Tz. 171

Stand: EL 51 – ET: 10/2023

Ein Investor muss bei der Beurteilung, ob er ein Beteiligungsunternehmen beherrscht, auch in Betracht ziehen, dass er womöglich nur einen Teil des Beteiligungsunternehmens, einen sog. Silo, beherrscht (IFRS 10.B76). Silos sind Beteiligungsunternehmensteile, bei denen bestimmte Vermögenswerte und Schulden in einer Weise miteinander verbunden (und von der übrigen Gesellschaft getrennt) sind, dass keine Rechte aus dieser Verbindung anderen Parteien zustehen und keine Verpflichtungen aus dieser Verbindung von anderen Parteien zu begleichen sind (IFRS 10.B77).

Der Investor muss also feststellen, ob er die Beherrschung über solche bestimmte Vermögenswerte des Beteiligungsunternehmens ausübt und ob diese als separate Berichtseinheit (sog. Silos, IFRS 10.B77 spricht auch von fiktiv separatem Unternehmen) zu erachten sind. Ein Silo liegt vor, wenn

  • festgelegte Vermögenswerte und Verbindlichkeiten sowie das Eigenkapital des Silos von den übrigen Vermögenswerten, Verbindlichkeiten und dem Eigenkapital des übergeordneten Vermögenshalters (overall investee oder host) wirtschaftlich getrennt sind (sog. ringfenced oder abgeschirmte Silos),
  • die abgegrenzten Vermögenswerte die einzige Quelle zur Bedienung der damit verbundenen Verbindlichkeiten sind und
  • keine weiteren Parteien Ansprüche an den festgelegten Vermögenswerten haben als diejenigen Parteien, welche die Verbindlichkeiten zur Verfügung gestellt haben (IFRS 10.B77).
 

Tz. 171a

Stand: EL 51 – ET: 10/2023

Zur Abgrenzung der festgelegten Vermögenswerte und Schulden werden rechtliche oder vertragliche Abgrenzungen benötigt. Üblicherweise werden Treuhand- oder ähnliche Strukturen implementiert, um diese Abgrenzung von Vermögenswerten und Schulden vom übrigen Geschäft des Vermögenshalters sicherzustellen. Silo-Strukturen können bei Asset-Backed-Commercial-Paper-(ABCP-)Strukturen oder Spezial-/Dachfonds-Strukturen auftreten. Sofern ein Silo identifiziert wurde, ist in einem nächsten Schritt zu prüfen, welche Partei dieses Silo beherrschen kann. Diese Prüfung erfolgt anhand der allgemeinen Beherrschungskriterien in IFRS 10 (vor allem mittels Identifikation der maßgeblichen Tätigkeiten, Bestimmung der Entscheidungsbefugnisse auf die maßgeblichen Tätigkeiten sowie der Beteiligung an den schwankenden Renditen auf Ebene des jeweiligen Silos, IFRS 10.B78).

 

Tz. 172

Stand: EL 51 – ET: 10/2023

Gemäß IFRS 10 könnte die Beherrschung daher auch auf einer unterhalb einer rechtlichen Einheit angesiedelten Ebene ausgeübt werden, was dazu führt, dass nur die betreffenden Silos, jedoch nicht die gesamte rechtliche Einheit, zu konsolidieren ist. Umgekehrt können abgeschirmte Vermögenswerte und Schulden dazu führen, dass diese Silos nicht mehr vom Vermögenshalter bilanziert werden, dh. zu endkonsolidieren sind (IFRS 10.B79). Es ist daher von großer Bedeutung, dass Silo-Strukturen bereits frühzeitig im Rahmen der Konsolidierungsprozesse identifiziert werden, wobei vor allem auch der Zweck und die Gestaltung des Beteiligungsunternehmens zu berücksichtigen sind (vgl. hierzu Tz. 67 ff.).

 

Tz. 173

Stand: EL 51 – ET: 10/2023

(einstweilen frei)

 

Tz. 174

Stand: EL 51 – ET: 10/2023

Silostrukturen können bspw. in der Immobilienbranche, der Finanzbranche sowie bei Versicherungen auftreten. So könnte eine Leasingimmobilie, für die der Leasingnehmer eine Kaufoption hält und die zu 100 % durch eine spezifische Verbindlichkeit (ohne Gesamtschuldnerhaftung) finanziert wird, gemeinsam mit der spezifischen Verbindlichkeit als Silo angesehen werden, da Leasingnehmer und Kreditgeber die einzigen Parteien sind, die am Wertzuwachs (Leasingnehmer) bzw. Wertverlust (Kreditgeber) partizipieren. Sofern allerdings Restwertgarantien vom Leasingnehmer abgegeben wurden, eine gemeinschaftliche Haftung mehrerer Immobilien für deren Finanzierung vereinbart wurde oder neben dem Kreditgeber auch noch Eigenkapitalgeber am Wertgewinn bzw. Wertverlust der Immobilien partizipieren, liegen im Einzelfall keine voneinander abgeschirmten Silos vor. In ABS-Strukturen, bei denen Forderungen angekauft und verbrieft werden, können einzelne Forderungen und die korrespondierenden Verbriefungstitel dann ein abgeschirmtes Silo bilden, wenn die Cashflows und eventuelle Überschüsse aus der Realisierung der jeweiligen Forderungen ausschließlich den Verkäufern dieser Forderungen zustehen und die Überschüsse nicht für Ausfälle von Forderungen anderer Verkäufer verwendet werden dürfen. Sofern die Verkäufer der Forderungen weiterhin die Eintreibung der Forderungen übernehmen und darin die einzige maßgebliche Tätigkeit des Beteiligungsunternehmens besteht, könnten diese Verkäufer als Investor iSd. IFRS 10 über Beherrschung über das jeweilige Silo verfügen. Die jeweilige Beurteilung hängt stark von den vertraglichen Vereinbarungen, gesetzlichen Vorschriften und Regulierungen ab.

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