeit besteht, wenn aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Schädigung

  • voraussichtlich nicht nur vorübergehende alltagsrelevante Beeinträchtigungen der Aktivitäten vorliegen, durch die in absehbarer Zeit Beeinträchtigungen der Teilhabe drohen

oder

  • Beeinträchtigungen der Teilhabe bereits bestehen

und

  • über die kurative Versorgung hinaus der mehrdimensionale und interdisziplinäre Ansatz der medizinischen Rehabilitation erforderlich ist.

Bei der Beurteilung sind die umwelt- und personbezogenen Kontextfaktoren zu berücksichtigen.

Bei der Prüfung der Rehabilitationsbedürftigkeit sind insbesondere folgende Ausprägungen alltagsrelevanter Beeinträchtigungen zu berücksichtigen:

  • die Selbstversorgung, zum Beispiel Ernährung, Körperpflege, Ausscheidung, deren Beeinträchtigung zu personellem Unterstützungsbedarf (Pflegebedürftigkeit) führen kann,
  • die Mobilität, deren Beeinträchtigung ein Leben der Person außerhalb ihrer Wohnung verhindern und so zu deren sozialer Isolation führen kann,
  • die Kommunikation, zum Beispiel Sprachverständnis, Sprachvermögen, Hören, Sehen, mit der Folge der Beeinträchtigung der örtlichen Orientierung,
  • manuelle Aktivitäten, deren Einschränkung zum Beispiel zu Beeinträchtigungen der Beschäftigung oder Haushaltsführung führen kann,
  • die Strukturierung des Tagesablaufes, die zu vielfältiger Beeinträchtigung der Teilhabe führen kann

Rehabilitationsbedürftigkeit ist nicht gegeben, wenn kurative oder pflegerische beziehungsweise andere Maßnahmen zur Sicherstellung beziehungsweise Gewährleistung der Selbständi...

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