In seinem Vortrag beleuchtete er eindrucksvoll die stillen Blockaden in Transformationsprozessen, vor allem im Zusammenspiel von IT, Controlling und Organisation. Er zeigte, wie Unternehmen den Weg von der Prozessautomatisierung zur echten Prozessverantwortung gestalten können und warum das Controlling eine Schlüsselrolle dabei spielt.
Warum Prozesse bleiben, auch wenn sie längst überholt sind
Andreas Schmelzer zeigte eindrücklich auf, warum selbst ineffiziente oder überholte Prozesse in Unternehmen erstaunlich langlebig sind. Ihr Fortbestehen ist selten rational begründet, vielmehr wirken psychologische, organisatorische und technologische Hemmnisse zusammen:
- Psychologisch, weil vertraute Abläufe Sicherheit vermitteln, auch wenn sie längst nicht mehr effizient sind. Veränderung wird oft als Risiko wahrgenommen, nicht als Chance.
- Organisatorisch, weil klare Zielbilder fehlen, Silo-Denken vorherrscht und bestehende Strukturen mit Machtinteressen verknüpft sind.
- Technologisch, weil alte Systeme als stabil gelten, obwohl sie in Wahrheit oft Innovation verhindern.
Schmelzers Ansatz setzt genau hier an: Es geht nicht darum, Prozesse einfach zu digitalisieren, sondern sie bewusst zu hinterfragen und zu bereinigen. Nur das, was funktional begründet ist, sollte dauerhaft bleiben. Historisch gewachsene Routinen werden dabei nicht als gesetzt hingenommen, sondern systematisch auf ihre Relevanz geprüft.
Prozessverständnis vor Prozessdigitalisierung
Ein zentrales Praxisbeispiel in Schmelzers Vortrag war der monatliche Abschluss bei Porsche Holding, ein Bereich, der klassischerweise stark durch Routinen und manuelle Tätigkeiten geprägt ist. Ziel war es, den Prozess maximal zu automatisieren, idealerweise bis hin zur Ausführung per Knopfdruck.
Statt direkt auf Technologie zu setzen, wählte Schmelzer einen methodischen, teamzentrierten Ansatz und startete mit einem bereichsübergreifenden Workshop. Dabei wurden zehn Prozessschritte systematisch analysiert, verteilt auf unterschiedliche Rollen, Systeme und Abteilungen.
Die Leitfrage lautete: Welche Schritte sind zwingend notwendig und welche redundant? Wo gibt es unnötige Medienbrüche, fehlende Standards oder unklare Schnittstellen? In einer gemeinsam erstellten Prozesslandkarte wurden diese Punkte sichtbar gemacht, nicht als reine Visualisierung, sondern als Entscheidungsgrundlage für gezielte Eingriffe.
Das Motto dabei: "Reduce > Automate > Improve." Anstatt ineffiziente Abläufe vorschnell zu digitalisieren, setzte das Team zunächst auf eine konsequente Entrümpelung: Überflüssige, doppelte oder inhaltlich veraltete Prozessbestandteile wurden identifiziert und eliminiert. Erst auf dieser bereinigten Grundlage erfolgte die technische Umsetzung: Verantwortlichkeiten wurden neu zugeordnet, Systemzugriffe standardisiert und eindeutige Übergabepunkte definiert.
Das Ergebnis war mehr als ein automatisierter Prozess: Die Mitarbeitenden verstanden nicht nur wie der neue Ablauf funktionierte, sondern auch warum er so gestaltet war. Die Kombination aus strukturierter Vereinfachung und schrittweiser Automatisierung ermöglichte nicht nur technische Effizienz, sondern auch organisationale Akzeptanz. So wurde der Monatsabschluss bei Porsche Holding nicht zum Vorzeigeprojekt einer symbolischen Digitalisierung, sondern zum realen Anwendungsfall für funktionale Transformation mit messbarer Wirkung in der Organisation.
Transformation heißt nicht Perfektion, sondern Fortschritt
Schmelzer stellte eine wichtige These auf: Transformation gelingt nicht durch Perfektion, sondern durch Fokussierung. Statt Energie auf die 15 % zu verwenden, die jede Änderung kritisch sehen, lohne es sich, die 85 % mitzunehmen, die bereit sind, Neues auszuprobieren und mitzutragen.
Diese Denkweise ist besonders im Controlling relevant, wo Genauigkeit oft über allem steht. Doch Schmelzer plädiert für eine pragmatische Haltung: Lieber mutig vereinfachen als ewig analysieren. Lieber lernen und anpassen als warten, bis alles perfekt ist.
Fazit: Vom Prozessdenken zur Transformationsfähigkeit
Andreas Schmelzer machte auf dem diesjährigen ManCon-Kongress deutlich: Wer Digitalisierung ernst meint, muss sich mit der Bindung an bestehende Prozesse auf unterschiedlichen Ebenen auseinandersetzen. Es reicht nicht, neue Tools einzuführen. Entscheidend ist, ob Teams bereit sind, loszulassen und neu zu denken.
Sein Appell: Daten entlasten nicht, wenn sie bestehende Komplexität digital konservieren. Automatisierung wirkt nur, wenn vorher aufgeräumt wurde. Die Porsche Holding GmbH zeigt mit ihrem strukturierten Ansatz, wie Digitalisierung zur echten Transformation wird, wenn Menschen mitgenommen, Prozesse hinterfragt und Verantwortung geteilt werden.