Tz. 120

Stand: EL 40 – ET: 02/2020

Die Haltung der EU-Kommission zu den Verlautbarungen des IASB und seiner Vorgängerorganisation unterlag über die Zeit betrachtet einem interessanten Wandel.

Während die Kommission der Vereinbarkeit der – damals so bezeichneten – IAS und EG-Bilanzierungsrichtlinien lange Zeit kritisch, später dann nur noch beobachtend gegenüberstand, entschied sie sich im November 1995 zu einer grundlegenden Änderung ihrer Strategie: Nach einer Phase anfänglicher Toleranz gegenüber weitergehenden Interpretationen der unveränderten EG-Bilanzierungsrichtlinien nahm die EU-Kommission die kontinuierliche Mitarbeit in den Gremien des seinerzeitigen IASC auf. Die kontinuierliche Öffnung gegenüber den IAS setzte sich im Februar 2000 fort, als die EU-Kommission die für eine richtlinienkonforme Anwendung von IAS notwendigen Änderungen bzw. Anpassungen der Bilanzierungsrichtlinien ankündigte (vgl. Kleekämper/König, DStR 2000, S. 570). Ein Höhepunkt der fortschreitenden Entwicklung war die Ankündigung der EU-Kommission im Juni 2000, spätestens ab dem Jahr 2005 für alle kapitalmarktorientierten Gesellschaften in der EU die Erstellung konsolidierter Abschlüsse auf der Basis von IFRS verbindlich zu machen. Eigens dafür wurde von der EU-Kommission am 13.02.2001 ein Verordnungsentwurf ("Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsgrundsätze") veröffentlicht. Darüber hinaus sollte es im Ermessen der jeweiligen Mitgliedstaaten liegen, IFRS als verbindliche Rechnungslegungsnormen auch für nicht börsennotierte Gesellschaften – insbesondere für nicht notierte Finanzinstitute und Versicherungsunternehmen – einzuführen (vgl. Ernst, BB 2001, S. 823). Als Ergebnis dieses Entwurfs verabschiedete die EU im Jahre 2002 die sogenannte IAS-Verordnung, die am 27.05.2002 vom Europäischen Parlament beschlossen, am 06.06.2002 vom EU-Ministerrat beschlossen (Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 vom 19. Juli 2002, in: EU-Amtsblatt v. 11. September 2002, L 243) und durch das Europäische Parlament und den europäischen Rat am 11.03.2008 geändert wurde (Verordnung (EG) Nr. 297/2008, in: EU-Amtsblatt v. 09.04.2008, L 97/62; vgl. auch Driesch, Rz. 70; Coenenberg/Haller/Schultze, 2018, S. 57). Die IAS-Verordnung verpflichtet alle kapitalmarktorientierten Mutterunternehmen, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, seit 2005 ihren Konzernabschluss nach IFRS aufzustellen (vgl. IFRS-Komm., Teil A, Kap. III, Tz. 1ff.). Durch den Erlass als Verordnung erlangte diese Regelung in den Mitgliedstaaten der EU unmittelbare Bindungswirkung. In der Literatur wurde darauf hingewiesen, dass der damalige § 315a Abs. 1 Satz 1 HGB – und heutige § 315e Abs. 3 HGB –, diesbezüglich für den bezeichneten Kreis deutscher Unternehmen nur deklaratorischen Charakter habe (vgl. Buchheim/Knorr/Schmidt, KoR 2008, S. 334). Für die Einzelabschlüsse wurde den einzelnen Mitgliedstaaten in Art. 5 der Verordnung ein Wahlrecht eingeräumt, das zunächst von den jeweiligen Ländern in nationales Recht umzusetzen war. Weiterhin wurde eine Erleichterung für solche Mutterunternehmen vorgesehen, die an einer Börse außerhalb der EU (zB NYSE) gelistet waren und daher einen Konzernabschluss nach einem anderen Standard (zB US-GAAP) aufstellten. Solche Konzernunternehmen waren bis zum 01.01.2007 von der verbindlichen Aufstellung eines Konzernabschlusses nach IFRS befreit (vgl. Baetge/Kirsch/Thiele, 2019, S. 68f.).

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