Tz. 18

Stand: EL 43 – ET: 03/2021

Zur Begründung eines Leasingverhältnisses muss nach dem ersten Definitionskriterium ein "identifizierter Vermögenswert" (identified asset) vorliegen. Dieses Kriterium ist im Wesentlichen inhaltsgleich zu der vorherigen Definition eines "bestimmten Vermögenswertes" in IFRIC 4 (IFRS 16.BC111; vgl. Brune, IRZ 2016, S. 123). Ein identifizierter Vermögenswert liegt gem. IFRS 16.B13f. dann vor, wenn der Vermögenswert

  • explizit oder implizit spezifiziert werden kann (IFRS 16.B13) und
  • der potenzielle Leasinggeber kein substanzielles Austauschrecht bezüglich dieses Vermögenswertes während des Verwendungszeitraums hat (IFRS 16.B14–B19; vgl. Tz. 20–22).

Eine Spezifizierung kann entweder auf ganz konkreten Ausführungen im Vertrag gründen (explizite Spezifizierung) oder an dem Tag ableitbar sein, an dem der Lieferant dem Kunden das Leasingobjekt zur Verfügung stellt (implizite Spezifizierung; IFRS 16.B13; vgl. auch Hommel/Dehmel/Zeitler, BB 2016, S. 1770f.). So kann der Leasinggegenstand bspw. durch eine klare und eindeutige Bezugnahme im Vertragswerk explizit spezifiziert werden, etwa bei mobilen Leasinggegenständen (zB PKW oder EDV-Einrichtung) über die individuelle, seitens des Produzenten vergebene Seriennummer (vgl. Dollereder, 2018, S. 58; Rentsch, IRZ 2018, S. 107; Hinz/Tettenborn, PiR 2019, S. 164). Bei einem nicht mobilen Leasingobjekt wie etwa einem Kraftwerk kann die explizite Spezifizierung auch bspw. durch eine eindeutige geografische Verortung des Vermögenswertes im Vertragswerk erfolgen (vgl. Dollereder, 2018, S. 58). Kann die Spezifizierung eines Vermögenswertes explizit aus dem Vertrag herausgelesen werden, ist dies naturgemäß bereits zum Zeitpunkt des Vertragsbeginns möglich.

Für das Vorliegen eines identifizierten Vermögenswertes reicht es indes auch aus, wenn im Vertragswerk zum Vertragsbeginn noch nicht von einem ganz konkreten Vermögenswert gesprochen wird, sondern dieser erst zum Zeitpunkt der Nutzungsüberlassung implizit spezifiziert wird (IFRS 16.B13 iVm. IFRS 16.BC111). Der Vermögenswert ist dann nicht eindeutig im Vertragswerk verankert, vielmehr geht seine Eigenschaft als dem Leasingverhältnis zugrunde liegendes Leasingobjekt aus den Gesamtumständen hervor. Dies ist bspw. dann der Fall, wenn der potenzielle Leasinggeber nur einen einzigen Vermögenswert besitzt (wie bspw. bei einer Leasingobjektgesellschaft bzw. in Bezug auf deren einzelne Zellen; vgl. Tz. 118), der aus technologischen oder wirtschaftlichen Gründen für die Erfüllung des Vertrags infrage kommt (vgl. Dollereder, 2018, S. 59; Brune, IRZ 2016, S. 123; Bardens/Kroner/Meurer, KoR 2016, S. 386; siehe auch IFRS 16.IE2 Example 8).

Die implizite Spezifizierung eines Vermögenswertes kann insbesondere bei eingebetteten Leasingverhältnissen problematisch werden, bei denen das Vertragswerk nicht unmittelbar offenbart, dass auch das vertragliche Recht auf Nutzung eines identifizierten Vermögenswertes auf den (potenziellen) Leasingnehmer übertragen wird, wie bspw. bei der Auslagerung von IT- oder Logistikdienstleistungen (vgl. auch Eckl et al., DB 2016, S. 669). Gerade in diesen Fällen ist es bedeutsam, dass die tatsächliche ökonomische Substanz aus dem Vertragswerk herausgelesen wird. Hilfreich könnte hierbei insbesondere sein, das Geschäftsmodell des potenziellen Leasinggebers und die Struktur der Kosten, die diesem aus dem Vertrag entstehen, näher zu beleuchten.

 

Tz. 19

Stand: EL 43 – ET: 03/2021

Auch ein Teil eines Vermögenswertes kann als identifizierter Vermögenswert gelten, sofern dieser Teil physisch abgrenzbar (physically distinct) ist (IFRS 16.B20). Eine physische Abgrenzbarkeit ist etwa bei einer bestimmten Etage oder bei bestimmten Räumen eines Bürogebäudes im Rahmen eines Pachtvertrags gegeben (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 18. Aufl., § 15a, Tz. 36). Ein reiner Kapazitätsanteil oder ein anderer Bestandteil eines Vermögenswertes, der nicht physisch abgrenzbar ist – wie zB die Nutzung eines Anteils an der Kapazität eines Glasfaserkabels oder einer Pipeline –, reicht regelmäßig für das Vorliegen eines "identifizierten Vermögenswertes" nicht aus. Dies kann durchaus zu Gestaltungsspielräumen führen. Um dies zu zeigen, wird in der Literatur häufig ein Beispiel zur Anmietung von Parkplätzen in einem Parkhaus bemüht (vgl. Ganssauge/Klockmann/Alymov, WPg 2016, S. 738; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, 18. Aufl., § 15a, Tz. 38; Schneider, DK 2017, S. 448f.; Dollereder, 2018, S. 60).

Beispiel – Physische Abgrenzbarkeit bei Parkplätzen in einem Parkhaus:

Sachverhalt: Unternehmen A mietet für seine Mitarbeiter 250 Parkplätze in einem Parkhaus an, das aus 2 Etagen mit jeweils 250 Parkplätzen beseht. Gemäß der vertraglichen Vereinbarung haben die Mitarbeiter von Unternehmen A das Recht, insgesamt 250 Parkplätze zu belegen. Es besteht kein Recht auf die Nutzung bestimmter Parkplätze.

Beurteilung: Da die Parkplätze dem Unternehmen A nicht einzeln zuordenbar sind, liegt keine physi...

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