wie die Kostenrechnung ihre Zukunftsfähigkeit erreichen kann

Um die Kostenrechnung zukunftsfähig zu machen, sind zwei Voraussetzungen zu erfüllen, meint Prof. Jürgen Weber: Die Veränderung muss als strategisches Projekt angegangen werden und sich inhaltlich an den Anforderungen einer ebenfalls reformierten Unternehmenssteuerung orientieren.

Reform der Kostenrechnung aus strategischer Perspektive angehen

Die Kostenrechnung ihres Unternehmens zukunftsfähig zu machen, setzt voraus, dass die Controllerinnen und Controller ein Problembewusstsein haben, hier aktiv werden zu müssen. Wichtige Gründe dafür wurden im letzten Beitrag angesprochen, ebenso wie die zunehmende Bereitschaft, sich dem Thema anzunehmen.

Liegt beides vor, bedarf es eines entsprechenden Veränderungsprojekts. Dieses Projekt sollte unbedingt strategischer Natur sein. Zu groß wäre sonst die Gefahr, gerade bei der so filigranen und komplexen Kostenrechnung nur in marginalen Veränderungen zu denken. Es geht vielmehr um ganz grundlegende Fragen. Es ist nicht gottgegeben, dass

  • die Kostenrechnung eine Periodenrechnung wie die Finanzbuchhaltung ist und ihre Daten im Wesentlichen aus dieser bezieht,
  • ihre Normalisierung sehr wichtig ist und Durchschnitte ihre Verrechnungen dominieren,
  • sie viele Zwecke gleichzeitig erfüllt oder
  • sie als eine laufende Rechnung betrieben wird.

In der zu entwickelnden Vision muss aber nicht nur vorgedacht werden, was die Kostenrechnung nicht sein muss, sondern auch – und primär! –, welche Rolle und Funktion sie in der Unternehmenssteuerung spielen soll, die im Kontext einer „VUCA-Welt“ und zunehmender Digitalisierung immer stärker unter Veränderungsdruck gerät.

Zwilling der Finanzbuchhaltung oder große Unabhängigkeit und Individualität?

Um zu einer solchen Vision zu kommen, sind zwei grundsätzliche Herangehensweisen bzw. Perspektiven möglich, die sich im Verhältnis von Finanzbuchhaltung und Kostenrechnung zueinander unterscheiden. Wenn die Kostenrechnung auch weiterhin konzeptionell der Zwilling der Finanzbuchhaltung sein soll, dann muss sie auch von der Finanzbuchhaltung aus gedacht werden. So geht z.B. SAP S/4HANA vor, dessen Kern ein einheitlicher General Ledger bildet, auf den beide Rechnungen zugreifen. Wird die Kostenrechnung dagegen im ersten Schritt unabhängig von der Finanzbuchhaltung gesehen, hat ihre Gestaltung diverse Freiheitsgrade. Sie kann dann ein Denken reflektieren, das weniger durch feste, wiederkehrende Fragestellungen gekennzeichnet ist, sondern mehr von neu auftretenden Problemen, die spezifisch analysiert werden, getrieben wird. Dies mag sich sehr abstrakt anhören und ist es ganz im Sinne des Wortes auch. Nur wenige Controllerinnen und Controller werden deshalb den Mut haben, sich so stark vom Status Quo zu lösen.

Komplexität der Kostenrechnung durch „Unbundling“ reduzieren

Der Mut müsste aber zumindest so weit reichen, die Denkweise von Kostenrechnung als „Spinne im Netz“ bzw. als „eierlegende Wollmilchsau“ in Frage zu stellen. Ihre Komplexität und ihre Schwerfälligkeit sind wesentlich der Tatsache geschuldet, dass sie ein ganzes Bündel von Zwecken gleichzeitig erfüllen soll. Das muss nicht so sein. Andere Instrumente können einen (wesentlichen) Teil der Aufgaben übernehmen, wie die folgenden drei Beispiele zeigen:

  • Preise muss man nicht aus den Kosten kalkulieren, sondern man kann sie (besser) auch mit Hilfe eines Target Costings bestimmen.
  • Budgets müssen nicht aus einer komplexen Kostenplanung resultieren, sondern können z.B. durch Benchmarks bestimmt werden.
  • Die Kostenkontrolle lässt sich durch eine Kontrolle auf Basis von Leistungsgrößen ersetzen.

Im Bereich der operativen Planung findet ein solches „unbundling“ schon seit geraumer Zeit statt und kann als Referenz für die Neugestaltung der Kostenrechnung herangezogen werden.

Neue Unternehmenssteuerung gibt den Rahmen für neue Kostenrechnung vor

Letztlich macht eine Neuausrichtung der Kostenrechnung nur dann Sinn, wenn sie eingebettet ist in die Entwicklung einer Vision der Unternehmenssteuerung der Zukunft. Die Kostenrechnung in ihrer aktuellen Ausprägung passte optimal in eine Zeit, in der komplexe Planungssysteme die Unternehmenssteuerung beherrscht (und erfolgreich betrieben!) haben. In einer „VUCA“-Welt stellen sich ganz andere Anforderungen. Eine darauf passende Unternehmenssteuerung gibt den Rahmen für die Kostenrechnung vor. Beides erfordert einen engen Schulterschluss zwischen Controllern und Managern, der wiederum die Möglichkeit zu einem gemeinsamen Lernen schafft. Der strategische Charakter der Neuausrichtung von Unternehmenssteuerung und Kostenrechnung bedeutet auch, dass der Veränderungsprozess langfristig angelegt sein sollte. Zu groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich grundsätzliche Denkweisen verändern müssen. Damit sind stets Anpassungsängste und -widerstände verbunden. Sie nicht zu berücksichtigen, gefährdete den Erfolg der Neuausrichtung. Der Worst Case wäre der, eine neue ERP-Software einzuführen und alles andere unverändert zu lassen. Unwahrscheinlich ist er nicht. Deshalb wird der Aspekt im dritten und letzten Teil dieser kleinen Serie noch einmal aufgegriffen.

Literatur-Tipp:
Zukunftsfähige Kostenrechnung in der Unternehmenssteuerung
Autor: Prof. Dr. Jürgen Weber

Die Veränderungen des Wettbewerbsumfelds („VUCA-Welt“) und insbesondere die Digitalisierung erfordern ein grundsätzliches Re-Design der Kostenrechnung. Der Autor gibt in diesem Buch konkrete Unterstützung bei der Neuausrichtung des bewährten Controllinginstruments. Anhand von fundierten Konzepten, Fallstudien und einem detaillierten Einblick in die Praxis erläutert er die unterschiedlichen Facetten und zeigt Ihnen Möglichkeiten, die Kostenrechnung in Ihrem Unternehmen zukunftsfähig auszurichten.

Bestell-Nr.:  E11210 | ISBN: 978-3-648-15525-7 | 1. Auflage 2021 | 300 Seiten | Preis: 69,95 EUR 

Schlagworte zum Thema:  Kostenrechnung, Unternehmenssteuerung, Controller