Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerbefreiung, Umsätze mit Geldspielautomaten, Keine Pflicht zur Steuerbefreiung

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass es den Mitgliedstaaten in Ausübung ihrer Befugnis, Bedingungen und Beschränkungen für die in dieser Bestimmung vorgesehene Befreiung von der Mehrwertsteuer festzulegen, gestattet ist, nur bestimmte Glücksspiele mit Geldeinsatz von dieser Steuer zu befreien.

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 135 Abs. 1 Buchst. i

 

Beteiligte

Leo-Libera

Leo-Libera GmbH

Finanzamt Buchholz in der Nordheide

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 17.12.2008; Aktenzeichen XI R 79/07; BFH/NV 2009, 671)

 

Tatbestand

„Vorabentscheidungsersuchen ‐ Mehrwertsteuer ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Art. 135 Abs. 1 Buchst. i ‐ Befreiung für Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz ‐ Bedingungen und Beschränkungen ‐ Festlegungsbefugnis der Mitgliedstaaten“

In der Rechtssache C-58/09

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 17. Dezember 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Februar 2009, in dem Verfahren

Leo-Libera GmbH

gegen

Finanzamt Buchholz in der Nordheide

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter E. Levits, A. Borg Barthet und J.-J. Kasel (Berichterstatter) sowie der Richterin M. Berger,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. März 2010,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der Leo-Libera GmbH, Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt B. Hansen,

‐ der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma, C. Blaschke und B. Klein als Bevollmächtigte,

‐ der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck und C. Pochet als Bevollmächtigte im Beistand von P. Vlaemminck, Y. T’Jampens und A. Hubert, advocaten,

‐ Irlands, vertreten durch D. O’Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von N. Travers, BL,

‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Ossowski als Bevollmächtigten im Beistand von N. Shaw, Barrister,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Triantafyllou als Bevollmächtigten,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. März 2010

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Leo-Libera GmbH (im Folgenden: Leo-Libera) und dem Finanzamt Buchholz in der Nordheide (im Folgenden: Finanzamt) über die Erhebung von Umsatzsteuer auf Einnahmen aus der Veranstaltung von Glücksspielen mit Geldspielautomaten.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 131 der Richtlinie 2006/112 lautet:

„Die Steuerbefreiungen der Kapitel 2 bis 9 werden unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften und unter den Bedingungen angewandt, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch festlegen.“

Rz. 4

Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112 sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

i) Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden …“

Rz. 5

Vor Inkrafttreten der Richtlinie 2006/112 war die einschlägige Bestimmung des Gemeinschaftsrechts Art. 13 Teil B Buchst. f der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie). Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112 und Art. 13 Teil B Buchst. f der Sechsten Richtlinie haben denselben Wortlaut.

Nationales Recht

Rz. 6

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 2005 (BGBl. 2005 I S. 386) in der auf den Ausgangssachverhalt anwendbaren Fassung (im Folgenden: UStG) sieht vor, dass „die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt“, der Umsatzsteuer unterliegen.

Rz. 7

Nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG in der bis einschließlich 5. Mai 2006 geltenden Fassung waren von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen steuerfrei

„die Umsätze, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen, sowie die Umsätze der zugelassenen öffentlichen Spielbanken, die durch den Betrieb der Spielbank bedingt sind. Nicht befreit sind die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallenden Umsätze, die von der Rennwett- und Lotteriesteuer befreit sind oder von denen diese Steuer allge...

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