Personal-Aspekte des Nachhaltigkeitsberichts in Unternehmen

Neben dem „klassischen“ Unternehmensbericht, für den im Regelfall die Finance-Abteilung zuständig ist, gibt es auch einen nichtfinanziellen Teil des Unternehmensberichts. Dieser wird häufig als „Nachhaltigkeitsbericht“ bezeichnet und beschreibt die Wirkung des Geschäftsmodells auf Umwelt, Belegschaft und Gesellschaft.

Der nichtfinanzielle Bericht dient einem besseren Verständnis, was das Unternehmen „ausmacht“, was es von anderen unterscheidet. Die Einzigartigkeit und die Besonderheit sollen zum Ausdruck kommen. Umwelt, Einhaltung von Standards, Befolgung von internationalen Normen und Gepflogenheiten, die Beschreibung des Compliance-Systems und die Engmaschigkeit des Kontrollnetzes, all das ist ein notwendiges, aber doch textlastiges Kapitel.

Personalpolitik als Teil des Nachhaltigkeitsberichts

Diese Formulierungspflicht ist eine Einladung, in diesem Kontext auch die Personalpolitik darzustellen und als Differenzierungsmerkmal zu beleuchten: Welchen Beitrag liefert die Personalarbeit des Unternehmens zu seiner Nachhaltigkeit? Wie ist der Umsetzungsgrad der Vorgaben zur Gleichstellung, wie zum Verbot der Benachteiligung zur sozialen Verantwortung?
Dennoch ist der Leserkreis beschränkt: Außer Analysten und Investoren dürfte kaum ein aufmerksamer Leser dieser meist schweren Kost zu finden sein. Interessant wäre, einmal empirisch zu untersuchen, ob im Recruiting oder auch bei Analysten und Aktionären diese Unternehmensinformationen überhaupt Beachtung und Aufmerksamkeit finden. Welche Bewerberin, welcher Bewerber hat sich anhand dieser Darstellungen über den potenziellen Arbeitgeber informiert oder seine Bewerbungsentscheidung danach ausgerichtet? Welcher Aktionär hat vor Besuch der Hauptversammlung den Geschäftsbericht einschließlich dieses Teils aufmerksam durchgearbeitet?

Aber die eingangs genannten Zahlen zum wachsenden Umfang dieser Berichte lassen den Schluss zu, dass die Bedeutung zunehmen wird, dass die Granularität steigen und damit eine intensive Bearbeitung dieser Kapitel mehr und mehr relevant werden wird. Eine „integrierte Berichterstattung“ mit dem Ziel, die Elemente des Lageberichts, des Risikoberichts, der Beschreibung der Governance und des Geschäftsmodells, den Nachhaltigkeitsbericht und die nichtfinanzielle Erklärung zu bündeln und zu harmonisieren, wird sicherlich stetig wichtiger.
Die meisten Unternehmen orientieren sich dabei an sogenannten ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance), die sich als Standard zur Clusterung der Angaben über Nachhaltigkeit durchgesetzt haben.

ESG-Kriterien

ESG steht für drei nachhaltigkeitsbezogene Aspekte:

  • Environment steht für alle Umweltaspekte wie Umweltverschmutzung, Treibhausgasemissionen oder Energieeffizienzthemen.
  • Social beschreibt die Aspekte zu den Sozialthemen wie Vergütungsgerechtigkeit, Arbeits- und Gesundheitsschutz oder Diversity.
  • Governance definiert die Anforderungen an eine nachhaltige Unternehmensführung.

Der Gesetzgeber hat 2017 mit dem Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren zwingend vorgeschriebenen Lageberichten (CSR-Stärkungsgesetz) die §§ 289b ff. in das HGB eingefügt. Damit müssen Unternehmen nach § 242 HGB am Ende des Geschäftsjahres eine Bilanz aufstellen. Nach § 264 HGB muss eine Kapitalgesellschaft diese Bilanz um einen Lagebericht ergänzen. Dessen Inhalte wiederum schreibt § 289 HGB vor, der mit dem CSR-Stärkungsgesetz um Erklärungen zur Nachhaltigkeit und zur Unternehmensführung ergänzt wurde. Vermehrt wird die Bezeichnung „Nachhaltigkeitsbericht“ selbstständig geführt und dieser zunehmend auch separat publiziert.

