Tz. 123

Stand: EL 43 – ET: 03/2021

Ein Finance-Leasingverhältnis kann zudem über eine wertmäßige Beurteilung der Leasingzahlungen im Verhältnis zum beizulegenden Zeitwert des Leasingobjekts begründet werden. Konkret ist ein wirtschaftliches Eigentumsverhältnis mit Verweis auf IFRS 16.63 (d) anzunehmen, wenn der Barwert der Leasingzahlungen zu Vertragsbeginn mindestens dem nahezu gesamten (substantially all) beizulegenden Zeitwert des Leasingobjekts zum selben Zeitpunkt entspricht. Folglich wird bei diesem Barwerttest geprüft, ob das Investitionsrisiko auf den Leasingnehmer transferiert wird (vgl. zur Kritik am Barwerttest im Kontext von IAS 17.10 (d) Mellwig, DB 1998, Beilage 12/1998, S. 6; Lüdenbach/Freiberg, BB 2006, S. 260). Dabei fungieren somit die vereinbarten Leasingzahlungen als Schätzung für jene Chancen und Risiken, die auf den Leasingnehmer übertragen wurden. Grundsätzlich gilt dabei, dass je höher die Leasingzahlungen im Vergleich zum Fair Value des Leasingobjekts sind, desto umfangreicher wurden Chancen und Risiken auf den Leasingnehmer transferiert und desto eher ist der Leasingvertrag wirtschaftlich als Kaufvertrag auf Raten zu interpretieren und in der Folge das Leasingverhältnis als Finance-Leasingverhältnis zu klassifizieren (vgl. im Kontext von IAS 17.10 (d) Mellwig/Sabel, in: MünchKommBilR, IAS 17, Tz. 79). Auch hier – analog zum Laufzeittest (vgl. Tz. 122) – hat der Standardsetzer (bewusst) auf die Vorgabe eines Schwellenwertes verzichtet, sodass eine Würdigung der wirtschaftlichen Gesamtumstände geboten ist (vgl. auch Morfeld, in: Beck IFRS-Handbuch, 6. Aufl., § 22, Tz. 60; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 18. Aufl., § 15a, Tz. 287; Henneberger/Mertes/Flick, in: HdJ, 73. Erg.-Lfg. September 2019, Abt. X/5, Tz. 162; zur Auslegung von "substantially all" vgl. Tz. 27c).

 

Tz. 123a

Stand: EL 43 – ET: 03/2021

Zur Ermittlung des Barwertes der Leasingzahlungen sind diejenigen Zahlungen heranzuziehen, die der Leasinggeber auch bei der Bestimmung der Bruttoinvestition in das Leasingverhältnis im Rahmen der Zugangsbewertung der Forderung nach IFRS 16.70 im Fall eines Finance-Leasing einbezieht (vgl. PwC, Manual of accounting, IFRS supplement 2020, Tz. FAQ 15.114.5; Henneberger/Mertes/Flick, in: HdJ, 73. Erg.-Lfg. September 2019, Abt. X/5, Tz. 160; vgl. Tz. 140f.). Folglich sind dabei – anders als bei der Erstbewertung der Leasingverbindlichkeit nach IFRS 16.27 aufseiten des Leasingnehmers – auch vom Leasinggeber zu erwartende Zahlungen aus zugesicherten Restwertgarantien von einer mit dem Leasingnehmer verbundenen Partei oder von einem nicht mit dem Leasinggeber verbundenen Dritten zu berücksichtigen (IFRS 16.63 (d) iVm. IFRS 16.70 (c); vgl. Tz. 140a). Darüber hinaus sind vom Leasingnehmer vor dem Bereitstellungsdatum geleistete Vorauszahlungen einzubeziehen, die naturgemäß bei der Zugangsbewertung der Forderung des Leasinggebers im Kontext von Finance-Leasing nicht zu berücksichtigen sind, wobei es zu berücksichtigen gilt, dass eine derartige Zahlung auf den Zeitpunkt des Barwerttests (dh. at inception) nicht ab-, sondern aufzuzinsen ist, sofern sie bereits vor diesem Zeitpunkt geleistet wurde (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 18. Aufl., § 15a, Tz. 288).

Zur Diskontierung der Leasingzahlungen ist der dem Leasingverhältnis implizit zugrunde liegende Zinssatz heranzuziehen (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 18. Aufl., § 15a, Tz. 297; Henneberger/Mertes/Flick, in: HdJ, 73. Erg.-Lfg. September 2019, Abt. X/5, Tz. 160; im Kontext von IAS 17.10 (d) PwC, IFRS für Banken, 2017, S. 3082; ADS Int, Abschn. 12, Tz. 81; vgl. Tz. 60f.).

 

Tz. 124

Stand: EL 43 – ET: 03/2021

Der Barwert der Leasingzahlungen ist im Rahmen des Barwerttests mit dem beizulegenden Zeitwert des Leasingobjekts zu vergleichen. Der beizulegende Zeitwert ist für einen solchen Vergleich um staatliche Zuwendungen sowie Steuergutschriften, die der Leasinggeber erhält, zu mindern (vgl. im Kontext von IAS 17.10 (d) bspw. Mellwig, DB 1998, Beilage 12/1998, S. 6), da diese Zahlungen das Investitionsrisiko des Leasinggebers reduzieren (vgl. dazu ausführlich im Kontext von IAS 17.10 (d) ADS Int, Abschn. 12, Tz. 91). Der beizulegende Zeitwert darf jedoch dann nicht gekürzt werden, wenn diese Zahlungen an den Leasingnehmer weitergeleitet bzw. mit den Leasingraten verrechnet werden (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 18. Aufl., § 15a, Tz. 295; im Kontext von IAS 17.10 (d) ADS Int, Abschn. 12, Tz. 91). Kann der beizulegende Zeitwert des Leasingobjekts nicht verlässlich bestimmt werden, so kann auch das Leasingverhältnis nicht auf Basis dieses Kriteriums nach IFRS 16.63 (d) beurteilt werden, sondern ist vor dem Hintergrund der anderen Beispiele und Indikatoren sowie den sonstigen wirtschaftlichen Umständen zu betrachten.

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