Leitsatz

Der An- und Verkauf von Wertpapieren überschreitet grundsätzlich noch nicht den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung, wenn die entfaltete Tätigkeit dem Bild eines "Wertpapierhandelsunternehmens" i.S.d. § 1 Abs. 3d Satz 2 KredWG bzw. eines "Finanzunternehmens" i.S.d. § 1 Abs. 3 KredWG nicht vergleichbar ist.

 

Normenkette

§ 15 Abs. 2 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger betreibt eine Steuerberater-Kanzlei. Daneben tätigte er zahlreiche An- und Verkaufsgeschäfte mit Wertpapieren (Aktien, Renten, Optionsscheinen) und Metallen, die er über sechs verschiedene Banken abwickelte. Er trug vor, dass er die Transaktionen in erheblichem Umfang mit Fremdkapital finanziert habe. Seine Informationen habe er zunächst von den Banken, später auch über die Fernsehsender CNN und n-tv bezogen. Zu diesem Zweck habe er in seinen Kanzleiräumen ein Fernsehgerät aufgestellt. Überdies sei er von einem pensionierten Bankdirektor unentgeltlich beraten worden. 1988 habe er die Börsentermingeschäftsfähigkeit erworben.

Im Streitjahr 1989 machte er einen Verlust aus gewerblichem Wertpapierhandel geltend. Das FA versagte den Abzug, weil der Kläger den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung nicht überschritten habe.

Das FG wies die dagegen erhobene Klage ab (EFG 1999, 282). Der BFH bestätigte die Vorentscheidung.

 

Entscheidung

Wie schon in der früheren Rechtsprechung betont worden sei (BFH, Urteil vom 11.7.1968, IV 139/63, BStBl II 1968, 775), liege es bei Wertpapieren in der Natur der Sache, den Bestand zu verändern, schlechte Papiere abzustoßen, gute zu erwerben und Kursgewinne zu realisieren. Die Verkehrsauffassung sehe die Umschichtung von Wertpapieren – selbst in erheblichem Umfang – regelmäßig als noch zur privaten Vermögensverwaltung gehörig an. Gewerblichkeit könne nur bei Vorliegen besonderer Umstände angenommen werden.

Solche besonderen Umstände hätten im Streitfall nicht vorgelegen. Die Tätigkeit des Klägers sei weder derjenigen eines "Wertpapierhandelsunternehmens" i.S.d. § 1 Abs. 3d Satz 2 KredWG noch der eines "Finanzunternehmens" i.S.d. § 1 Abs. 3 KredWG vergleichbar. So sei für das "Wertpapierhandelsunternehmen" ein Tätigwerden "für andere" (für fremde Rechnung) kennzeichnend, woran es im Streitfall fehle. "Finanzunternehmen" würden zwar – insoweit nicht anders als private Anleger – für eigene Rechnung tätig, zeichneten sich aber dadurch aus, dass sie den Handel mit institutionellen Partnern betrieben, also nicht lediglich – wie der Kläger – über Depotbanken am Marktgeschehen teilnähmen.

Bei der rechtlich gebotenen wertenden Zuordnung zum Bild des Wertpapierhändlers komme es weder auf die Zahl noch auf den Umfang der Transaktionen entscheidend an. Auch der vom Kläger behauptete hohe Fremdfinanzierungsgrad sei im Streitfall ohne Bedeutung. Denn angesichts der veränderten Gewohnheiten von Privatanlegern präge heute selbst eine Fremdfinanzierung in nennenswertem Umfang Wertpapiergeschäfte nicht mehr als gewerblich. Keine entscheidende Bedeutung komme schließlich auch dem Fernseher zu. Auch dem privaten Anleger stehe mittlerweile die Möglichkeit offen, beim An- und Verkauf von Wertpapieren PC und einschlägige Standardsoftware einzusetzen.

 

Hinweis

Neben den in § 15 Abs. 2 EStG ausdrücklich genannten Merkmalen setzt das Vorliegen eines Gewerbebetriebs als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraus, dass die zu beurteilende Tätigkeit den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung überschreitet (grundlegend: BFH, Beschluss vom 25.6.1984, GrS 4/82, BStBl II 1984, 751, unter C.III.3 b aa). Maßgebend für die in diesem Zusammenhang zu treffende Wertung sind das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung. Das hierbei heranzuziehende "Bild des Gewerbebetriebs" ist durch Orientierung an empirisch vorgefundenen, naturgemäß im Lauf der Zeit wandelbaren Berufsbildern zu gewinnen.

Ob ein bestimmtes Engagement die Grenzen der privaten Vermögensverwaltung überschreitet und dem gewerblichen Bereich zuzuordnen ist, kann daher nicht für alle Tätigkeiten nach einheitlichen Maßstäben beurteilt werden. Vielmehr müssen die jeweiligen artspezifischen Besonderheiten beachtet werden. Es liegt deshalb auf der Hand, dass etwa bei der Abgrenzung des gewerblichen Grundstückshandels von der privaten Vermögensverwaltung völlig andere Maßstäbe (Stichwort "Drei-Objekt-Grenze") anzulegen sind, als beim hier in Rede stehenden gewerblichen Wertpapierhandel.

Der Vermögensanlage in Wertpapieren ist eigen, dass die Fruchtziehung nicht notwendigerweise im Zufluss von Zinsen und Dividenden besteht, sondern sich die Ertragserwartung des Anlegers wirtschaftlich auch aus der Kursentwicklung ergeben kann. Infolgedessen gehört es auch bei der privaten Vermögensanlage in Wertpapieren zu den üblichen und typischen Begleiterscheinungen, dass die Papiere von Zeit zu Zeit umgeschichtet werden.

Ein gewerblicher Wertpapierhandel kann nach diesen Maßstäben im Regelfall erst dann angenommen werden, wenn sich das zu beurteilende Engagement nach den zu würdigenden Gesamtumständen dem Bi...

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