Tz. 119

Stand: EL 43 – ET: 03/2021

Einem Leasingnehmer ist zudem normalerweise mit Verweis auf IFRS 16.63 (c) wirtschaftliches Eigentum an einem Vermögenswert zuzuordnen, wenn die Laufzeit des Leasingverhältnisses den überwiegenden Teil der wirtschaftlichen Nutzungsdauer des Leasingobjekts umfasst. Auf diese Weise sichert sich der Leasingnehmer die bedeutenden wirtschaftlichen Nutzenpotenziale des Leasingobjekts, sodass auf den Leasinggeber nach der Rückgabe des Objekts – eine entsprechend begrenzte wirtschaftliche Restnutzungsdauer des Leasingobjekts unterstellt – keine nennenswerten Chancen und Risiken mehr entfallen. Bei einer solch langen Laufzeit wird der überwiegende Teil des Amortisationsrisikos des Leasingobjekts durch den Leasingnehmer getragen. Insofern wird über das Kriterium der Laufzeit der Anteil des Leasingnehmers am gesamten wirtschaftlichen Nutzenpotenzial des Leasingobjekts operationalisiert.

 

Tz. 120

Stand: EL 43 – ET: 03/2021

Unter der Laufzeit des Leasingverhältnisses (lease term) wird in IFRS 16 die unkündbare Grundlaufzeit verstanden, zusammen mit jenen Zeiträumen, die sich aus einer Verlängerungs- oder einer Kündigungsoption des Leasingnehmers ergeben, deren (Nicht-)Ausübung hinreichend sicher ist (ausführlich zur Bestimmung der Laufzeit des Leasingverhältnisses vgl. Tz. 41ff.).

 

Tz. 121

Stand: EL 43 – ET: 03/2021

Die wirtschaftliche Nutzungsdauer (economic life) eines Leasingobjekts kann entweder temporär oder outputorientiert determiniert werden (IFRS 16 Appendix A (economic life)). Bei einer temporären Interpretation ist jener Zeitraum heranzuziehen, über den der zugrunde liegende Vermögenswert voraussichtlich genutzt werden kann, während bei einer outputorientierten Interpretation die Anzahl von Produktionseinheiten oder ähnliche Outputgrößen zur Bestimmung der wirtschaftlichen Nutzungsdauer zu verwenden sind. Die wirtschaftliche Nutzungsdauer des Leasingobjekts – begrifflich und inhaltlich abzugrenzen von der betriebsindividuellen Nutzungsdauer (useful life) iSv. IAS 16.6 (vgl. IFRS-Komm., Teil B, IAS 16, Tz. 41) – ist unabhängig von betriebsindividuellen Einflussfaktoren des Leasingnehmers, vielmehr orientiert sie sich an der durchschnittlichen Leistungsfähigkeit des Vermögenswertes bei durchschnittlicher Reparatur- und Wartungsleistung aus Marktperspektive (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 18. Aufl., § 15a, Tz. 281; im Kontext von IAS 17.10 (c) Alvarez/Wotschofsky/Miethig, WPg 2001, S. 937; Vater, DStR 2002, S. 2095; Weinstock, 2000, S. 108). Wird dem Leasingnehmer ein gebrauchter Vermögenswert zur Verfügung gestellt, so ist nicht auf die gesamte, sondern auf die verbleibende wirtschaftliche Nutzungsdauer des Vermögenswertes abzustellen (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 18. Aufl., § 15a, Tz. 282; im Kontext von IAS 17.10 (c) ADS Int, Abschn. 12, Tz. 57; Kümpel/Becker, 2006, S. 39; Mellwig/Sabel, in: MünchKommBilR, IAS 17, Tz. 65).

 

Tz. 122

Stand: EL 43 – ET: 03/2021

Fraglich ist, ab wann die Laufzeit des Leasingverhältnisses einen "überwiegenden Teil" (major part) der wirtschaftlichen Nutzungsdauer umfasst und der Leasingnehmer folglich einen derart bedeutenden Anteil am wirtschaftlichen Nutzenpotenzial des Leasingobjekts vereinnahmen kann, dass dadurch ein wirtschaftliches Eigentumsverhältnis begründet wird. In der Literatur wurden insbesondere im Kontext von IAS 17.10 (c) Vorschläge für einen quantitativen Grenzwert diskutiert, die von einer 50 %+1-Grenze mit Verweis auf die (inzwischen nicht mehr gültigen) Regelungen nach SIC-12.10 (c)–(d) (vgl. Helmschrott, WPg 2000, S. 426–429; Alvarez/Wotschofsky/Miethig, WPg 2001, S. 937) über eine 75 %-Grenze iSd. Regelungen nach US-GAAP (vgl. bspw. Schimmelschmidt/Happe, DB 2004, Beilage 9/2004, S. 5) bis hin zu einer 90 %-Grenze in Anlehnung an die Leasingerlasse der deutschen Finanzverwaltung (vgl. Findeisen, RIW 1997, S. 841) reichen (vgl. zum Ganzen auch Henneberger/Mertes/Flick, in: HdJ, 73. Erg.-Lfg. September 2019, Abt. X/5, Tz. 158; Küting/Koch, KoR 2007, S. 613; Vater, DStR 2002, S. 2095f.). Da der Standardsetzer auf die Vorgabe eines quantitativen Grenzwertes (bewusst) verzichtet hat, ist eine starre Grenzziehung explizit abzulehnen, vielmehr ist eine umfangreiche Würdigung der wirtschaftlichen Gesamtumstände bezogen auf den Einzelfall angezeigt (vgl. Tz. 105; so auch Henneberger/Mertes/Flick, in: HdJ, 73. Erg.-Lfg. September 2019, Abt. X/5, Tz. 158; Morfeld, in: Beck IFRS-Handbuch, 6. Aufl., § 22, Tz. 55f.; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 18. Aufl., § 15a, Tz. 280 und 287; im Kontext von IAS 17.10 (c) ADS Int, Abschn. 12, Tz. 59f.; Mellwig/Sabel, in: MünchKommBilR, IAS 17, Tz. 66–68; Kümpel/Becker, 2006, S. 40; im Ergebnis auch PwC, IFRS für Banken, 2017, S. 3079). Nach der hier vertretenen Auffassung kann zwar schon ab einer Laufzeit, die iSe. 50 %+1-Grenze mehr als die Hälfte der wirtschaftlichen Nutzungsdauer ausmacht, vermutet werden, dass sich ein wirtschaftliches Ei...

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