Tz. 241

Stand: EL 52 – ET: 02/2024

Wie bereits erwähnt, gibt der IASB bilanzierenden Unternehmen in Fragen der Sicherungsbilanzierung keinen allgemeinen Freifahrtschein, sondern macht die Anerkennung einer in der betrieblichen Risikosteuerung getätigten Sicherung für Bilanzierungszwecke von einer Reihe formaler Voraussetzungen abhängig, die nachfolgend wiedergegeben sind und erläutert werden. Danach gestattet der Board Unternehmen die Bilanzierung der Sicherungsmaßnahmen nur dann, wenn sämtliche der folgenden fünf Bedingungen erfüllt sind (vgl. IAS 39.88 (a)–(e)):

1) Zum Zeitpunkt der Eingehung der Sicherungsbeziehung wird diese formell als solche gekennzeichnet und dokumentiert. In die Dokumentation sind die Darlegung der Risikosteuerungsstrategie des Unternehmens sowie die Gründe für die Eingehung der Sicherungsbeziehung aufzunehmen. Ferner sind Sicherungsinstrument und Grundgeschäft sowie das konkret abgesicherte Risiko zu benennen (vgl. IAS 39.AG.110) und darzulegen, wie das Unternehmen die Wirksamkeit der Sicherungsbeziehung nachzuweisen gedenkt (für eine beispielhafte Darstellung vgl. Deloitte LLP, C9 6.2). Wenn es sich bei dem Sicherungsgegenstand um ein erwartetes oder geplantes Geschäft handelt, muss zudem der Zeitraum angegeben werden, zu dem mit dem Eintritt gerechnet wird (vgl. IAS 39.IG.F.3.11). Da Sicherungsbeziehungen nicht rückwirkend designiert werden dürfen (s. IAS 39.IG.F.3.8), kommt der Bereitstellung dieser Dokumentation eine konstitutive Wirkung zu: Erst mit ihrem Bestehen darf ein Unternehmen die damit verbundenen bilanziellen Sondervorschriften anwenden – selbst wenn der Sicherungszusammenhang ökonomisch bereits schon zu einem früheren Zeitpunkt besteht (vgl. IAS 39.IG. F.3.9; zur nachträglichen Designation von Sicherungsbeziehungen vgl. Freiberg, 2012, S. 130ff.; Heise/Koelen/Dörschell, 2013, S. 310ff.)!
2) Es ist zu erwarten, dass die Sicherungsbeziehung im Hinblick auf das abgesicherte Risiko in hohem Maße wirksam (highly effective) ist, wobei sich die Wirksamkeit auf den Ausgleich gegenläufiger Änderungen im beizulegenden Zeitwert (Fair Value Hedge) resp. der Zahlungsströme (Cash Flow Hedge) von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument bezieht (vgl. IAS 39.88(b); vgl. Tz. 242ff.). Der Board erläutert in den Anwendungsleitlinien, was er konkret unter "hoher Wirksamkeit" versteht (vgl. IAS 39.AG105; ferner Klöcker, 2011, S. 96ff.): Danach muss prospektiv zu erwarten sein, dass die Sicherungsbeziehung über den noch ausstehenden Sicherungszeitraum hoch wirksam ist. Dieser Nachweis könne entweder dadurch erbracht werden, dass auf Basis der zurückliegenden, tatsächlich erzielten Ergebnisse nachgewiesen werden kann, dass die intendierte Sicherungswirkung auch eingetreten ist, oder dadurch, dass auf Korrelationsverfahren zurückgegriffen und ein hoher statistischer Zusammenhang der Zeitwert- oder Zahlungsstromänderungen von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument belegt wird (sog. prospektiver Effektivitätstest oder Effektivitätstest ex ante). Zudem muss ein Unternehmen den rechnerischen Nachweis erbringen, dass der Ausgleich in der abgelaufenen Periode auch tatsächlich stattgefunden hat und in einer Bandbreite von 80 bis 125 % liegt (sog. retrospektiver Effektivitätstest oder Effektivitätstest ex post). Aus der Intervallvorgabe wird deutlich, dass die Effektivität idR als Quotient der Wert- resp. Zahlungsstromänderungen gemessen wird, wobei der vollständige Ausgleich bei einem Wert von 100 % erreicht wird. Es handelt sich somit nur vordergründig um ein asymmetrisches Intervall.
3)

Werden zukünftig geplante/erwartete Geschäftsvorfälle abgesichert, muss mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden können, dass diese a) auch tatsächlich eintreten und b) letzten Endes eine Auswirkung auf das Periodenergebnis haben können (vgl. IAS 39.88 (c); vgl. auch Tz. 247). Was konkret unter "hoch wahrscheinlich" (highly probable) zu verstehen ist, sagt der IASB nicht – er äußert sich lediglich wie folgt: Es sei eine „viel größere Eintrittswahrscheinlichkeit als der Ausdruck "wahrscheinlicher als das Gegenteil" ("much greater likelihood of happening than the term ‚more likely than not’"), die durch beobachtbare Tatsachen und entsprechende Begleitumstände zu unterlegen sei (vgl. IAS 39.IG. F.3.7; KPMG positioniert sich diesbezüglich mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von mind. 90 %, vgl. KPMG IFRG Limited, 2022/23, Tz. 7I.7.230.20). Dazu gehören

  • die Häufigkeit, mit der derartige Geschäftsvorfälle in der Vergangenheit aufgetreten seien;
  • der Umstand, ob das Unternehmen finanziell und operativ in der Lage ist, dieses Geschäft auch tatsächlich abzuwickeln;
  • bedeutende Verpflichtungen zur Bereitstellung von Ressourcen für eine bestimmte Maßnahme (beispielhaft wird die Bereitstellung einer Produktionseinheit genannt, die kurzfristig ausschließlich für die Fertigung einer bestimmten Warenart verwendet werden kann);
  • die Höhe des Verlusts bzw. das Ausmaß der Unterbrechung der Geschäftstätigkeit für den Fall, das...

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