Tz. 194

Stand: EL 37 – ET: 2/2019

Wie bereits mehrfach in dieser Kommentierung angesprochen, folgt die Bilanzierung von Finanzinstrumenten weder einem einheitlichen Bewertungsmaßstab noch einer symmetrischen Klassifizierungskonzeption für finanzielle Aktiva und Passiva. Zum Zugangszeitpunkt werden alle Finanzinstrumente einheitlich zum beizulegenden Zeitwert bewertet, was idR den Anschaffungskosten der Geschäfte entspricht. Maßgeblich für die Folgebewertung ist die Zuordnung der Finanzinstrumente zu den im vorstehenden Abschnitt dargestellten Bewertungskategorien. Wie bereits ausgeführt, sieht der IASB auf der Aktivseite deren drei, auf der Passivseite dagegen lediglich zwei vor. Derivate werden grundsätzlich den zu Handelszwecken gehaltenen Finanzinstrumenten zugerechnet, es sei denn, sie dienen als Sicherungsinstrument der Absicherung eines Grundgeschäfts. Für die Bilanzierung derartiger Sicherungsbeziehungen sieht der IASB in IFRS 9 umfangreiche eigene Regelungen vor. Ein Wechsel zwischen den Bewertungskategorien ist nur in eng umrissenen Ausnahmefällen zulässig und vorgesehen. Mit Ausnahme der zum beizulegenden Zeitwert zu bemessenen Instrumente, deren Wertänderungen im Periodenergebnis erfasst werden, bestehen daneben gesonderte Vorschriften für eine Wertminderungsprüfung.

 

Tz. 195

Stand: EL 37 – ET: 2/2019

Wie sich die neuen Regelungen im Vergleich zur vorherigen Bilanzierungspraxis unter dem Vorgängerstandard IAS 39 ausnehmen werden, lässt sich ex ante kaum sagen. Einige äußern die Befürchtung, dass die Fair-Value-Bilanzierung von Finanzinstrumenten im Vergleich zu IAS 39 zunehmen werde (vgl. stellvertretend Gschrey, WPg Sonderheft 2010, S. S7). Eine derart pauschale Aussage lässt sich indes nicht belegen, im Gegenteil: Auf der Passivseite ändert sich gegenüber IAS 39 gar nichts; auf der Aktivseite werden die früheren Kategorien "bis zur Fälligkeit gehalten" und "Kredite und Forderungen" quasi zur einer Kategorie zusammengeführt, während die Kategorie "zur Veräußerung verfügbar" vielfach Instrumente enthält, die nunmehr für eine Anschaffungskostenbewertung infrage kommen können – genannt seien insbesondere plain-vanilla-Anleihen, die bislang aufgrund der Strafvorschriften nicht als "bis zur Fälligkeit gehalten" eingestuft, häufig aber über einen längeren Zeitraum und ggf. sogar bis zur Fälligkeit gehalten wurden (zur Bedeutung der Kategorie für die Kreditwirtschaft s. stellvertretend Breitkreuz/Zimmermann, KoR 2011, S. 297ff.). Auf der anderen Seite führt die Abschaffung der Zerlegungsvorschriften für strukturierte finanzielle Vermögenswerte uU dazu, dass Geschäfte, die bis dato nicht zerlegt werden mussten, nunmehr eine Bewertung zum beizulegenden Zeitwert erfordern, weil entweder das ihnen zugrunde liegende Geschäftsmodell nicht einer Haltestrategie folgt oder die aus ihnen hervorgehenden Zahlungen nicht als Zins und Tilgung repräsentierend klassifiziert werden können.

 

Tz. 196

Stand: EL 37 – ET: 2/2019

Überdies ist ohnehin fraglich, ob ein "mehr Fair Value" denn schädlich ist: Im Gegensatz zum FASB verfolgte der IASB in IFRS 9 mitnichten das Ziel, alle Finanzinstrumente einer Fair-Value-Bilanzierung zuführen bzw. den so bewerteten Bestand erhöhen zu wollen. Er war vielmehr der Ansicht, dass auch eine Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten entscheidungsnützliche Informationen liefert (vgl. IFRS 9.BC4.6). Dies sei dann der Fall, wenn die Zielsetzung bei der Eingehung von Geschäften in der Eintreibung von Zahlungen liege. In diesem Fall reflektiere der Bewertungsmaßstab die beabsichtigte Verwendung sachgerechter als eine Bewertung zum beizulegenden Zeitwert, die auf einer Veräußerungsabsicht fuße. Auf der anderen Seite wurde gerade in der Finanzmarktkrise deutlich, dass das bestehende Bewertungsmodell eine Bilanzierung zu fortgeführten Anschaffungskosten auch für Geschäfte ermöglichte, die sich als hochrisikoreich herausstellten und bei denen die Wertänderung sich nicht (oder erst sehr spät) in einer Verringerung ihres Buchwerts widerspiegelte. Diese Instrumente seien nach Ansicht des IASB in einer Fair-Value-Bewertung sachgerechter aufgehoben. In der Frage, den "richtigen" Schnitt zwischen einer Anschaffungskosten- und einer Bewertung zum beizulegenden Zeitwert zu finden, werden sich die verschiedenen Lager auch weiterhin unversöhnlich gegenüberstehen und – je nach Ausgestaltung – Kritik üben (s. a. Niehaus, WPg Sonderheft 2010, S. S89). Letztlich bleibt als Erkenntnis, dass die Regelbewertung von Finanzinstrumenten immer ein kontroverses Thema bleiben wird, bei dem man es nie allen Beteiligten wird recht machen können.

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