I. Regelwerk und Normenhierarchie

 

Tz. 1

Stand: EL 38 – ET: 6/2019

Die IFRS-Rechnungslegung umfasst konzeptionell fünf Elemente:

  • das Vorwort (Preface);
  • das Rahmenkonzept (Conceptual Framework);
  • die einzelnen Standards (IFRS/IAS);
  • die Interpretationen (IFRIC/SIC); sowie
  • die sog. Anwendungshilfen.
 

Tz. 2

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Das Vorwort (Preface) ist ein allgemeiner Einführungstext, der auf die Ziele und Aufgaben des IASB, den Ablauf bei der Verabschiedung neuer Standards und das Verhältnis lokaler Rechtsnormen zu den Verlautbarungen des IASB eingeht. Die Stellung des Vorworts im Kanon der IFRS wird an keiner Stelle näher beschrieben und ist auch beim IASB selbst nicht präzise definiert (vgl. Wagenhofer, 6. Aufl., S. 82). Zwar werden im Rahmen der Ausführungen des Vorworts einzelne Aspekte des Conceptual Framework und der Standards aufgegriffen (zB der Grundsatz der Wesentlichkeit); dennoch kann dem Vorwort bei der Anwendung und Auslegung der IFRS angesichts der fehlenden rechtssystematischen Einordnung keine nennenswerte Bedeutung beigemessen werden.

 

Tz. 3

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Das Conceptual Framework kann als theoretischer Unterbau der IFRS-Rechnungslegung verstanden werden (vgl. CF.SP1.1; Baetge/Kirsch/Thiele, 14. Aufl., S. 55; Göbel, DB 1994, S. 2457; Hayn, WPg 1994, S. 718; Heuser/Theile, 5. Aufl., Tz. 250–253). Zweck des Conceptual Framework ist es, das Ziel und die konzeptionellen Grundlagen der IFRS-Rechnungslegung zu beschreiben, um (CF.SP1.1):

  • den IASB bei der Entwicklung von neuen Standards zu unterstützen;
  • Abschlussersteller bei der Entwicklung konsistenter Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden zu unterstützen, sofern für einen Geschäftsvorfall kein Standard vorliegt oder ein Wahlrecht besteht; und
  • alle Parteien beim Verständnis und bei der Interpretation der Standards zu unterstützen.
 

Tz. 4

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In der Einleitung des Conceptual Framework wird klargestellt, dass das Conceptual Framework kein Standard ist (CF.SP1.2). Dementsprechend hat es auch nicht die Rechtswirkung eines solchen und tritt in Überschneidungsfällen mit Einzelstandards gegenüber diesen zurück. Somit sind bspw. die im Conceptual Framework kodifizierten Kriterien zur Bilanzierungsfähigkeit subsidiär gegenüber den speziellen Ansatzkriterien für Forschungs- und Entwicklungskosten nach IAS 38. Abschlussersteller können sich folglich auch nicht auf das Conceptual Framework berufen, wenn sie gegen Einzelstandards verstoßen. Aufgrund dieser Stellung im IFRS-Regelwerk wird das Conceptual Framework 2018, wie auch seine Vorgängerversionen, voraussichtlich nicht von der EU in europäisches Recht transformiert (sog. Endorsement) werden (vgl. Wawrzinek/Lübbig, in: Beck IFRS-HB, 5. Aufl., § 2, Tz. 2). Dennoch sollte die Bedeutung des Conceptual Framework für die Abschlussersteller nicht unterschätzt werden. Zum einen wird in zahlreichen Standards unmittelbar auf das Conceptual Framework verwiesen (zB in IFRS 3.11 hinsichtlich der Definitionen von Vermögenswerten und Schulden). Zum anderen ist es nach IAS 8.11 verpflichtend heranzuziehen, wenn Interpretationsfragen oder Regelungslücken bestehen. Das Conceptual Framework ist somit indirekt bindend für die Unternehmen.

 

Tz. 5

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Obwohl der IASB sich mit dem Conceptual Framework selbst Leitlinien für die Erstellung neuer Standards auferlegt, schließt er in Einzelfällen Abweichungen zwischen Vorschriften in Einzelstandards und den Grundsätzen im Conceptual Framework nicht aus, wenn dies zur Erfüllung des übergeordneten Ziels von IFRS-Abschlüssen beiträgt. Zugleich erlegt sich der IASB aber eine Begründungspflicht für derartige Abweichungen in den Basis for Conclusions des jeweiligen Standards auf (CF.SP1.3). Dies ist hinsichtlich der Konsistenz der IFRS-Rechnungslegung positiv zu beurteilen.

 

Tz. 6

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Das erste Rahmenkonzept der IFRS-Rechnungslegung wurde im Jahr 1989 vom damaligen IASC erstellt und im April 2001 von seinem Rechtsnachfolger dem IASB als Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements (2001) übernommen (vgl. mwN Ernst & Young, 2018, S. 37f.). Im Oktober 2004 nahm der IASB gemeinsam mit dem US-amerikanischen FASB ein Projekt zur Überarbeitung und Vereinheitlichung der beiden bis dahin voneinander abweichenden Rahmenkonzepte der IFRS und der US-GAAP auf (Conceptual Framework-Projekt, vgl. Gassen/Fischkin/Hill, WPg 2008, S. 874). Das gemeinsame Rahmenkonzept sollte beiden Standardsetzern als einheitliche Basis für die Entwicklung neuer konvergenter Standards dienen (vgl. Ernst & Young, 2018, S. 37f.; Gassen/Fischkin/Hill, WPg 2008, S. 875). Das Projekt konnte aufgrund der Dringlichkeit anderer Projekte in Folge der Finanzmarktkrise und Differenzen zwischen IASB und FASB nur partiell abgeschlossen werden und endete im Jahr 2010 mit der Veröffentlichung eines Teilergebnisses in Form des Conceptual Framework for Financial Reporting (2010). In Folge einer Agendakonsultation nahm das IASB das Projekt zur Überarbeitung des Rahmenkonzeptes im Ja...

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