Dipl.-Kffr. Andrea Kämmler-Burrak, Dr. Mathias Onischka
Zusammenfassung
Unternehmen sollten die Komplexität der CSRD/ESRS ernst nehmen und sich frühzeitig und kritisch mit der Frage auseinander setzen, ob und in welchem Umfang sie künftig von den Berichtspflichten der CSRD betroffen sind. Um die Implementierung der erforderlichen Prozesse und Systeme vorzubereiten, ist es hilfreich, zunächst ein entsprechendes Zielbild zu erarbeiten. Der vorliegende Beitrag beschreibt ein pragmatisches Vorgehen in 4 Schritten, das bei der MVV Energie erfolgreich umgesetzt wurde: Klärung von Grundsatzfragen, Analyse wesentlicher Aspekte, GAP-Analyse und Erstellung der Offenlegungsanforderungsprofile sowie Ableitung des Zielbildes.
1 Nachhaltigkeitspflichten nehmen 2023 weiter Fahrt auf
Nachhaltigkeit steht ganz oben auf der Agenda von Unternehmen und Regulatoren. Die meisten größeren Unternehmen können sich daher aktuell nicht über Langeweile im Kontext ESG beklagen. Sie müssen sich mit Nachhaltigkeitsaspekten strategisch auseinander setzen, sich mit ändernden ESG-Vorschriften befassen, Compliance sicherstellen und sollten gleichzeitig auch Chancen und Opportunitäten im ESG-Umfeld aktiv nutzen. Sie sind mehr denn je angehalten Nachhaltigkeitsaspekte konsequent und systematisch in ihre Strategien und Geschäftsmodelle und letztlich in ihre Governance-Strukturen und die Unternehmenssteuerung zu integrieren.
Aktuell werden mit den neuen Anforderungen zur Lieferkette (LkSG) oder der EU-Taxonomie viele Unternehmensressourcen gebunden. Mitten in dieser Umsetzungsphase kommt nun auch noch die Corporate Social Responsibility Directive (CSRD) aus Brüssel, die in Umfang und Komplexität die bisherigen Anforderungen nochmal deutlich übertrifft. Und damit ist noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht – ist doch schon die CSDDD, das neue EU-Lieferkettengesetz, bereits in Sicht, das auch in 2023 in Kraft treten soll.
2 Neue Ära der Nachhaltigkeitsberichterstattung
Angesichts der neuen regulativen Anforderungen verändert sich der Charakter von unternehmerischer Nachhaltigkeit und wir betreten eine neue Ära der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Die Zeiten, in denen Nachhaltigkeitsberichte mehr Marketingbroschüren glichen und von vielen Freiräumen, Wahlrechten und wenig Verbindlichkeit geprägt waren, sind vorbei. Mit der CSRD und den mit ihnen verbundenen einheitlichen europäischen Reporting Standards – den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) – wird der Weg der Freiwilligkeit aufgegeben und ein hohes Maß an Harmonisierung, Standardisierung und Transparenz von Unternehmen angestoßen. Dabei besteht das politische Fernziel darin, dass finanzielle und nichtfinanzielle Informationen gleichgewichtig behandelt werden – und somit ein Gesetz gewordener Stakeholder-Value-Ansatz im externen Berichtswesen und der Unternehmenssteuerung verankert wird. Nichtfinanzielle Informationen erhalten den gleichen Stellenwert wie Finanzinformationen und unterliegen künftig ähnlichen Anforderungen hinsichtlich der Berichtsqualität, Verlässlichkeit und Auffindbarkeit.
3 Fehlende Praxiserfahrungen und Best-Practices-Verfahren
Wie schon bei der EU-Taxonomie gibt es auch bei der CSRD keine echte Praxiserfahrung, da der Gesetzgebung keine echten Pilotphasen vorgeschaltet wurden. Insoweit gibt es mit Blick auf die Implementierung auch noch keine Good-Practice-Beispiele, an denen sich orientiert werden kann. Angesichts der Fülle an neuen Themen, Prozessanforderungen sowie neuer quantitativer Datenpunkte sehen sich betroffenen Unternehmen zahlreichen Fragen gegenüber, die beantwortet werden müssen:
- Wo und wie fangen wir an?
- Wie identifizieren wir die für uns wesentlichen Inhalte?
- Wie nähern wir uns den inhaltlichen Anforderungen?
- Welche der Inhalte sind für uns relevant und wie können wir diese erfüllen?
- Und wie sollte der Implementierungsprozess in Vorbereitung auf die Umsetzung der CSRD aussehen?
Der nachfolgende Vorschlag skizziert ein von Praktikern der MVV Energie AG iterativ entwickeltes und von Horváth begleitetes Vorgehen entlang der ESRS, das Hilfestellung zur Umsetzung der CSRD geben soll. Dabei wurde das Ziel verfolgt, Handlungsspielräume zu identifizieren und dahingehend zu gestalten, den Implementierungsaufwand möglichst gering bzw. angemessen und "verdaubar" für die Organisation zu halten. Das erarbeitete Vorgehen zeigt eine praxiserprobte Möglichkeit auf, wie das Thema CSRD im Unternehmen konkret angegangen und strukturiert werden kann, und soll anderen Unternehmen Hilfestellung zur Umsetzung der CSRD geben.
4 Determinanten des Umsetzungsaufwands
4.1 Eigene Startposition
Die Umsetzung und der Umsetzungsaufwand für die CSRD hängt selbstverständlich zunächst von der eigenen Startposition ab, d. h. davon, ob das betroffene Unternehmen bereits den Anforderungen der NFRD unterliegt bzw. bereits einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht oder erstmalig einen Nachhaltigkeitsbericht erstellt. Große kapitalmarktorientierte Unternehmen berichten bereits seit 2017 nach den Vorgaben der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) – der derzeitig geltenden Vorgängerrichtlinie der CSRD – und auch andere Unternehmen veröffentlichen seit einigen Jahren aufgrund steigender Stakeholder-Erwartungen freiwillige Nachhaltigkeitsberichte in Anlehnung an ve...