BMF, 08.10.1996, IV C 6 - S 1301 - 41/96

Unter Bezugnahme auf die Erörterung mit den Vertretern der obersten Finanzbehörden der Länder gilt zu der obengenannten Frage folgendes:

Die Anrechnung ausländischer Steuern ist nach nationalem und nach Abkommensrecht eine Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Verschiedene Doppelbesteuerungsabkommen insbesondere mit Entwicklungsländern sehen darüber hinaus die Anrechnung fiktiver Steuern vor. Das Bundesministeriums der Finanzen ist gefragt worden, in welcher Höhe fiktive Quellensteuern bei festverzinslichen Wertpapieren anzurechnen sind, wenn beim Erwerb Stückzinsen gezahlt und beim Verkauf solche vereinnahmt worden sind.

Stückzinsen sind nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG das Entgelt für die auf den Zeitraum bis zur Veräußerung einer Schuldverschreibung entfallenden Zinsen des laufenden Zinszahlungszeitraums. Sie werden beim Kauf gezahlt und beim Verkauf vereinnahmt (H 154 [Stückzinsen] EStH 1995). Zur Veranschaulichung soll folgender Beispielsfall angenommen werden:

 

Ein unbeschränkt Steuerpflichtiger (A) kauft ein ausländisches, mehrjähriges, zu 8 % festverzinsliches Wertpapier in Höhe von 200.000 DM, Kurs 100 %, und zahlt an den Veräußerer (B) Stückzinsen in Höhe von 6.000 DM. Er erhält im Zeitpunkt der Zinsfälligkeit die Kupongutschrift in Höhe von 8 %, d.h. 16.000 DM, eine Kapitalertragsteuer wird im Quellenstaat nicht erhoben. In demselben Besteuerungszeitraum und nach dem Zeitpunkt der Zinsfälligkeit verkauft A das Wertpapier zum Kurs 100 % an C und vereinnahmt Stückzinsen in Höhe von 500 DM. A hat keine anderen Einkünfte aus Kapitalvermögen. Das Doppelbesteuerungsabkommen mit dem Quellenstaat sieht bei Zinsen eine Anrechnung fiktiver Steuern in Höhe von 20 % der Einnahmen vor. Die Steuerbelastung der ausländischen Einkünfte mit deutscher Einkommensteuer wird mit 40 % angenommen.

  1. Berechnung der ausländischen Einkünfte

    Die Obergrenze für die anrechenbare Steuer bemißt sich nach der deutschen Steuer, die auf den ausländischen Zinsbetrag entfällt. Bei wirtschaftlicher Betrachtung ist die Zahlung von Stückzinsen als mit der ausländischen Schuld verbunden anzusehen. Stückzinsen, die beim Verkauf ausländischer Wertpapiere vereinnahmt werden, sind damit als ausländische Einkünfte anzusehen. Dies führt im obigen Beispielsfall zu folgendem Ergebnis:

    Kupongutschrift 16.000 DM
    ./. bezahlte Stückzinsen (negative Einnahmen) 6.000 DM
    + vereinnahmte Stückzinsen 500 DM
    Zwischensumme 10.500 DM
    ./. Werbungskosten-Pauschbetrag 100 DM
    ./. Sparer-Freibetrag 6.000 DM
    Ausländische Einkünfte 4.400 DM
  2. Ermittlung der fiktiven Quellensteuer

    Grundsätzlich können nur tatsächlich gezahlte Steuern angerechnet werden. Im Falle mehrfacher Veräußerungen innerhalb eines Besteuerungszeitraums kann nur derjenige die Anrechnung geltend machen, der zur Zeit der Zinsfälligkeit Inhaber der Schuldverschreibung ist. Dies gilt analog auch bei der Anrechnung fiktiver Steuern. Das bedeutet im Beispielsfall:

    A war im Zeitpunkt der Zinsfälligkeit Inhaber der Wertpapiere. Ihm ist somit ein fiktives Anrechnungsvolumen von 3.200 DM (20 % der Einnahmen in Höhe von 16.000 DM) zuzurechnen. Bei den von C gezahlten Stückzinsen in Höhe von 500 DM handelt es sich zwar wirtschaftlich um ausländische Einkünfte. Da die Zahlung jedoch vor dem folgenden Zinsfälligkeitszeitpunkt und durch einen Dritten erfolgt, steht A aus diesem Betrag kein fiktives Anrechnungsvolumen zu. Entsprechendes gilt für B hinsichtlich der von A gezahlten Stückzinsen in Höhe von 6.000 DM.

  3. Ermittlung des Höchstbetrags anrechenbarer ausländischer Steuern

    Nach dem gegebenen Sachverhalt sind die ausländischen Einkünfte mit deutscher Einkommensteuer in Höhe von 40 % der Einkünfte, d.h. 1.760 DM, belastet. Nur bis zu diesem Betrag kann die fiktive ausländische Steuer angerechnet werden. Der Anrechnungsüberhang in Höhe von 1.440 DM geht dem Steuerpflichtigen verloren. Ein Wahlrecht, statt der Anrechnung den Abzug der ausländischen Steuer bei der Ermittlung der Einkünfte geltend zu machen (§ 34 c Abs. 2 EStG), steht ihm im Falle der fiktiven Anrechnung nicht zu (§ 34 c Abs. 6 Satz 2 zweiter Halbsatz EStG).

 

Normenkette

EStG § 20 Abs. 2

EStG § 34c Abs. 6

 

Fundstellen

BStBl I, 1996, 1190

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