Der Nachhaltigkeitsbericht als Kommunikationsanlass

Der Nachhaltigkeitsbericht ist relativ jung, findet aber zunehmend Beachtung, weil hier für Unternehmen die Möglichkeit besteht, das eigene Geschäftsmodell und die Beachtung der Nachhaltigkeit für interessierte Dritte darzustellen. Das erklärt die Zunahme der Berichte und auch der Berichtsumfänge.

Die Deutsche Bahn hat aus dem Nachhaltigkeitsbericht z. B. sogar eine „grüne“ Kampagne  gemacht und listet über 150 „grüne“ Maßnahmen für den Klima-, Natur- und Ressourcenschutz auf. Dabei ist die Nähe zur politischen Farbgebung im Parteienspektrum Deutschlands sicherlich nicht unproblematisch. Als internationaler Anbieter von Mobilitäts- und Logistikdienstleistungen sieht sich die Bahn sogar als „Schlüssel der Mobilitätswende“.71 Die Schwelle zwischen Nachhaltigkeitsberichterstattung und Marketing ist generell fließend geworden, mancher stolpert dann auch.

Auch die BASF hat einen „Integrierten Unternehmensbericht“  und fasst die einzelnen Aspekte zusammen. Die beschriebene Version hat immerhin mehr als 300 Seiten. Das Kapitel „Verantwortungsvolles Handeln entlang der Wertschöpfungskette“ beschreibt (auf immerhin 24 Seiten) die Nachhaltigkeitsthemen. Die Beschreibung von Verhaltenskodex, Verwendung nachwachender Rohstoffe und mit der Bezeichnung „Responsible-Care-Management-System“ werden Umweltstandards und Gesundheitsschutz beschrieben. Das Responsible-Care-Management-System von BASF nach ISO 19011 umfasst die globalen Richtlinien, Standards und Prozesse zu Sicherheit, Gesundheits- und Umweltschutz für verschiedene Stufen entlang der Wertschöpfungskette. Im Jahr 2019 gab es in der BASF-Gruppe 137 Audits zu Umwelt und Sicherheit an 90 Standorten (vgl. BASF Geschäftsbericht 2019, S. 108).

Die Deutsche Lufthansa wendet 138 Seiten auf, um mit der Überschrift „Balance“ den separaten, vom Konzernbericht getrennt veröffentlichten Nachhaltigkeitsbericht 2019 (über den eigentlichen Geschäftsbericht hinaus) zu veröffentlichen und die Umweltbilanz offenzulegen. In dieser Seitenstärke war früher allenfalls das Telefonbuch von Castrop-Rauxel unterwegs.

Der Umfang des Nachhaltigkeitsberichts

Zunehmend binden die Unternehmen den formell notwendigen nichtfinanziellen Bericht und den Nachhaltigkeitsbericht zu einem integrierten Bericht, zumal sich die Themenbereiche berühren und die formale gesetzliche Vorgabe nicht ausschließt, dass diese Berichte zusammengefasst und redaktionell aufbereitet werden.

Abb. 1: Steigerung der Seitenzahl des Nachhaltigkeitsberichts der Daimler AG (eigene Darstellung)


Wie auch in vielen anderen Fällen hat der Gesetzgeber dafür gesorgt, dass die Seitenzahl zunimmt, dass ganze Stäbe sich die Finger wund schreiben, um das Thema „Nachhaltigkeit“ in den Geschäftsbericht zu zimmern. Weil sie es müssen, weil die Nachhaltigkeit Einzug in die Berichtspflicht börsennotierter Unternehmen finden musste. Vorschrift ist Vorgabe, und so werden sicherlich die formell notwendigen nichtfinanziellen Berichte weiter ergänzt: vom Umweltschutz bis zur Einhaltung des Verbots von Kinderarbeit – quer durch alle Dimensionen nachhaltiger Ansätze.

