Leitsatz

1. Im massearmen Insolvenzverfahren können Neuforderungen, die erst nach Feststellung der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind, nicht zur Aufrechnung gestellt werden.

2. Auch eine Aufrechnung gegen einen Vorsteuervergütungsanspruch, der sich aus anteiliger Verwaltervergütung für den Zeitraum bis zur Feststellung der Masseunzulänglichkeit ergibt, ist nicht zulässig, wenn eine entsprechende Teilvergütung vom Insolvenzgericht nicht festgesetzt worden ist (Fortführung des Urteils vom 01.08.2000, VII R 31/99, BStBl II 2002, 323, BFH/PR 2001, 113).

 

Normenkette

§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO

 

Sachverhalt

Ein Insolvenzverwalter hatte dem Insolvenzgericht im Dezember 2002 die Unzulänglichkeit der von ihm verwalteten Insolvenzmasse angezeigt. 2003 entstanden zulasten der Insolvenzmasse Steuerverbindlichkeiten, 2004 ein negativer USt-Anspruch aufgrund der Vorsteuer in der Rechnung über die Verwaltervergütung.

Das FA verrechnete diese beiden Forderungen miteinander und erließ den angefochtenen Abrechnungsbescheid darüber.

 

Entscheidung

Der Abrechnungsbescheid ist rechtswidrig. Nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist eine Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Entsprechendes gilt, wenn er nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit schuldig wird.

 

Hinweis

Die InsO enthält eine Reihe von Aufrechnungsverboten. Wichtig ist insbesondere § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wonach eine Aufrechnung unzulässig ist, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Die Konkursordnung enthielt eine gleichlautende Vorschrift. Die Rechtsprechung hatte diese Vorschrift entsprechend auf den Fall des Konkurses im Konkurs angewandt, also auf den Fall, dass ein Konkursgläubiger etwa erst nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit schuldig wird. Diese Rechtsprechung hat auch unter der Geltung der Insolvenzordnung Bedeutung; denn die maßgeblichen Rechtsgrundsätze haben sich durch die Ablösung der Konkursordnung durch die Insolvenzordnung in diesem Zusammenhang nicht geändert. Dementsprechend ist der Anspruch auf Vorsteuervergütung aus der Honorarrechnung des Insolvenzverwalters, weil diese nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit erstellt wird, nicht gegen vorinsolvenzliche Steuerschulden aufrechenbar.

Man könnte versucht sein, die Vorsteuer aufzuspalten in einen Teil, der die vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit erbrachten Leistungen des Insolvenzverwalters betrifft, und den Rest, der auf den Zeitraum nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit entfällt. Denn so verfährt der BFH häufig, wenn es um die Zuordnung steuerlicher Forderungen im Insolvenzverfahren geht; bei dieser kommt es nicht auf das steuerverfahrensrechtliche Entstehen der Forderung, sondern bei der USt darauf an, wann die zugrunde liegende Leistung erbracht worden ist. Bei einer einheitlichen Rechnung über die Leistungen eines Insolvenzverwalters ist ein solcher Weg aber nicht gangbar, wie der BFH schon früher entschieden hatte. Er hält daran auch jetzt mit Recht fest. Der Insolvenzverwalter erhält eine Vergütung nicht für einzelne, zeitlich zuordenbare Leistungen, sondern ähnlich wie ein Rechtsanwalt eine verfahrensbezogene Vergütung, bei deren Festsetzung allerdings anders als beim Rechtsanwalt Einzelleistungen in weitem Umfang berücksichtigt werden können.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 04.03.2008, VII R 10/06

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