Tz. 55

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Für die Beurteilung der Ansatzfähigkeit von selbst erstellten immateriellen Vermögenswerten ist – zumindest formal (vgl. Tz. 57) – zu untersuchen, ob sich der Herstellungsprozess in der Forschungsphase oder bereits in der Entwicklungsphase befindet (IAS 38.52). Kann das bilanzierende Unternehmen bei einem internen Projekt zur Herstellung eines immateriellen Gutes die Entwicklungsphase nicht von der Forschungsphase abgrenzen, hat es zu unterstellen, dass die gesamten Kosten zur Herstellung des Gutes in der Forschungsphase angefallen sind. Die Kosten sind in diesem Fall aufwandswirksam zu erfassen (IAS 38.53).

 

Tz. 56

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Zur Abgrenzung der Forschungsphase von der Entwicklungsphase hat der IASB die Begriffe "Forschung" und "Entwicklung" definiert (hierzu vgl. Tz. 24f.). Ferner werden zur Verdeutlichung Beispiele für Forschungs- bzw. Entwicklungsaktivitäten gegeben. Aktivitäten des Forschungsbereichs sind zB (IAS 38.56):

  1. Aktivitäten, die auf das Finden von neuem Wissen ausgerichtet sind;
  2. die allgemeine Suche nach, Bewertung von und letztendliche Entscheidung für Anwendungen von Forschungsergebnissen und sonstigem Wissen;
  3. die Suche nach alternativen Materialien, Geräten, Produkten, Verfahren, Systemen oder Dienstleistungen und
  4. die Formulierung von, der Entwurf von, die Bewertung von und die letztendliche Entscheidung für mögliche Alternativen, für neue oder verbesserte Materialien, Geräte, Produkte, Verfahren, Systeme oder Dienstleistungen.

Beispielhafte Aktivitäten der Entwicklungsphase sind (IAS 38.59):

  1. der Entwurf, die Konstruktion und das Testen von Prototypen und Modellen vor der Aufnahme der eigentlichen Produktion bzw. Nutzung;
  2. der Entwurf von Werkzeugen, Spannvorrichtungen, Gussformen und Präge­stempeln unter Verwendung neuer Technologien;
  3. der Entwurf, die Konstruktion und das Betreiben von Pilotanlagen, die von ihrer Größe her nicht geeignet sind, eine kommerzielle Produktion wirtschaftlich sinnvoll zu betreiben und
  4. der Entwurf, die Konstruktion und das Testen von einer gewählten Alternative für neue oder verbesserte Materialien, Geräte, Produkte, Verfahren, Systeme oder Dienstleistungen.
 

Tz. 57

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Obgleich die Begriffe "Forschung" und "Entwicklung" definiert und durch Beispiele konkretisiert werden, ist die Abgrenzung der Forschungs- von der Entwicklungsphase mitunter nicht unproblematisch und bietet den Bilanzierenden einen erheblichen Ermessensspielraum (vgl. so auch Eppinger/Hägele/Orterer, IRZ 2013, S. 422; für ein Beispiel vgl. EY, International GAAP 2020, S. 1267f.). Das Abgrenzungsproblem verstärkt sich noch dadurch, dass der Forschungs- und Entwicklungsprozess häufig nicht sequenziell, sondern zB iterativ oder überlappend verläuft (vgl. statt vieler Burger/Ulbrich/Knoblauch, KoR 2006, S. 732). Die mit Ermessen behaftete Abgrenzung von der Forschungsphase und der Entwicklungsphase gepaart mit der Vorschrift, die Forschungs- und Entwicklungskosten bei Unmöglichkeit der eindeutigen Trennung insgesamt der Forschungsphase zuzurechnen (vgl. Tz. 55), führt faktisch zu einem Wahlrecht für das berichterstattende Unternehmen (vgl. ähnlich Kühle/Thiele, in: Internationales Bilanzrecht, IAS 38, Tz. 268; Jackstein, 2009, S. 308). Das faktische Ansatzwahlrecht besteht aber vor allem darin, eine Aktivierung von selbst erstellten immateriellen Vermögenswerten gezielt zu verhindern, indem die Möglichkeit der Trennung von Forschung und Entwicklung verneint wird (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 18. Aufl., § 13, Tz. 34). Sofern das bilanzpolitische Ziel eines Unternehmens indes darin besteht, selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte zu aktivieren, muss nachgewiesen werden, dass sich das Projekt bereits in der Entwicklungsphase befindet und darüber hinaus die Kriterien gem. IAS 38.57 kumulativ erfüllt sind (dazu vgl. Tz. 60). Angesichts der kumulativ zu erfüllenden Kriterien in IAS 38.57 ist eine entsprechende bilanzpolitische Sachverhaltsgestaltung schwieriger zu erreichen als die Nicht-Aktivierung von Aufwendungen für die Entwicklung (vgl. Tz. 62 sowie ähnlich Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 18. Aufl., § 13, Tz. 34; Burger/Ulbrich/Knoblauch, KoR 2006, S. 734).

 

Tz. 58

Stand: EL 42 – ET: 11/2020

Dadurch, dass die Aktivierungsvorschriften für selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte auf die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten abstellen, hat der IASB die Ansatzvorschriften vor allem auf solche immateriellen Vermögenswerte ausgerichtet, die im Rahmen der klassischen Produkt-/ Verfahrensforschung bzw. -entwicklung entstehen. Der IASB betont zwar in IAS 38.52, dass die Begriffe "Forschungsphase" und "Entwicklungsphase" weit zu interpretieren sind. Vor allem für marketing- oder kundenorientierte immaterielle Vermögenswerte (zB Markennamen und Kundenlisten) ist die Zuordnung zu der Forschungs- bzw. Entwicklungsphase indes regelmäßig schwierig. Aufgrund des pauschalen Ansatzverbots diverser market...

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