Leitsatz

Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL ist dahin auszulegen, dass es den Mitgliedstaaten in Ausübung ihrer Befugnis, Bedingungen und Beschränkungen für die in dieser Bestimmung vorgesehene Befreiung von der Mehrwertsteuer festzulegen, gestattet ist, nur bestimmte Glücksspiele mit Geldeinsatz von dieser Steuer zu befreien.

 

Normenkette

Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL, § 4 Abs. 9 Buchst. b UStG 2005

 

Sachverhalt

Leo-Libera betreibt eine Spielhalle mit Geldspielautomaten und beanspruchte erfolglos die Steuerbefreiung der Umsätze.

 

Entscheidung

Der EuGH verneinte einen Verstoß gegen das Unionsrecht und betonte, dass ein Mitgliedstaat veranlasst sei, das Angebot an Glücksspielen mit Geldeinsatz auf die Arten von Spielen zu beschränken, die sich für die Anwendung der Mehrwertsteuer eignen, sodass die praktischen Erwägungen für sie nicht gelten. Insbesondere gebe es keinen Anhaltspunkt für die Auffassung, mindestens 50 % der zugelassenen Spiele und/oder die Arten solcher Spiele, mit denen auf dem Markt für alle Glücksspiele mit Geldeinsatz mindestens 50 % des Umsatzes erzielt werden, seien von der Mehrwertsteuer zu befreien. Der von der Klägerin bemühte Grundsatz der Neutralität hindere nicht, eine Art von Glücksspiel mit Geldeinsatz von der Mehrwertsteuer zu befreien, eine andere dagegen nicht, sofern die beiden Arten von Spielen nicht miteinander im Wettbewerb stehen. Gleichartige Glücksspiele mit Geldeinsatz behandle das UStG nicht unterschiedlich; wenn es nur die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallenden und dort nicht befreiten Spiele von der USt befreie.

 

Hinweis

1. Der BFH hatte dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die Neuregelung zur Steuerbefreiung von Glücksspielen, wonach steuerfrei nur die Umsätze sind, "die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen. Nicht befreit sind die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallenden Umsätze, die von der Rennwett- und Lotteriesteuer befreit sind oder von denen diese Steuer allgemein nicht erhoben wird". Weil § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG auf eine begrenzte Anzahl von Spielen, nämlich Lotterien und Wetten, beschränkt wurde und diese nur den geringeren Teil der Spielvorgänge in Deutschland und des mit dieser Tätigkeit in Deutschland erzielten Umsatzes ausmachten, war nach der bisherigen Rechtsprechung des EuGH jedenfalls zweifelhaft geblieben, ob dies mit den unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar sei.

2. Befreiungen sind grundsätzlich eng auszulegen. Die Steuerbefreiung für Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele war durch praktische Erwägungen – inzwischen wohl durch die technischen Entwicklungen überholte – veranlasst: Die Annahme, Glücksspielumsätze eigneten sich schlecht für die Anwendung der Mehrwertsteuer. Es sollte nicht diesen Umsätzen eine günstigere mehrwertsteuerliche Behandlung gewährt werden. Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL räumt den Mitgliedstaaten einen weiten Wertungsspielraum ein, da er ihnen gestattet, die Bedingungen und Beschränkungen festzulegen, von denen die Gewährung der Befreiung abhängig gemacht werden kann. Dass sie „grundsätzlich zu befreien sind – wie der EuGH in zwei früheren Entscheidungen als Ausgangspunkt für seine Entscheidung angenommen hatte – ändert nichts an diesem weiten Spielraum der Mitgliedstaaten. Vielmehr ist es ihrem Ermessen überlassen, Tätigkeiten dieser Art vollständig oder teilweise zu verbieten oder sie zu beschränken und zu diesem Zweck mehr oder weniger strenge Kontrollen vorzusehen.

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil vom 10.06.2010, C-58/09 – Leo-Libera GmbH –

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