Tz. 72

Stand: EL 31 - ET: 3/2017

Der Übergang der Kontrolle findet ebenfalls kontinuierlich statt, sofern ein Unternehmen einen Vermögenswert ohne alternativen Nutzen erstellt und einen rechtlich durchsetzbaren Zahlungsanspruch für die bereits erbrachten Leistungen innehat, wobei beide Bedingungen kumulativ erfüllt sein müssen (IFRS 15.35(c); IFRS 15.BC141). Dieses letzte Kriterium ist nach Ansicht des IASB insbesondere bei kundenspezifischen Dienstleistungen, zB bei Beratungsleistungen, die die Erstellung eines Gutachtens beinhalten, sowie bei Werkverträgen, die nicht unter den beiden vorherigen Kriterien subsumiert werden, anzuwenden (IFRS 15.BC132). Der alternative Nutzen eines Vermögenswerts ist im Zeitpunkt des Vertragsab­schlusses zu überprüfen und nur im Fall von Vertragsänderungen, die die Leistungsverpflichtungen wesentlich ändern, neu zu beurteilen (IFRS 15.36; IFRS 15.BC140). Sofern die einzelnen Vermögenswerte auch an andere Kunden übertragen werden können, wie bei standardisierten Gütern oder Dienstleistungen, mithin eine alternative Verwendungsmöglichkeit vorliegt, verbleibt die Kontrolle während der Leistungserbringung bei dem Unternehmen (IFRS 15.BC134). Für die Beurteilung des alternativen Nutzens ist auf den fertigen Vermögenswert abzustellen (vgl. Heintges/Erber, WPg 2016, S. 1019).

 

Tz. 73

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Die kundenspezifische Anpassung eines Vermögenswerts weist auf einen fehlenden alternativen Nutzen und folglich auf einen kontinuierlichen Kontroll­übergang hin, da ein Weiterverkauf des Vermögenswerts nur unter hohen An­passungskosten oder zu einem deutlich geringeren Preis möglich wäre (IFRS 15.BC135). Sofern dem Unternehmen aufgrund der alternativen Verwendung der Güter oder Dienstleistungen wesentliche Verluste entstehen, ist es praktisch in der Nutzungsmöglichkeit der Vermögenswerte eingeschränkt (IFRS 15.B8). Maßgeblich für die Beurteilung praktischer Einschränkungen sind die Eigenschaften des Endprodukts und ob dieses ohne wesentliche Überarbeitungen alternativ genutzt werden kann (IFRS 15.BC136). So wird insbesondere bei Fertigungsaufträgen häufig bei allen Verträgen ein standardisiertes Design verwendet, das jedoch kundenspezifisch angepasst wird und eine alternative Verwendung dadurch einschränkt (IFRS 15.BC136; IFRS 15.IE73–76).

 

Tz. 74

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Bei der Beurteilung der alternativen Nutzungsmöglichkeit sind insbesondere vertragliche Einschränkungen zu berücksichtigen (IFRS 15.36), wobei die Möglichkeit einer Vertragsbeendigung nicht in Betracht zu ziehen ist (IFRS 15.B6). Für eine Beschränkung des alternativen Nutzens bedarf es einer substanziellen vertraglichen Vereinbarung (IFRS 15.B7). Diese besteht sofern der Kunde seinen Anspruch auf die vereinbarten Güter oder Dienstleistungen im Fall einer anderweitigen Verwendungsabsicht des Unternehmens durchsetzen kann (IFRS 15.B7). Auch ein standardisierter, mithin nicht kundenspezifischer Vermögenswert kann daher nicht alternativ genutzt werden, wenn das Unternehmen aufgrund einer substanziellen Vereinbarung gesetzlich verpflichtet ist, dem Kunden den Vermögenswert zu übertragen (IFRS 15.BC137). Derartige vertragliche Beschränkungen bestehen häufig bei Immobilienverträgen (IFRS 15.BC137; vgl. Tz. 204). Sofern ein Unternehmen die vereinbarten Vermögenswerte jedoch ohne eine Vertragsverletzung durch andere Vermögenswerte austauschen kann, liegt keine substanzielle Einschränkung vor (IFRS 15.B7).

 

Tz. 75

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Vertragliche Einschränkungen, die dem Kunden ein Schutzrecht einräumen, sind nicht ausreichend, um den alternativen Nutzen zu begrenzen (IFRS 15.BC138). Derartige Rechte dienen, in Analogie zu IFRS 10, dem Schutz der Interessen ihres Besitzers, ohne diesem jedoch die Kontrolle über den jeweiligen Vermögenswert zu übertragen (IFRS 10.14; IFRS 10.B27). Das Unternehmen hat in diesem Fall die tatsächliche Möglichkeit, den Vermögenswert ohne Kenntnisnahme oder trotz Widerspruch des Kunden physisch auszutauschen (IFRS 15.BC138). Wird dem Kunden bspw. vertraglich das Eigentum an einer Ware im Fall einer Unternehmensliquidität zugesichert und ist eine Übertragung des Vermögenswerts an andere Kunden zu geringen Kosten möglich, findet kein Kontrollübergang statt; der Anspruch stellt vielmehr ein Schutzrecht dar (IFRS 15.BC138).

 

Tz. 76

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Während für die Erfassung von Umsatzerlösen aus Fertigungsaufträgen nach Maßgabe des Leistungsfortschritts bislang nach IAS 11 die Restriktion der kundenspezifischen Fertigung galt (IAS 11.3), wurde dieses einschränkende Kriterium in IFRS 15 faktisch abgeschafft (IFRS 15.BC156; vgl. Schmidt et al., DB 2015, S. 145; Scharr/Usinger, IRZ 2012, S. 106). Zwar weist das Kriterium der fehlenden alternativen Nutzungsmöglichkeit Ähnlichkeiten mit dem Kriterium der Kundenspezifität auf (vgl. Knobloch/Anton, Das Fünf-Schritte-Modell (Teil 2), DStR 2015, S. 1587), der Grad der Kundenspezifizierung ist jedoch nicht allein maßgeblich für eine alternative Nutzung...

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