Rückgängigmachung eines IAB wegen unterbliebener Hinzurechnung

Ein Investitionsabzugsbetrag kann nachträglich im Jahr seines Abzugs rückgängig gemacht werden, wenn im späteren Jahr der Investition zwar der Abzug von 40 % der Anschaffungskosten vorgenommen wurde, nicht aber der in einem Vorjahr abgezogene Investitionsabzugsbetrag außerbilanziell hinzugerechnet wurde, und das FA auf dieser Grundlage den – nicht mehr änderbaren – Steuerbescheid für das Jahr der Investition erlassen hat.

Hintergrund: Anschaffung der Wirtschaftsgüter ohne gewinnerhöhende Auflösung des IAB

X machte in seiner Gewinnermittlung für das Streitjahr 2008 einen außerbilanziellen Investitionsabzugsbetrag (IAB) von 12.491 EUR geltend, ohne die anzuschaffenden/herzustellenden WG und die voraussichtlichen AK/HK anzugeben. Das FA veranlagte erklärungsgemäß.

In 2009 erwarb X einen PKW, ein Aquarium und einen Drucker und minderte die AK innerbilanziell um jeweils 40% (§ 7g Abs. 2 Satz 2 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 v. 14.08.2007, BStBl I 2008, 630), was in der Summe dem in 2008 geltend gemachten IAB entsprach. Die in § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG vorgesehene außerbilanzielle Hinzurechnung des IAB unterblieb. Das FA veranlagte auch für 2009 erklärungsgemäß und ohne Vorbehalt der Nachprüfung. Die Bescheide wurden bestandskräftig.

Nachdem das FA den Fehler bemerkt hatte, erließ es geänderte ESt- und GewSt-Messbescheide 2008, in denen es den Gewinn um 12.491 EUR erhöhte. Die Änderungsbescheide waren auf § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG bzw. § 35b Abs. 1 GewStG gestützt. Eine Änderung wegen neuer Tatsachen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO war nicht möglich (kein nachträgliches Bekanntwerden).

Das FG wies die Klage ab. Der Wortlaut des § 7g Abs. 3 EStG sei erfüllt, auch wenn diese Fallgruppe in den Gesetzesmaterialien nicht erwähnt werde. Eine Änderung der für 2009 ergangenen Bescheide sei nicht möglich.

Mit seiner Revision wandte X ein, im Streitfall lägen die für eine Rückgängigmachung des IAB in der Gesetzesbegründung angeführten Gründe (unterbliebene Investition, Anschaffung eines nicht funktionsgleichen Wirtschaftsguts, vorzeitige freiwillige Rückgängigmachung) nicht vor.

Entscheidung: Rückgängigmachung des IAB ist nach § 7g Abs. 3 EStG gerechtfertigt

Der BFH wies die Revision zurück. Das FA konnte die Änderung des ESt-Bescheids 2008 auf § 7g Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStG stützen. Der Wortlaut ist erfüllt und es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die für eine einschränkende Auslegung sprechen könnten.

Die Änderungsbefugnis ist nach dem Gesetzeswortlaut gegeben

X hat für 2008 einen Abzug nach § 7g Abs. 1 EStG vorgenommen, den er aber bis zum Ende des Jahres 2011 – dem dritten auf das Jahr des Abzugs folgenden Wirtschaftsjahr – gemäß § 7g Abs. 2 EStG nicht hinzugerechnet hat. Es ist auch ausgeschlossen, dass diese Hinzurechnung künftig noch vorgenommen werden wird, da die ESt-Veranlagung für das Jahr der Investition (2009) nicht mehr geändert werden kann. Weitere Voraussetzungen für eine Änderung der Veranlagung des Abzugsjahres (2008) sieht der Wortlaut der maßgebenden Vorschriften nicht vor. Festsetzungsverjährung war noch nicht eingetreten (§ 7g Abs. 3 Sätze 2 und 3 EStG). 

Keine einschränkende Auslegung gegen den Wortlaut

Das gilt zum einen unter dem Gesichtspunkt, dass der IAB in 2008 möglicherweise schon deshalb nicht hätte vorgenommen werden dürfen, weil X die begünstigten Wirtschaftsgüter entgegen § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG 2008 nicht ihrer Funktion nach benannt hatte. Denn die spezielle Korrekturvorschrift des § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG ist auch dann anwendbar, wenn bereits die Voraussetzungen für die Vornahme des IAB nicht vorgelegen hatten (BFH, Urteil v. 5.2.2018, X B 161/17, BFH/NV 2018, 527).

Zum anderen ist nicht ersichtlich, weshalb der Gesetzgeber in Fällen, in denen die Nichtauflösung – wie hier – auf einer fehlerhaften Erklärung des Steuerpflichtigen beruht, dem Schutz des Vertrauens des Steuerpflichtigen in den aufgrund seiner fehlerhaften Erklärung ergehenden Steuerbescheid entgegen dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung einen höheren Stellenwert hätte einräumen wollen als dem Interesse an einer gleichmäßigen und gesetzmäßigen Steuerfestsetzung. Auch aus der Begründung zum Fraktionsentwurf eines UntStRefG 2008 (BT-Drs. 16/4841, 53) ergibt sich nicht, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des § 7g Abs. 3 EStG auf die dort genannten Fallgestaltungen beschränken wollte.

Hinweis: Geltung der Entscheidung auch für die aktuelle Gesetzesfassung

Die Entscheidung hat auch für die aktuelle Fassung des § 7g EStG aufgrund des StÄndG 2015 v. 2.11.2015 (BStBl I 2015, 846) mit Wirkung ab 2016 Bedeutung. Die Korrekturregelung hat sich nicht entscheidend geändert. Neu ist der Wegfall des Merkmals der Investitionsabsicht und der Benennung eines konkreten WG (so noch § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 3 EStG a.F.) sowie – zur besseren Überwachung - die Geltendmachung durch Datenfernübertragung unter Übermittlung der Summen der Abzugsbeträge und der hinzuzurechnenden oder rückgängig zu machenden Beträge (§ 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG n.F.).   

BFH Urteil vom 03.12.2019 - X R 11/19 (veröffentlicht am 09.04.2020)

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