Für KMU ist die Cash-Situation angespannt

Die Corona-Krise hat viele KMU hart getroffen. Steve McNally, Vorsitzender des Global Board of Directors des IMA und CFO bei PTI, beschreibt im Interview, wie sich die Corona-Pandemie auf das Cashmanagement von KMU auswirkt.

Viele kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) wurden von der Covid-19-Krise hart getroffen. Wie ist die aktuelle Situation? Gibt es einen Weg zurück zur Normalität?

Steve McNally: Einige KMU entwickeln sich sehr positiv und profitieren sogar von der aktuellen Covid-Situation, die auch neue Möglichkeiten mit sich bringt. Andere KMU kämpfen wiederum mit der Situation und den vielen Herausforderungen. Und es gibt KMU, die von der Pandemie eiskalt erwischt wurden. Die vergangenen beiden Jahre waren - ohne Zweifel - für alle insgesamt schwierig. Insbesondere KMU können noch von keiner Normalität sprechen. Aber wann können wir heute überhaupt von Normalität sprechen? Innerhalb von zwei Jahren hat sich das Business komplett verändert.

Welche Veränderungen sind das?

Es hat viele tiefgreifende Veränderungen bei Prozessen ergeben. Außerdem arbeiten heute viele vom Homeoffice aus – und wollen dies auch (zumindest teilweise) beibehalten. Was wird also künftig als Normalität betrachtet werden? Covid wird uns weiterbegleiten. Ich rechne damit, dass Covid immer wieder auftauchen wird. Die Normalität, die wir vor der Pandemie noch kannten, wird es meiner Ansicht nach nie wieder geben.

Wir werden eine neue Normalität kennenlernen und neue Wege und Möglichkeiten finden, unser Business voranzutreiben."

Was bedeutet die Pandemie in diesem Zusammenhang für eine globale Wirtschaft?

Die Globalität bringt – auch für KMU – Folgen mit sich. Selbst wenn das Unternehmen in einem Land sitzt, dass momentan nicht sehr stark unter der Pandemie leidet: Wenn man Kunden hat, die gerade eine ganz andere Situation erleben und mit der Krise umgehen müssen, dann hat das auch Folgen für das eigene Unternehmen.

Im Zusammenhang mit globalen Risiken muss man vor allem die Lieferketten betrachten. Lieferkettenprobleme treffen auch KMU. Sie sind abhängig von ihren Lieferanten und müssen immer kreativer auf Probleme reagieren. Ich denke, das ist ein globales Risiko, das momentan alle beschäftigt.

Die anhaltenden Unsicherheiten durch Corona bringen viele Herausforderungen mit sich. Wie gehen wir mit unseren Angestellten um? Was, wenn Angestellte nicht geimpft werden wollen und in Quarantäne sind? Werden sie weiterbezahlt oder nicht? Sollten wir Homeoffice in Vollzeit dauerhaft anbieten oder nicht? Was ist mit Hybridmodellen? Und wie sollen diese dann aussehen? Das sind viele schwierige Fragen, mit denen sich Unternehmen aktuell auseinandersetzen.

Verschärft die Pandemie den Fachkräftemangel?

In den USA haben wir momentan Probleme, Fachkräfte zu finden – und zwar bei allen Positionen – egal ob Berufseinsteiger oder Experte. Eine weitere Herausforderung bringt "The Great Resignation". Es gab hier eine bemerkenswerte Entwicklung: Zu Beginn der Pandemie waren alle noch im eigenen Zuhause und praktisch im Stillstand. Doch jetzt sind viele Menschen bereit für etwas Neues, einen Wandel, eine neue Herausforderung. Sie orientieren sich beruflich um. Es sind also vielfältige Herausforderungen, mit denen KMU aktuell umgehen müssen.

Was sind aktuell die größten Herausforderungen oder Risiken für KMU?

KMU müssen das eigene Geschäftsmodell stabilisieren. Einige entwickelten sich zwar durchaus vielversprechend – aber selbst bei diesen KMU stellen sich schwierige Konflikte.

In meinem Unternehmen entstand die Situation, dass unsere Kunden wesentlich mehr Support benötigen als jemals zuvor. Um das zu ermöglichen, mussten wir Kapitalinvestitionen vornehmen und uns um die Finanzierung Gedanken machen. Allgemein gesprochen: KMU sind immer wieder mit Liquiditätsfragen gefordert.

