Rechnungen und Vorsteuerabzug im Niedrigpreissegment

Die Klägerin ist im Bereich des Handels mit Modeschmuck und Accessoires im Niedrigpreissegment tätig. Die Waren werden jeweils in großen Mengen eingekauft, wobei sich die Preise je Artikel im unteren bis mittleren einstelligen Euro-Bereich bewegen. In den Streitjahren 2013 und 2014 machte sie den Vorsteuerabzug aus 10 Rechnungen mehrerer Lieferanten über die Lieferung von Modeschmuck und Accessoires geltend. Die Rechnungen enthalten die folgenden Angaben: Bezeichnung des Artikels (z. B. Handschuhe, Schals, Mützen, Gürtel, Ohrringe, Ketten, Armbänder, Ringe), Netto-Einzelpreis je Artikel, Anzahl der gelieferten Artikel, Netto-Gesamtpreis, Umsatzsteuer und Rechnungsbetrag. Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug, weil die Rechnungen eine unzureichende Leistungsbeschreibung enthielten. Es fehlten Angaben tatsächlicher Art, die die Identifizierung der abgerechneten Leistungen ermöglichten.
Leistungsbeschreibung und Identifikationsmöglichkeit
Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts ist die bloße Angabe einer Gattung bzw. Warenklasse im vorliegenden Fall keine handelsübliche Bezeichnung der Leistung. Insbesondere komme es für die Beurteilung einer ausreichenden Leistungsbeschreibung nicht darauf an, ob – wie vorliegend – Leistungen aus dem Niedrigpreissegment bezogen werden oder ob es sich um Waren im mittleren und oberen Preissegment handelt. Eine Aussage darüber, dass im Handel mit Waren im Niedrigpreissegment grundsätzlich geringere Anforderungen an die Leistungsbeschreibung zu stellen sind und insoweit bloße Gattungsbezeichnungen ausreichen, lasse sich auch der bisherigen BFH-Rechtsprechung nicht entnehmen. Maßgebend sind insoweit allein die Umstände des jeweiligen Einzelfalles.
Das Gericht sieht sich im Streitfall außer Stande, die Lieferungen, über die abgerechnet wurden, aufgrund der Beschreibung in den Rechnungen eindeutig und mit nur begrenztem Aufwand festzustellen. Die Revision wurde zugelassen, weil der Bundesfinanzhof, soweit ersichtlich, zu den Anforderungen an eine Leistungsbeschreibung in den Fällen der Geltendmachung des Vorsteuerabzugs aus Rechnungen über die Lieferung von Waren im Niedrigpreissegment bislang nicht entschieden hat.
Kann die Leistungsbeschreibung ergänzt werden?
Der Praktiker wird sich bei dieser Sachverhaltsbeschreibung zunächst die Augen reiben, weil es doch aufgrund der jüngeren höchstrichterlichen Rechtsprechung möglich sein sollte, die Leistungsbeschreibung durch ergänzende Unterlagen zu vervollständigen. So hat beispielsweise der EuGH mit Urteil v. 15.9.2016 (Az.: C-516/14) entschieden, dass einem Steuerpflichtigen, der in Besitz einer Rechnung ist, die keine ausreichende Angabe über die Menge und Art der gelieferten Gegenstände bzw. Umfang und Art der erbrachten Dienstleistungen enthält, der Vorsteuerabzug nicht versagt werden kann, wenn die Finanzbehörden über alle notwendigen Informationen verfügen, um prüfen zu können, ob die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug vorliegen. Dabei dürfen sie sich nicht auf die Prüfung der Rechnung selbst beschränken, sondern haben auch die vom Steuerpflichtigen beigebrachten zusätzlichen Informationen zu berücksichtigen. Im Streitfall war es jedoch offenbar so, dass sonstige Belege, die eine nähere Feststellung der Liefergegenstände hätten ermöglichen können, z. B. Bestellunterlagen, Lieferscheine, Korrespondenz mit dem Lieferanten etc., gar nicht vorlagen.
Revisionsverfahren ist anhängig
Zu beachten bleibt, dass auch das Hessische Finanzgericht mit Urteil v. 31.7.2017 (Az.: 1 K 323/14) entschieden hat, dass die bloße Angabe einer Gattung (z. B. Hose, Pulli, Oberteil, Jacke) ebenfalls keine handelsübliche Bezeichnung darstellt. In vergleichbaren Fällen sollte natürlich versucht werden, rechtzeitig die Liefergegenstände anhand anderer Unterlagen zu belegen. Für die Abwehrberatung bleibt der Hinweis auf das nun anhängige Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof (Az.: XI R 2/18).
Übrigens: In besonderen Einzelfällen (z. B. wenn bei der Lieferung von ausschließlich gewerblich nutzbaren Erzeugnissen hinsichtlich des Bezugs für das Unternehmen keine Zweifel bestehen) können die gelieferten Gegenstände in der Leistungsbeschreibung auch nach Ansicht der Finanzverwaltung in Warengruppen zusammengefasst werden (vgl. Abschn. 15.2a Abs. 4 Satz 3 UStAE).
Hessisches FG Urteil vom 12.10.2017 - 1 K 2402/14 veröffentlicht mit Meldung v. 23.1.2018, (Haufe Index 11469670)
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