Kitas: Ist mangelnder Arbeitsschutz schuld am hohen Krankenstand?

Multi-Tasking, ein konstant hoher Lärmpegel, Konflikte mit den Eltern, neue Aufgabenfelder und hohe physische Belastungen führen zu immer mehr Stress bei Erzieherinnen und Erziehern in Kindertagesstätten (Kitas). Liegt die hohe Krankenquote bei den Beschäftigten auch an mangelndem Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Einrichtungen?

Eine Studie der Techniker Krankenkasse aus dem Jahr 2015 fand heraus, dass Kita-Mitarbeiter häufiger krank sind als andere Arbeitnehmer. Damals war diese Berufsgruppe vier Tage im Jahr mehr krankgeschrieben als der Bundesdurchschnitt. Die 18,9 Fehltage pro Kopf resultieren laut der TK-Studie vor allem aus psychischen Störungen und Krankheiten des Atmungssystems. Wie ist es um den Arbeits- und Gesundheitsschutz in Kitas bestellt? Ein Forschungsprojekt hat hierzu im vergangenen Jahr erste Hinweise geliefert.

Sicherheitstechnische Betreuung in Kitas als Regelbetreuung

Die betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung erfolgt bei zwei Dritteln der Kitas als Regelbetreuung. In über 85 dieser Kitas werden sowohl Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Sifa) als auch Betriebsärzte schriftlich beauftragt (Kitas unter 10 Beschäftigte) oder bestellt (Betriebe mit mehr als 10 Beschäftigten).

Die Einsatzzeiten für die Grundbetreuung sowie für zusätzliche Aufgaben im Rahmen der betriebsspezifischen Betreuung durch Sifa und Betriebsärzte werden in Kitas unter zehn Beschäftigten in rund 50 Prozent der Kitas ermittelt. Bei Kitas mit weniger als zehn Beschäftigten werden Sifa und Betriebsärzte auch bei besonderen Anlässen, beispielsweise zur Einführung neuer Arbeitsverfahren, beteiligt. Sifa sind in diesen Kitas in den meisten Fällen auch für die Erstellung und Aktualisierung von Gefährdungsbeurteilungen mitverantwortlich, Betriebsärzte dagegen nur in Ausnahmefällen.

Sicherheitsbeauftragte in Kitas

Für Kitas mit mindestens 20 Personen, wobei Kinder laut Arbeitsschutzgesetz mitgezählt werden müssen, ist die schriftliche Benennung eines Sicherheitsbeauftragten erforderlich. In 87 Prozent der Kitas ist tatsächlich auch eine fachlich kompetente Person als Sicherheitsbeauftragte/-er bestellt, wenn auch nur in 67 Prozent der Fälle schriftlich. Die Sicherheitsbeauftragten sind in 69 Prozent der Fälle „immer“ und in 20 Prozent „meistens“ an Arbeitsschutzthemen beteiligt.

Gefährdungsbeurteilungen in Kitas

In insgesamt 93 Prozent der Kitas werden Gefährdungsbeurteilungen durchgeführt, in fast 76 Prozent „vollständig“ oder „überwiegend“. In rund 50 Prozent dieser Betriebe werden diese auch regelmäßig für alle Bereiche durchgeführt und schriftlich dokumentiert. Die Umsetzung der im Rahmen der Gefährdungsbeurteilungen geplanten Maßnahmen erfolgt in rund 75 Prozent „immer“ oder „meistens“.

Arbeitsmedizinische Vorsorge in Kitas

Nahezu immer (95,8 Prozent) ist die arbeitsmedizinische Vorsorge organisiert, d. h. Zuständigkeiten, Definition des Personenkreises, des Anlasses, der Intervalle, der Information von Beschäftigten sowie der Durchführung und Kontrolle sind klar definiert. Sofern sie organisiert ist, erfolgt eine Pflichtvorsorge in rund 77 von 111 Kitas „regelmäßig“, in 13,5 Prozent „unregelmäßig“ und in 10 Prozent „nie“. In 88 Prozent der Kitas, in der sie organisiert ist, dürfen nur solche Beschäftigte „risikoreichen Tätigkeiten“ übernehmen, die zuvor den betriebsärztlichen Vorsorgetermin wahrgenommen haben. In 74 Prozent dieser Kitas werden die Beschäftigten über die Möglichkeit einer Angebotsvorsorge informiert.

Kitas mit Arbeitsschutzmanagementsystemen und Arbeitsschutzausschüssen

In 8,5 Prozent der befragten Kitas gibt es bereits ein Arbeitsschutzmanagementsystem. Weitere zehn Prozent der Informanten gaben an, dass ein solches System in Zukunft im Betrieb umgesetzt werden soll. Einen Arbeitsschutzausschuss (ASA) gibt es in 59 Prozent aller Betriebe, überraschenderweise aber nicht in zehn der 17 größten Kitas mit mehr als 20 Beschäftigten. Rund die Hälfte der Befragten gab an, dass sich ihre ASA mindestens vierteljährlich trifft, in den anderen Betrieben fanden die ASA-Treffen weniger häufig statt.

Studie „Organisation und Umsetzung des Arbeitsschutzes in Kitas“

Die Forscher fassen zusammen, dass im Vergleich zu kleinen und mittleren Unternehmen anderer Branchen die Ergebnisse recht positiv ausfallen – mit der Organisation des Arbeits- und Gesundheitsschutzes lässt sich der hohe Krankenstand in den Kitas somit nicht erklären. Das Forschungsteam betont allerdings, dass auch in den befragten Kitas noch nicht alle rechtlichen Arbeitsschutzvorgaben tatsächlich umgesetzt sind und erkennen daher noch „Entwicklungsmöglichkeiten“. Gleichzeitig weisen sie auf die Limitationen des Studiendesigns hin. Die Umfragen wurde fast ausschließlich in Kitas mit kirchlicher Trägerschaft durchgeführt und dabei wurde nur Leitungspersonal befragt. Es sei daher nicht auszuschließen, dass sich die Situation in nicht-kirchlichen Kitas weniger positiv darstellt und/oder dass Beschäftigte unterhalb der Leitungsebene oder Arbeitsschutz-Fachleute wie Sifas die Lage weniger günstig einschätzen.

Die Forscher der Freiburger Forschungsstelle Arbeits- und Sozialmedizin und des Gesamtbereichs Präventionsdienste der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) ließen deutschlandweit die Leitungen von 120 BGW-Mitgliedsbetrieben befragen. Die zufällige Auswahl von 120 Kitas mit mehrheitlich kirchlichen Trägern in ganz Deutschland erfolgte durch die BGW, wobei katholische und evangelische Kitas gleich stark vertreten waren.

Quelle: M. Michaelis, U. Stößel, F. Bieler, H. Schambortski, A. Nienhaus: Organisation und Umsetzung des Arbeitsschutzes in Kitas, in: Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie, 2022, 72:99–106.