Cash is the lifeblood of the company!"

Ohne Cash geht das Licht aus und alle können nach Hause gehen. Liquidität ist daher für KMU wohl die größte Herausforderung.

Hat sich die Cash-Situation für KMU generell verändert?

Schon vor Corona war die Cash-Situation immer angespannt für KMU. Zahlungsfähig zu bleiben und ein effektives Forderungsmanagement zu betreiben war bereits hier – auch in guten Zeiten - von großer Relevanz. Natürlich ist Liquidität auch für große Unternehmen existenziell. Aber für KMU hat das Thema meiner Ansicht nach noch einmal eine ganz andere Dringlichkeit. Das habe ich schon am ersten Tag meiner Tätigkeit bei PTI als CFO festgestellt. Wir haben bereits vor Corona angefangen, noch detailliertere Forecasting- und Cash-Management-Analysen zu erstellen. Und wir haben die Frequenz der Analysen deutlich erhöht. Auch während Corona haben wir diese Entwicklungen verstärkt, um besser reagieren zu können.

Einige unserer Kunden sind Großunternehmen. Sie gehen mit Cashmanagement offensichtlich anders um als wir. Wir hatten beispielsweise die Situation, dass einige dieser Kunden plötzlich darum baten, die Zahlungsbedingungen anzupassen. Es ging um Zahlungsfristen von 90 Tagen, 120 Tagen oder sogar mehr. Der Rekord war die Bitte zu einer Zahlungsfrist von 180 Tagen. Doch ein KMU ist nunmal keine Bank. Ein Teil meiner Arbeit ist es, Führungskräfte dieser Großunternehmen anzurufen und zu verdeutlichen, welche Brisanz Cash für ein KMU im Vergleich zu ihrem Unternehmen hat: "Wenn wir das tun, worum dein Unternehmen uns bittet, dann kann unser Unternehmen nicht überleben."

Wie reagieren die Großunternehmen auf diese Anrufe?

In den meisten Fällen mit viel Verständnis. Das wiederum zeigt mir: Beim Thema Cash gehört es auch dazu, proaktiv auf Kunden zuzugehen. Welche Zahlungsbedingungen auch immer vereinbart sind: Sobald nur ein Tag Zahlungsverzug entstanden ist, greifen wir zum Telefon und fragen nach: "Gibt es Schwierigkeiten?"

Sind KMU hier häufig weniger proaktiv?

In der Vergangenheit haben viele KMU wesentlich entspannter in diesem Bereich agiert. Das hat sich nun - auch durch Covid - geändert. Jetzt werden KMU gezwungen, das eigene Business und die Geschäftspraktiken genauer unter die Lupe zu nehmen. Auch Geschäftsbeziehungen werden neu durchdacht. Und das kann auch die Hausbank betreffen, die man seit Jahrzehnten als Partner hat. Auf einmal muss man noch einmal überdenken, wie man faire Bedingungen aushandeln kann. Die Ausgaben werden ebenfalls viel genauer geprüft – und zwar schon bei kleinen Beträgen.


Über Steve McNally:

Steve McNally, CMA, CPA, ist Vorsitzender des Global Board of Directors des IMA (Institute of Management Accountants) für das Finanzjahr 2021-2022. Er ist auch Vorsitzender des ständigen IMA-Governance-Ausschusses, des IMA Europe Board und des ICMA Board of Trustees. Darüber hinaus ist er Treuhänder des IMA Memorial Education Fund und des IMA Research Foundation Board of Trustees.

Steve McNally ist CFO, Treasurer und Geschäftsführer der Plastic Technologies Inc. (PTI) Unternehmensgruppe. Die PTI Group mit Sitz in Holland, Ohio, USA, beliefert nahezu alle großen Konsumgüterunternehmen und ist weltweit für nachhaltige Verpackungsinnovationen bekannt. Bevor er zur PTI Group kam, war er Finanzchef bei Campbell Soup Company's Napoleon & Flavor Operations.

Das Interview führte Sylvia Meier, Diplom-Finanzwirtin (FH), freie Autorin und Redakteurin.