1 Einführung

 

Rz. 1

Anzahlungen spielen im Rahmen der Abwicklung bestimmter Geschäftsvorfälle in der Wirtschaftspraxis eine wichtige Rolle und sind daher finanzwirtschaftlich und bilanzrechtlich von besonderer Bedeutung. Neben Fragen des richtigen Ausweises und der Bewertung in der Bilanz stellen sich auch umsatzsteuerrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit der sogenannten Ist-Versteuerung sowie der richtigen Rechnungsstellung. Schließlich spielen Anzahlungen eine bedeutende Rolle im Zusammenhang mit subventionellen Steuervergünstigungen, wie z. B. der Gewährung von steuerfreien Zulagen nach dem Investitionszulagengesetz. Die vorgenannten Problembereiche werden nachfolgend erörtert. Den Abschluss bildet eine kurze Darstellung der bilanziellen Behandlung privater Zuschüsse, da hier nach der vorliegenden Stellungnahme des Hauptfachausschusses des IDW[1] in bestimmten Fällen ebenfalls ein Ausweis unter dem Posten Anzahlungen zu erfolgen hat.

[1] IDW St/HFA 2/1996 i. d. Fassung 2013.

2 Begriffsbestimmung und wirtschaftliche Bedeutung

2.1 Begriffsbestimmung

 

Rz. 2

Nach allgemeiner Definition stellen geleistete Anzahlungen Vorleistungen auf eine von dem anderen Vertragsteil zu erbringende Lieferung oder Leistung, d. h. Vorleistungen im Rahmen eines schwebenden Geschäfts dar.[1] Um das zugrunde liegende schwebende Geschäft erfolgsneutral zu halten, sind geleistete Anzahlungen in der Bilanz zu aktivieren und erhaltene Anzahlungen zu passivieren. Dagegen wird der Sach- oder Dienstleistungsanspruch[2] aus einem schwebenden Geschäft in der Bilanz nicht aktiviert, weil dieser Behandlung nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung das Verbot der Bilanzierung von Ansprüchen aus schwebenden Geschäften entgegensteht. Mit der Anzahlung wird die bilanziell mit Erfüllung der Sach- oder Dienstleistungsverpflichtung entstehende Verpflichtung zur Gegenleistung gemindert.

 

Rz. 3

Wird die vereinbarte Lieferung oder Leistung vom anderen Vertragsteil nicht erfüllt, so entsteht in Höhe der Anzahlung ein Rückzahlungsanspruch. In diesem Fall verliert die Anzahlung ihren Vorleistungscharakter und ist in den Posten "Sonstige Vermögensgegenstände" umzubuchen.[3] Entsprechendes gilt, wenn weder ein Vorvertrag noch ein bindendes Vertragsangebot abgegeben wurde, dessen Annahme wahrscheinlich ist, da in einem solchen Fall noch kein schwebendes Geschäft vorliegt, sondern ein Vermögensgegenstand im Umlaufvermögen auszuweisen ist.[4]

[1] Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2000, § 266 HGB Rz. 59; Wulf/Sackbrook, Haufe HGB Bilanz Kommentar, 10. Aufl. 2019, § 266 HGB Rz. 48.
[2] Vgl. Weber-Grellet, EStG, 38. Aufl. 2019, § 5 EStG Rz. 270.
[3] Vgl. Schubert/Huber, in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 247 HGB Rz. 545.
[4] Vgl. Schubert/Huber, in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 247 HGB Rz. 547.

2.2 Wirtschaftliche Bedeutung

 

Rz. 4

Finanzwirtschaftlich stellt die Anzahlung einen Kredit des Abnehmers an seinen Lieferanten dar, der dadurch zustande kommt, dass der Besteller den Kaufpreis ganz oder teilweise vor Erhalt der Lieferung oder Leistung bezahlt.[1] Besonders häufig kommt diese Form der Kreditgewährung in Branchen wie mit langfristigen Fertigungen oder Spezialanfertigungen vor, z. B. Energiewirtschaft, Stahlbau, Baugewerbe, Maschinen- und Schiffbau.

[1] Vgl. Reiner/Haußer, in Schmidt, Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 3. Aufl. 2013, § 266 HGB Rz. 64.

3 Bilanzausweis

3.1 Grundlagen

 

Rz. 5

Wie das für Kapitalgesellschaften sowie Kapitalgesellschaften & Co. i. S. des § 264a HGB verbindliche Bilanzgliederungsschema in § 266 HGB aufzeigt, treten Anzahlungen im Rahmen der Bilanzierung sowohl auf der Aktivseite (geleistete Anzahlungen, z. B. § 266 Abs. 2 A I. 4 HGB) wie auch auf der Passivseite (erhaltene Anzahlungen, § 266 Abs. 3 C 3 HGB) auf. Als Vorleistungen auf eine vom anderen Vertragspartner noch zu erbringende Leistung im Rahmen eines schwebenden Geschäfts können Anzahlungen unfertige Fertigungs-, Bau- und Dienstleistungsaufträge betreffen.

 

Rz. 6

Werden an den Lieferanten Anzahlungen geleistet, so liegen aus der Sicht des bilanzierenden Unternehmens "geleistete Anzahlungen" vor, die zu aktivieren sind. Werden dagegen Anzahlungen bereits vor Erbringung der Leistung vereinnahmt, so erfolgt auf der Passivseite der Bilanz ein Ausweis unter "erhaltene Anzahlungen auf Bestellungen".

 

Rz. 7

Unter der Annahme, dass ein Provisionsanspruch erst bei Zahlung des Kunden zu aktivieren ist, führt ein erhaltener Vorschuss auf den Provisionsanspruch eines Handelsvertreters oder eines Versicherungsvertreters zur Passivierung als erhaltene Anzahlung.[1] Ein vom vertretenen Unternehmen geleisteter Vorschuss auf eine noch nicht entstandene Provision ist dagegen als geleistete Anzahlung zu aktivieren.

 

Rz. 8

Bei Unternehmen, die nicht den Rechnungslegungsvorschriften für Kapitalgesellschaften bzw. Kapitalgesellschaften & Co. unterliegen, ist dagegen ein gesonderter Ausweis nur erforderlich, wenn die geleisteten Anzahlungen einen wesentlichen Teil der Vorräte ausmachen.[2] Auf der Passivseite sind bei Einzelkaufleuten und Personenhandel...

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