Coronakrise - die Stunde der Controller

In der Krise sind die Kompetenzen der Controller gefragt. Deshalb können sie, so Prof. Dr. Utz Schäffer und Prof. Dr. Jürgen Weber, in dieser Situation ihre Bedeutung im Unternehmen weiter steigern. Dafür müssen sie aber ihre Prioritäten ändern und liebgewonnene Komfortzonen verlassen.

In der Krise sind die zentralen Kompetenzen der Controller gefragt.

Jede Krise birgt Chancen und Risiken und jede Krise produziert Gewinner und Verlierer. Gerade Controller haben das Potenzial, durch die Krise ihre Bedeutung im Unternehmen weiter zu steigern und so zu den Gewinnern zu zählen. Das war schon in der Finanz- und Wirtschaftskrise vor gut zehn Jahren so, das gilt auch heute. Pointiert formuliert: Wem es in einer solchen Situation nicht gelingt, als Business Partner auf Augenhöhe des Managements wahrgenommen zu werden, der schafft es nie!

Warum ist das so? Nun, in der Krise sind die zentralen Kompetenzen der Controller gefragt:

  • Im Reporting die Auswirkungen der Krise auf Ergebnis und Cash zeitnah zu berichten und Implikationen – (besonders) kritische Entwicklungen – aufzuzeigen.
  • Durch gutes Cash Management eine ausreichende Liquidität sicherzustellen.
  • Auf der Basis einer intimen Kenntnis der Kostenstrukturen Einsparpotenziale zu erkennen und die Investitionen zu identifizieren, die am ehesten auf die lange Bank geschoben werden können.
  • Nicht zuletzt: Den Fokus auf das Wesentliche sicherzustellen!

Und auch wenn bei dem aktuellen Handlungsdruck noch kaum jemand daran denkt, bietet sich in der Krise doch die Gelegenheit, beste­hende Instrumente zu stärken – z.B. nicht mehr zuzulassen, dass sie nur als Alibi zur Be­stätigung vorgefasster Meinungen verwendet werden – und neue Methoden einzuführen; ein systematisches Cash-Management mag ge­nauso dazu zählen wie Simulationen. Mit all dem kann der Controller in der Krise ein wert­voller Ratgeber des Managements und nicht zuletzt zentraler Bestandteil eines Krisenreak­tionsteams sein.

Abweichungsanalyse ade: Controller müssen die Prioritäten ändern

Aber Vorsicht, Controller können auch viel falsch machen: Wer in der aktuellen Situation weiter viel Zeit und Energie darauf verwendet, Ist-Zahlen mit dem längst obsoleten Forecast zu vergleichen, wird sich kaum als Business Part­ner in der Krise positionieren können. Im Krisen­gewitter gilt es im ersten Schritt, alte Planwerte und Forecasts schnell ad acta zu legen und mit möglichst aktuellen Istwerten auf Sicht zu steu­ern. Daneben wird es in der Regel Sinn machen, die Granularität von Bericht und Forecast in Fra­ge zu stellen und ggf. radikal zu reduzieren.

Und ein weiterer Punkt ist uns sehr wichtig: Controller sollten aktuell nicht nur auf die nega­tiven Entwicklungen und Probleme schauen, sondern auch die Chancen in der Krise iden­tifizieren und dafür Sorge tragen, dass Maß­nahmen ergriffen werden, um diese auch zu nutzen. Die gute Nachricht: Das scheint durch­aus zu passieren. So zeigt die aktuelle Blitzum­frage des WHU Controller Panels zum Thema Krise, dass ungefähr die Hälfte der befragten Controller und Finanzvorstände in der Krise auch eine Chance für ihr Unternehmen sieht.

Effektives Krisenmanagement erleichtert die Orientierung auf Chancen

Mit all dem können die Controller ihr Standing weiter verbessern. Damit muss es aber nicht getan sein. Auch in der Zeit nach Corona winkt eine große Chance für den Berufsstand. So wird die aktuelle Krise vermutlich die Bereit­schaft erhöhen, in die bessere Vorbereitung zu­künftiger Krisen zu investieren. Genau hier sind wieder Controller gefragt! Und wenn nicht, müssen sie dafür kämpfen, dass der Vorberei­tung auf zukünftige Krisen auch der gebühren­de Raum eingeräumt wird. Ein Befund aus der aktuellen Blitzumfrage des WHU Controller Panels bringt das Argument auf den Punkt: Unternehmen mit einem effektiven Krisenma­nagement sind gleichzeitig durch eine höhere Chancenorientierung in der Krise, aber eben auch durch eine bessere Vorbereitung auf die Krise charakterisiert. Eine Einsicht, die in den vielen fetten Jahren nicht gänzlich verloren ge­gangen ist, aber doch im Alltag regelmäßig zu kurz kam. Dabei können Controller gerade hier viel zur Party beitragen, etwa, wenn es darum geht, die Resilienz (Widerstandsfähigkeit) des Unternehmens zu erhöhen und die Balance aus kurzfristiger Effizienz, Flexibilität und digitaler Transformation neu auszutarieren.

