Tz. 61

Stand: EL 46 – ET: 03/2022

Zusammenfassend ist hinsichtlich der Klassifizierungen festzuhalten: Das IASB hat den Anwendungsbereich des IFRS 5 sehr weit gefasst. Unternehmen haben bereits bei einer voraussichtlichen Veräußerung bzw. Ausschüttung eines einzelnen langfristigen Vermögenswerts besondere Berichts- und sogar Bewertungspflichten zu erfüllen. Die Rechnungslegungsadressaten erfahren somit auf einer sehr detaillierten Ebene, wenn ein Vermögenswert nicht mehr zum künftigen Unternehmenserfolg beiträgt (vgl. aus bilanzanalytischer Sicht Eckes/Flick/Weigel, 2. Aufl., 2009, S. 531ff.).

 

Tz. 62

Stand: EL 46 – ET: 03/2022

Mit IFRS 5 hat das IASB einen komplexen Standard erlassen. Der Kriterienkatalog eines langfristigen Vermögenswerts, der zur Veräußerung gehalten wird, oder einer Abgangsgruppe steht der Annahme entgegen, wonach die IFRS gemeinhin als prinzipienbasiert gelten (IFRS 5.DO10). Bei einem prinzipienbasierten Ansatz in der Rechnungslegung wird eher einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise (vgl. Böcking, in: FS Beisse, 1997, S. 101–102) und weniger formalen Anforderungen entsprochen. Dadurch wird die Möglichkeit der Umgehung von Vorschriften eher eingeschränkt. In der Kommentierungsphase wurde Kritik an der Festlegung spezifischer Merkmale geäußert (vgl. statt vieler PricewaterhouseCoopers, 2003, S. 5). Durch diesen Ansatz könnten Manipulationen durch das Management ermöglicht werden, weil der Verkauf in dessen Entscheidungsbereich fällt und die Kriterien, wie zB der Wahrscheinlichkeitsfaktor, ermessensbehaftet sind. Dennoch betont das IASB, dass gerade durch eng gefasste Begriffsdefinitionen in IFRS 5 eine Objektivierung erreicht wird, die Gestaltungsspielräume begrenzt (vgl. auch Pape/Fladt, in: FAZ vom 25.08.2003, S. 17). Zudem wird nach Meinung des IASB durch spezifische Kriterien eine bessere Vergleichbarkeit der Abschlüsse verschiedener Unternehmen erreicht (IFRS 5.BC18). Als weiteres Argument für den Ansatz wird die Konvergenz zu US-GAAP angeführt (vgl. auch Zülch, StuB 2003, S. 980).

 

Tz. 63

Stand: EL 46 – ET: 03/2022

Bei einer Gesamtbetrachtung wird deutlich, dass die Veräußerungsabsicht durch konkrete Verkaufsmaßnahmen belegt werden muss (vgl. Thiel/Peters, 2003, BB, S. 2005). Auch bei einer Ausschüttung langfristiger Vermögenswerte oder einer Veräußerungsgruppe, müssen eindeutige Maßnahmen zur Durchführung der Ausschüttung eingeleitet worden sein. Gleichwohl können die einzelnen Kriterien recht weit ausgelegt werden. Dies zeigt sich insbesondere an der Ein-Jahres-Frist (vgl. KPMG, April 2004, S. 185). Den Kritikern des Kriterienkatalogs ist in diesem Zusammenhang Recht zu geben. Im Einzelfall wird eine Umgehung der Anforderungen möglich sein. Dennoch sollte es trotz formaler Kriterien Ziel der Auslegung sein, einen Ausgleich zwischen einer formalrechtlichen und betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise zu erreichen (vgl. allgemein Klein, 2003, S. 92–93).

 

Tz. 64

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Die Definition eines aufgegebenen Geschäftsbereichs (discontinued operation) ist recht weit gefasst (vgl. Thiel/Peters, BB 2003, S. 2005) und schließt praktisch jede mögliche Art der Aufgabe ein: ganzheitlicher Verkauf; sukzessive Veräußerung bzw. Tilgung; Stilllegung und Übertragung der Eigentumsrechte an die Anteilseigner.

 

Tz. 65

Stand: EL 46 – ET: 03/2022

Im Einzelfall kann die Abgrenzung zwischen einem Geschäftsbereich und einer Veräußerungsgruppe problematisch sein (vgl. Hoffmann/Lüdenbach, BB 2004, S. 2007). Letztlich handelt es sich lediglich um verschiedene Aggregationen von Vermögenswerten und Schulden (vgl. Schildbach, WPg 2005, S. 554). Je nach Klassifizierung ergeben sich unterschiedliche Ausweis- und Bewertungsfolgen. In bilanzpolitischer Hinsicht kann das Management eines Unternehmens versucht sein, verlustreiche Teil(-Bereiche) eines Unternehmens vorübergehend zu kaschieren, indem der (Teil-)Bereich als zur Veräußerung bestimmt wird. Dadurch kann gegenüber den Rechnungslegungsadressaten der Eindruck vermittelt werden, dass die Verluste zukünftig wegfallen (vgl. Hoffmann/Lüdenbach, BB 2004, S. 2008).

 

Tz. 66

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Ein wesentliches Merkmal der Aufgabevorgänge in IFRS 5 ist die Möglichkeit der Unternehmensleitung, auf die Transaktion Einfluss nehmen zu können. Enteignungen von Vermögenswerten und Naturkatastrophen entziehen sich im Allgemeinen der Einflussnahme eines Unternehmens, wodurch sie keine Aufgabe im Sinne von IFRS 5 darstellen.

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