Tz. 10

Stand: EL 37 – ET: 2/2019

In dem Ausmaß, in dem der Nutzen der Abraumaktivitäten in einem verbesserten Zugang zu den erst künftig noch zu fördernden Rohstoffen besteht, weil er nicht (nur) der Rohstoffförderung der laufenden Periode zuzurechnen ist, hat das Unternehmen die betreffenden Kosten als langfristigen Vermögenswert aus Abraumbeseitigung (stripping activity asset) zu aktivieren (IFRIC 20.8), wenn die folgenden drei Voraussetzungen zum Ansatz eines Vermögenswerts kumulativ erfüllt sind (IFRIC 20.9):

  1. Wahrscheinlichkeit, dass der künftige wirtschaftliche Nutzen aus der Abraumbeseitigung, nämlich der verbesserte Zugang zur Lagerstätte, dem Unternehmen zufließt,
  2. Fähigkeit des Unternehmens, den Bereich der Lagerstätte zu identifizieren, für die der Zugang verbessert wurde,
  3. verlässliche Ermittlung der Kosten der Abraumaktivität, die den Zugang zu og. Bereich der Lagerstätte verbessern.

Während die Ansatzkriterien a) und c) für einen Vermögenswert mit dem weiter geltenden IFRS-Rahmenkonzept 2010 (vgl. Conceptual Framework for Financial Reporting, F-4.4(a) iVm. F-4.44 und 2018 neu eingefügte Fn. zu IFRIC 20.BC7) im Einklang stehen, wird in dieser Interpretation ein weiteres Kriterium eingeführt, was die ausdrückliche Identifikation bzw. Bestimmbarkeit der einzelnen Komponente der gesamten Lagerstätte betrifft, zu der der Zugang verbessert wird. Die Interpretation geht somit davon aus, dass solche Komponenten (subset) der gesamten Lagerstätte im Rahmen der Abbauplanung auf Basis von Betriebsplänen mit ihrem spezifischen Volumen abgegrenzt werden können, was einerseits für eine verlässliche Kostenermittlung beim Erstansatz und weiter für die Abschreibungsberechnung nach Mengeneinheiten erforderlich ist (IFRIC 20.BC8). Das IFRIC gibt wohl bewusst keine detaillierten Richtlinien für die bedeutsame Ermessensentscheidung vor, was eine bestimmte Komponente genau ist und wie sie festzulegen ist. Nach seiner Einschätzung kann aber die Bergbauplanung des Unternehmens als hinreichende Grundlage für eine vernünftige und widerspruchsfreie Beurteilung angesehen werden (IFRIC 20.BC9). Damit erkennt das IFRIC letztlich auch das Problem an, dass detaillierte Regeln zur Komponentenfestlegung für nicht vergleichbare Tagebaue zu nicht praktikablen Modellvorgaben geführt hätten. In der Praxis ist die Identifikation solcher Komponenten jedenfalls ein komplexer Prozess, der ein signifikantes management judgement erfordert und dabei auch Ermessensspielräume bietet. Wenn eines der drei Kriterien nicht erfüllt wird, sind die Abraumbeseitigungskosten erfolgswirksam als laufender Aufwand zu behandeln (IFRIC 20.BC7).

Der Vermögenswert aus Abraumbeseitigung ist nicht selbständig zu aktivieren, sondern als erweiternder Bestandteil einem bereits vorhandenen umfassenderen, aber nicht näher festgelegten materiellen oder immateriellen Vermögenswert, der den Tagebau als Ganzes betrifft, hinzuzurechnen (IFRIC 20.10). Dabei bestimmt der schon vorhandene Vermögenswert (zB Grund und Boden, Abbaurechte, Bodenschatz selbst, aktivierte Tagebauaufschlusskosten), ob der ergänzende Vermögenswert als materiell oder immateriell klassifiziert wird (IFRIC 20.11, IFRIC 20.BC10) und gemäß IAS 16 oder IAS 38 bewertet wird. Erfahrungsgemäß klassifizieren die meisten Unternehmen diesen ergänzenden Vermögenswert entsprechend ihren materiellen im Tagebau produktiven Vermögenswerten ebenfalls als materiell (vgl. EY, 2018, S. 3294).

Demnach sind folgende Fälle der IFRS-Bilanzierungspraxis für Abraumbeseitigungskosten in der Produktionsphase (vgl. EY, 2012, S. 50f.; Deloitte, 2011, S. 2) nicht mehr zulässig:

  1. volle undifferenzierte erfolgswirksame Erfassung bei Entstehung,
  2. volle undifferenzierte Aktivierung als Herstellungskosten der Vorräte,
  3. Aktivierung und Abschreibung auf Basis einer pauschalen durchschnittlichen Abraumbeseitigungsquote (strip ratio), insbesondere unter Berücksichtigung der Lebensdauer des gesamten Tagebaus (life of mine strip ratio).

Wenn der Vermögenswert aus Abraumbeseitigung in der Produktionsphase als Bestandteil eines materiellen Vermögenswerts gem. IAS 16 aktiviert wird, ist dieser Ansatz im Ergebnis zunächst mit einer Aktivierung einer Tagebauaufschlusserweiterung während einer nachlaufenden Entwicklungsphase vergleichbar. Unterschiede können sich aber bei der Zuordnung des verbesserten Zugangs entweder nur zu einer bestimmten Komponente der Lagerstätte oder dem Rohstoffvorkommen des Tagebaus insgesamt ergeben. Daraus können unterschiedliche Ergebniswirkungen wegen abweichender Abschreibungen gegenüber einer Tagebauaufschlussaktivierung resultieren.

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