Resilienz erfordert auch ein gutes Risikomanagement

Resilienz erfordert einen fitten Körper. Das darf aber nicht mit einer Maximierung der Effi­zienz oder – um im Bild zu bleiben – einer Mi­nimierung des Körpergewichts verwechselt werden. Nein, es gilt das rechte Maß zu finden und sicherzustellen, dass genügend Puffer („slack“) vorhanden sind, um auch mal eine Durststrecke ohne fremde Hilfe zu überstehen. Lieferketten und Produktionsstrukturen müs­sen durch den Aufbau paralleler Strukturen den Ausfall einzelner Elemente verkraften kön­nen, auch wenn dies zu Lasten von kurzfristi­ger Effizienz geht. Es kann nicht sein, dass ein Unternehmen auf Gedeih und Verderb auf ein­zelne Lieferanten oder Produktionsstätten an­gewiesen ist. Was aber kostet das? Wieviel Parallelstruktur, wieviel Sicherheitslager kann ich mir leisten? Genau hier ist wieder der Con­troller mit seinen Analysen gefragt!

Gerade das Management von strategischen Risiken wird vielfach vernachlässigt.

Resilienz erfordert neben einem angemesse­nen Puffer und struktureller Flexibilität in Pro­duktion und Lieferkette aber auch ein gutes Risikomanagement. Viel zu häufig ist dieses auf das Reporting von Risiken und die Compli­ance, also die Einhaltung von Regeln reduziert. Viel zu häufig wird es eher als Pflichtübung und Papiertiger verstanden, das gerne auch an Risikomanager delegiert wird und nur eingeschränkt die Aufmerksamkeit des obersten Managements genießt. Gerade das Management von strategischen Risiken, also Risiken, die sich unmittelbar aus der Umsetzung des Geschäftsmodells ergeben, wird vielfach vernachlässigt. Die Vorbereitung auf externe Schocks wie Corona und die damit verbundenen systemischen Risiken allemal. Auch hier könnten Controller mit ihrer Expertise viel beitragen, etwa indem sie sicherstellen, dass Szenario-Analysen und Stresstests, die diesen Namen auch verdienen, ausreichender Raum gegeben wird.

Notfallpläne für unwahrscheinliche Konstellationen und Systembrüche trainieren

Dazu wird es im ersten Schritt häufig erforderlich sein, mit einem falschen Verständnis sol­cher Analysen aufzuräumen. Es geht nämlich nicht darum zu prognostizieren, was genau in Zukunft passieren und deshalb zu tun sein wird. Es geht auch nicht darum, eine anstehende unternehmerische Entscheidung durch die ergänzende Betrachtung von Best und Worst Cases abzusichern. Vielmehr muss es das Ziel der Übung sein, den Umgang mit unwahr­scheinlichen Konstellationen bzw. Systembrü­chen und das erforderliche Aufstellen von Notfallplänen zu trainieren. Das Management soll lernen, scheinbar selbstverständliche Zusammenhänge bewusst in Frage zu stellen und die Illusion der Sicherheit zu überwinden, die von Plan- und Prognosewerten regelmäßig vermit­telt wird. Keine ganz einfache Aufgabe und auch für viele Controller mag der Umgang mit solchen strategischen Themen eher Neuland sein. Eine Chance für den Controller als Business Partner liegt hier aber allemal.

Transparenz, Zielorientierung und individuelle Verantwortung sind unverzichtbare Kulturbestandteile

Und vielleicht noch ein letzter Aspekt: Resili­enz erfordert Puffer, Flexibilität in Produktion und Lieferkette, Früherkennung und Risiko­management. Dabei gilt es aber nicht aus dem Auge zu verlieren, dass auch die Flexibilität im Management und im Zusammenspiel von Management und Controlling essenziell ist. Ohne eine Kultur, die Transparenz und offenen Informationsaustausch, Zielorientierung und individuelle Verantwortung sowie nicht zuletzt die Kraft des besseren Arguments in den Mittelpunkt stellt, wird es nicht gehen. Ohne die richtige Kultur wird jeder Versuch, die Flexibilität einer Organisation auf Dauer zu erhöhen, am Ende scheitern. Und genau hier sind Controller in der Krisenprävention gefordert, eine solche Kultur, die ihnen geradezu auf den Leib geschneidert ist – oder sein sollte – vorzuleben. Mit freundlicher Penetranz. Jeden Tag.

Dieser Artikel ist eine Vorabveröffentlichung aus dem Controller Magazin 3/2020, das Anfang Mai erscheint.

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