Leitsatz

Verzichtet ein GmbH-Gesellschafter zugunsten eines Mitgesellschafters unentgeltlich auf die Teilnahme an einer Kapitalerhöhung mit der Folge, dass seine bisher wesentliche Beteiligung zu einer unwesentlichen wird, beginnt der Lauf der Fünf-Jahres-Frist des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG erst mit der Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister.

 

Normenkette

§ 17 Abs. 1 EStG, § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO, § 54, § 55 GmbHG

 

Sachverhalt

Der Kläger war seit 1990 mit 360.000 DM am Stammkapital einer GmbH von 1 Mio. DM (= 36 %) neben F und P beteiligt. Die GmbH hatte ein abweichendes Wirtschaftsjahr (1.10. bis 30.9.). Im Februar 1993 wandte sich der Kläger schriftlich an F, dass er an einer für notwendig gehaltenen Kapitalerhöhung um 2 Mio. DM nicht teilnehmen könne, sodass sein Anteil sich auf 25 % vermindern werde. Indes wolle er sich ab dem förmlichen Beschluss über die Kapitalerhöhung bereits entsprechend seinen verringerten Gesellschafterrechten verhalten.

Im März 1993 beschlossen die Gesellschafter die Kapitalerhöhung. Der Kläger erhielt für die Erhöhung der Beteiligungsquote des F weder ein Entgelt noch eine sonstige Begünstigung. Die unter der Versicherung der Einzahlung der neuen Stammeinlagen zu mindestens einem Viertel im März 1993 beim Amtsgericht angemeldete Kapitalerhöhung wurde erst im November 1993 in das Handelsregister eingetragen. Im Juni 1993 hatten die Gesellschafter allerdings beschlossen, anstelle der Bareinlagen die Erhöhung des Stammkapitals durch Verrechnung mit Gesellschafterdarlehen zu erfüllen. Im April 1998 veräußerte der Kläger einen Teil seiner Beteiligung im Nennwert von 120.000 DM zum Preis von 3 Mio. DM.

Das FA nahm einen Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG i.H.v. 2.880.000 DM an. Klage und Revision hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Der Kläger sei innerhalb der letzten 5 Jahre vor dem Veräußerungszeitpunkt zu mehr als 25 % an der GmbH beteiligt gewesen. Seine wesentliche Beteiligung sei nicht vor Beginn der Fünf-Jahres-Frist zivilrechtlich wirksam vermindert worden; denn hierfür sei die Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister erforderlich. Auch unter Berücksichtigung des Beschlusses vom März 1993 über die Zulassung der Gesellschafter zur Übernahme der neuen Stammeinlagen ergebe sich noch keine auf 25 % verminderte Beteiligung des Klägers. Bei einer Kapitalerhöhung, die zu einer Veränderung der bisherigen Beteiligungsquoten führe, seien die neuen Beteiligungsverhältnisse grundsätzlich erst ab dem Zeitpunkt maßgebend, an dem die Erhöhung des Stammkapitals wirksam geworden sei.

Im Streitfall sei auch das Eigenkapital der Gesellschaft noch nicht vor der Eintragung vermehrt worden; denn die Bareinlagen seien tatsächlich nicht erbracht worden. Die Gesellschafter seien aufgrund des zivilrechtlich nichtigen Beschlusses vom Juni 1993 über die Verrechnung mit Gesellschafterdarlehen nicht von ihrer Verpflichtung zur Leistung der Bareinlagen befreit worden (§ 19 Abs. 5 GmbHG). Der Anspruch auf die Einlage dürfe als schwebendes Geschäft am Bilanzstichtag auch noch nicht aktiviert werden.

 

Hinweis

1. Die bislang vom BFH noch nicht abschließend geklärte Frage, ob Bezugsrechte nicht nur Anteile i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG darstellen, sondern auch bei der Prüfung, ob eine Beteiligung wesentlich i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG ist, wird im Schrifttum nicht einheitlich beantwortet. Der BFH hat nunmehr entschieden, dass aus der Definition des Begriffs "Anteile an Kapitalgesellschaften" in § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG nicht zugleich folgt, dass Anwartschaften (Bezugsrechte) notwendig auch bei der Bestimmung der Höhe der Beteiligung i.S.v. § 17 Abs. 1 Sätze 1 und 4 EStG 1997 zu berücksichtigen sind.

2. Bereits in dem zu den sog. (qualifizierten) Genussrechten ergangenen Urteil vom 14.6.2005, VIII R 73/03 (BStBl II 2005, 861) hatte der BFH ausgeführt, dass Rechte, mit denen kein Anteil am Nennkapital verbunden ist, nur dann als "Anteile an einer Kapitalgesellschaft" i.S.v. § 17 EStG beurteilt werden, wenn sie dem Inhaber eines solchen Rechts eine der Beteiligung am Stammkapital wirtschaftlich vergleichbare Stellung einräumen. Dies setzt nach dem Normzweck voraus, dass der Rechtsinhaber – wie ein GmbH-Gesellschafter – an der Substanz der Kapitalgesellschaft, also insbesondere am Liquidationserlös, beteiligt ist.

3. Indes fehlt es nach Ansicht des BFH an einer dem Geschäftsanteil vergleichbaren Beteiligung des Bezugsrechtsinhabers am Kapital der Gesellschaft, so lange die Kapitalerhöhung nicht im Handelsregister eingetragen ist. Die Kapitalerhöhung wird wie jede Satzungsänderung – vgl. § 54 Abs. 3 GmbHG – erst mit ihrer Eintragung im Handelsregister wirksam. Erst in diesem Zeitpunkt entstehen die neuen Mitgliedschaftsrechte.

4. Anteile an einer GmbH i.S.v. § 17 Abs. 1 EStG sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH die Geschäftsanteile (vgl. §§ 5, 14 GmbHG). Aus der Anbindung des § 17 Abs. 1 EStG an diese zivilrechtliche Regelung folgt, dass sich auch steuerrechtlich die Höhe des Anteils aus der übernommenen Stamme...

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