Wobei es eigentlich schon diskrepant ist, dass ausgerechnet Wirtschaftsunternehmen aus Anlass der Vorlage der (Finanz-)Zahlen gezwungen werden, sich zu nichtfinanziellen Themen zu äußern. Doch so können die harten Finanzfakten um die Beschreibungen der nachhaltigen Entwicklung ergänzt werden.
 

Abb. 2: Gliederung und Inhaltsangabe des Nachhaltigkeitsberichts 2020 der Daimler AG

Der Bericht als Anlass für organisatorische Veränderung?

Die Unternehmenspraxis geht mittlerweile über das Verfassen von Nachhaltigkeitsberichten hinaus und beginnt zum Teil, die Unternehmensführung organisatorisch zu verändern. Die Deutsche Lufthansa benennt als ihr oberstes Kontrollgremium im Bereich der nachhaltigen Unternehmensführung den Aufsichtsrat. Diesem berichtet der Vorstand. Zum 1. Januar 2020 wurde der Vorstand der Deutschen Lufthansa AG um das Ressort Customer & Corporate Responsibility erweitert. Damit ist die Verantwortung für Umwelt, Klima und Gesellschaft direkt auf Vorstandsebene in einem eigenen Geschäftsbereich etabliert. Neben Finanzvorstand, Technikvorstand, Produktionsvorstand und Personalvorstand ist damit auch die Nachhaltigkeit als eigenes Ressort sichtbar geworden und hat in der Geschäftsverteilung offiziell Platz am Vorstandtisch genommen.

Die Umsetzung von Nachhaltigkeit in der operativen Praxis führt damit auch zu strukturellen und organisatorischen Fragestellungen. Die Implementierung eines Compliance-Systems muss zwangsläufig dieses Regelwerk aus Befugnissen und Organisationsmacht beantworten. Nicht zu reagieren, würde gar die Gefahr eines Organisationsverschuldens nach sich ziehen. Es geht beim Nachhaltigkeitsbericht also nicht nur um „schmückendes Beiwerk“, um den „Prosa-Preis“ für die ausführlichste Schilderung der guten Absichten, sondern darüber hinaus um die handfeste Änderung des Geschäftsmodells und dessen Verankerung in der Organisation. Erst dann, wenn Compliance und Nachhaltigkeit auch strukturell zu spüren sind, kann Veränderung Wirklichkeit werden. Dabei ist Nachhaltigkeit nie ein Geschäftszweck an sich, sie basiert immer auf der Überprüfung des eigenen Geschäftsmodells anhand der Nachhaltigkeitskriterien, die Einordnung des eigenen Tuns in die Belange der Gesellschaft und Umwelt.

Nachhaltigkeit hat daher immer auch eine strategische Relevanz für das Unternehmen. Es genügt nicht, im Nachhaltigkeitsbericht Zahlen zu aggregieren und Fakten zu schildern, in hohen oder höchsten Tönen das Gut-Sein zu preisen. Es geht um die Frage: Was heißt nachhaltiges Handeln für das Zukunftsmodell, für die Geschäfte von morgen? Nachhaltigkeit weist immer über den Tag hinaus und legt das Fundament, auf dem die zukünftigen Prozesse aufsetzen müssen.


Das Betrachten der eigenen Bemühungen für mehr Nachhaltigkeit führt zur Überprüfung des Geschäftsmodells für die Zukunft.


Es lässt sich feststellen, dass der Gesetzgeber mit der Einführung der Pflichten für den nichtfinanziellen Teil und dem Lagebericht das Blickfeld der Berichterstattung erweitern wollte. Neben dem Lagebericht sind die Unternehmen verpflichtet, Auskunft über ihre wirtschaftliche Situation, aber auch über ihren CSR-Beitrag als Teil der Gesellschaft zu geben. Es ist nicht egal, ob Sozialstandards eingehalten werden, es ist im Hinblick auf eine gute Ertragssituation nicht zu vernachlässigen, ob etwa die Kernarbeitsnormen der ILO Anwendung finden oder nicht. Daher haben diese Berichte Relevanz und sind bewusst als gesetzliche Verpflichtung gefasst worden.


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Dieser Artikel ist ein Ausschnitt aus dem Buch Nachhaltigkeit und HR, das 2021 bei Haufe erschienen ist. Hier geht es zum Buch.