Climate Governance 2023: Großer Aufbruch mit Luft nach oben?
Der Klimaschutz erfasst alle Bereiche der deutschen Wirtschaft. Auch mittelständische Unternehmen ergreifen konkrete Maßnahmen, um ihre CO2-Bilanz zu verbessern. Klare Defizite zeigen die Mittelständler hingegen in den Bereichen Strategie, Unternehmensführung, Expertise, Berichterstattung und Emissionsüberwachung. Zu diesem Fazit kommt die Studie „Climate Governance 2023“: Im Auftrag der Leuphana Universität Lüneburg und der Unternehmensberatung FTI-Andersch befragte Forsa im Herbst 2022 die Verantwortlichen für klimaorientierte Unternehmensführung in 152 deutschen mittelständischen Unternehmen der Produktion, des Handels und der Dienstleistungsbranche. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick.
Ja zur CO2-Reduktion. Nein zur Klimaneutralität.
Mittelständische Unternehmen arbeiten an einer Vielzahl von Maßnahmen zur Senkung des CO2-Ausstoßes. Fast 80 Prozent der Unternehmen wollen einzelne Prozesse anpassen. Die Neugestaltung von Kernprozessen planen nur 55 Prozent der Unternehmen. Deutlich wird aber auch Folgendes: 72 Prozent der Unternehmen wollen CO2-Emissionen reduzieren, nur 28 Prozent wollen vollständige Klimaneutralität erreichen.
Welche konkreten Maßnahmen ergreifen die befragten Unternehmen, um der Klimakrise zu begegnen? 83 Prozent wollen regenerative Energieträger nutzen, 71 Prozent arbeiten an der energetischen Sanierung ihrer Gebäude. Die Klimaauswirkungen ihrer Investitionen prüfen 79 Prozent. Unter den produzierenden Unternehmen entwickeln 63 Prozent schadstoff- und treibstoffärmere Produktionsverfahren.
Es ist schwierig: Emissionsüberwachung und Nachhaltigkeits-Reporting
Auch wenn eine Klimastrategie vorhanden ist, überwacht jedes vierte Unternehmen die eigenen Emissionen nur unregelmäßig. 78 Prozent der Unternehmen mit dem Ziel CO2-Neutralität tun das regelmäßig. Bei den Unternehmen, die CO2-Reduktion anstreben, sind es nur 65 Prozent. Und wie steht es um die Reichweite der überwachten Emissionen? Während 82 Prozent der Befragten direkte Emissionen (Scope 1) überwachen, schauen nur 43 Prozent auf indirekte Emissionen (Scope 2). Die indirekten Emissionen der gesamten Wertschöpfungskette (Scope 3) überblicken mit 22 Prozent nur wenige Unternehmen.
Im Zuge der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) wird die Zahl der Nachhaltigkeitsberichte rasant zunehmen. Bislang verfügen 40 Prozent der befragten Unternehmen über eine klimabezogene Nachhaltigkeitsberichterstattung. Zwar nimmt mehr als ein Drittel (38 Prozent) die Berichterstattung ins Visier, dennoch haben 22 Prozent der Befragten auch in absehbarer Zeit nichts dergleichen vor. Immerhin die Hälfte der Unternehmen (51 Prozent) mit Fokus auf CO2-Neutralität berichten zu Nachhaltigkeitsaspekten. Unter den Unternehmen mit Fokus auf CO2-Reduktion tun das nur 43 Prozent.
Nachhaltigkeit im Unternehmen: Strategie, Expertise, Governance
Der Umgang mit den Klimafolgen ist in Zukunft eine strategische Frage. Doch weniger als jedes zweite Unternehmen (40 Prozent) hat bisher eine spezifische Strategie ausformuliert – wenigstens 52 Prozent arbeiten daran. Während nur 11 Prozent die Klimastrategie als Basis für ihre Geschäftsstrategie nutzen wollen, ist sie immerhin für 56 Prozent ein wichtiger Bestandteil der gesamten Unternehmensstrategie. Strukturen klimabezogener Unternehmensführung haben 95 Prozent der Befragten etabliert.
Nach eigener Einschätzung ist nur bei 52 % der befragten Unternehmen Klimaexpertise mindestens in ausreichendem Umfang vorhanden. Zwar haben zwei Drittel (63 Prozent) eine Stabstelle auf oberster Führungsebene geschaffen, doch 41 Prozent siedeln das Thema mindestens eine Ebene darunter im mittleren Management an. Lediglich 7 Prozent der Befragten knüpfen die variable Vergütung für die Unternehmensführung sowie für Führungskräfte an Klimaziele – 73 Prozent haben das gar nicht erst vor. Erst 19 Prozent der Befragten verfügen über einen Nachhaltigkeitsausschuss im Aufsichtsgremium. Ein anderes Bild ergibt sich aus einer aktuellen Analyse der Aufsichtsräte in DAX-Unternehmen.
Wissenschaftlich begleitet wurde die Studie von Prof. Dr. Patrick Velte, der die Professur für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Accounting, Auditing und Corporate Governance, an der Leuphana Universität Lüneburg leitet. Über die Ergebnisse sagt der Forscher: „Eine erfolgreiche Klimatransformation muss auch eine Anpassung des Geschäftsmodells und der damit einhergehenden Produkte und Dienstleistungen nach sich ziehen. Im anderen Fall bestehen die Risiken einer symbolischen klimabezogenen Unternehmenskommunikation, einer verfehlten Klimaneutralität bis 2045 und der Nichterreichung des 1,5-Grad-Ziels.“
Die gesamte Studie können Sie hier nachlesen:
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