Verlangt der Arbeitgeber von den Arbeitnehmern für die Beförderung eine Bezahlung, die aber nicht seine Ausgaben deckt, ist zu prüfen,

  • ob statt des "verbilligten" Entgelts die sog. Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 i. V. m. Abs. 4 UStG (Bemessungsgrundlage, Tz. 3.3.) eingreift – d. h. die Bemessung nach Grundsätzen des "Eigenverbrauchs" gem. § 10 Abs. 4 UStG, also den sog. "Ausgaben" des Unternehmers für die Beförderungsleistung.[1]
  • ob dieser Betrag nur eine "symbolische" Vergütung ist, der umsatzsteuerrechtlich kein Entgeltscharakter zukommt.[2] In diesem Fall greifen die "Eigenverbrauchsgrundsätze" ein, d. h. die Beförderungsleistung wird als unentgeltliche Leistung "für den privaten Bedarf des Personals" behandelt und mit den "Ausgaben" als Bemessungsgrundlage erfasst (§ 3 Abs. 9a i. V. m. § 10 Abs. 4 UStG, Unentgeltliche Wertabgaben (Sonstige Leistungen)), oder
  • ob in diesem Fall die Besteuerung nach § 3 Abs. 9a UStG entfällt, weil die Beförderung nicht für den privaten Bedarf des Personals, sondern vorrangig für Zwecke des Unternehmens erfolgt (siehe Tz. 1.2). Wenn keine Besteuerung als "unentgeltliche" Verwendung nach § 3 Abs. 9a UStG zulässig ist, dürfte auch die "verbilligte" Leistung nicht auf deren Bemessungsgrundlage hochgeschleust werden; sie ist nicht steuerbar (es fehlt an einer "Umgehung" der Besteuerung als unentgeltliche Leistung – welche durch § 10 Abs. 5 UStG vermieden werden soll.[3]
 
Praxis-Beispiel

Symbolisches oder noch vertretbares Entgelt?

Ein Unternehmer befördert seine Arbeitnehmer in Bussen täglich von deren Wohnungen zur Arbeitsstätte, weil für die Arbeitnehmer keine zumutbare Möglichkeit besteht, um diese Betriebsstätte mit öffentlichen Verkehrsmitteln bis zum Arbeitsbeginn um 6.00 Uhr zu erreichen. Die Arbeitnehmer zahlten einen Fahrpreis von 1 EUR je Arbeitstag. Die Kosten beim Arbeitgeber beliefen sich auf rd. 180.000 EUR. Diesen standen Entgeltzahlungen der Arbeitnehmer von rd. 15.000 EUR jährlich gegenüber (rd. 8 %).

Würde man die Zahlung der Arbeitnehmer von 1 EUR als lediglich symbolisch beurteilen, käme man zur Annahme unentgeltlicher Beförderungsleistungen durch den Arbeitgeber. Da der Unternehmer hier nicht "für den privaten Bedarf seines Personals", sondern für Zwecke seines Unternehmers befördert, könnte keine Besteuerung nach § 3 Abs. 9a (Nr. 1 oder Nr. 2) UStG eingreifen.

Nimmt man die Zahlung als noch vertretbares Entgelt[4], liegt ein Leistungsaustausch i. S. v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG vor. Dieser ist grundsätzlich mit dem vereinbarten Entgelt (1 EUR) zu besteuern (§ 10 Abs. 1 UStG). Die Mindestbemessungsgrundlage nach (hier) § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG greift dann nicht ein. Dem Wortlaut nach liegen deren Voraussetzungen zwar vor: Der Unternehmer führt sonstige Leistungen an sein Personal "aufgrund des Dienstverhältnisses"[5] aus und die Bemessungsgrundlage nach Absatz 4 (Ausgaben) übersteigt das Entgelt nach Absatz 1.

Nach Sinn und Zweck der Regelung und insbesondere nach der (engen) Grenze der EU-Ermächtigung dafür (s. o.) ist die Anwendung in Fällen der vorliegenden Art aber ausgeschlossen. Denn die Arbeitgeberleistung wäre nicht als "Eigenverbrauch" nach § 3 Abs. 9a UStG (Unentgeltliche Wertabgaben (Sonstige Leistungen)) steuerbar. Damit kann keine Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 UStG in diesem Fall eingreifen.

[1] Vgl. die Vorabentscheidung des EuGH, Urteil v. 29.5.1997, C-63/96 (Skripalle), UR 1997 S. 301. Die Bundesrepublik Deutschland hat für diese Regelung eine EU-Ermächtigung nach Art. 27 der 6. Richtlinie erhalten, "um die Steuerhinterziehung oder -umgehung zu verhüten" (nicht aber, um die Steuererhebung zu vereinfachen); EuGH, Urteil v. 20.1.2005, C-412/03 (Hotel Scandic Gasabak), BFH/NV Beilage 2005 S. 90.
[2] EuGH, Urteil v. 20.1.2005, C-412/03 (Hotel Scandic Gasabak), BFH/NV Beilage 2005 S. 90; BFH, Urteil v. 15.11.2007, V R 15/06, BFH/NV 2008 S. 1070. Zur Bestimmbarkeit der "symbolisch" – Grenze könnte man auf die 5 %-Bagatellgrenze zurückgreifen, wie sie zur Frage der "ausschließlichen" Verwendung bei § 9 Abs. 2 UStG durch Abschn. 9.2 Abs. 3 UStAE praktiziert wird.
[5] Vgl. BFH, Urteil v. 15.11.2007, V R 15/06, BFH/NV 2008 S. 1070 und BFH, Urteil v. 27.2.2008, XI R 50/07, BFH/NV 2008 S. 1086, allerdings abweichend von der einschlägigen bisherigen BFH-Begründung.

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