Nichterfassung Veräußerungsgewinn als offenbare Unrichtigkeit

Die Nichterfassung eines in einer auf Papier eingereichten Einkommensteuererklärung erklärten Veräußerungsgewinns bei der Veranlagung stellt eine offenbare Unrichtigkeit i. S. v. § 129 AO dar, wenn der Bearbeiter davon ausgegangen ist, alle Kennzahlen zur Berücksichtigung sämtlicher erklärter Einkünfte eingegeben zu haben.

Berichtigung eines Steuerbescheids 

Der Kläger erklärte in der Anlage G zur Einkommensteuererklärung 2011 einen Verlust als Mitunternehmer sowie ein Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG. Die Berechnung des Veräußerungsgewinns sowie der Veräußerungsvertrag waren der Erklärung beigefügt.

Bei der Veranlagung ließ das Finanzamt den Verlust wegen fehlender Mitteilung unberücksichtigt und fertigte einen entsprechenden Vermerk auf der Anlage G. Auch der Veräußerungsgewinn blieb außer Ansatz, ohne dass hierzu ein Vermerk auf der Anlage G erfolgte.

Nach Eingang der Mitteilung über den Verlust erließ das Finanzamt einen geänderten Einkommensteuerbescheid, jedoch wiederum ohne den Veräußerungsgewinn. Erst im Rahmen der Erklärungsbearbeitung für das Jahr 2014 stellte es den Nichtansatz fest und berichtigte den Einkommensteuerbescheid 2011 nach § 129 AO. Der Kläger meint, das Finanzamt habe den Bescheid nicht berichtigen dürfen. 

Offenbare Unrichtigkeit nach § 129 AO 

Das Finanzgericht entscheidet, dass es sich um eine offenbare Unrichtigkeit handelt.

§ 129 AO umfasst Fälle, in denen der bekanntgegebene Inhalt des Verwaltungsakts aus Versehen vom offensichtlich gewollten materiellen Regelungsinhalt abweicht. Es muss sich mithin um einen Fehler handeln, der in einem sonstigen unbewussten, gedankenlos-gewohnheitsmäßigen, unwillkürlichen Vertun besteht, also z. B. einem Übersehen, falschen Ablesen oder Übertragen, Vertauschen oder Vergessen. Dagegen zählen zu den offenbaren Unrichtigkeiten nicht Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts. Dabei scheidet eine Anwendung des § 129 AO bereits dann aus, wenn nur die ernsthafte mehr als theoretische Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache auf einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung, einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler oder auf mangelhafter Sachverhaltsaufklärung beruht.

Mechanischer Erfassungsfehler? 

Gemessen an diesen Grundsätzen steht vorliegend fest, dass die Nichterfassung des Veräußerungsgewinns eine offenbare Unrichtigkeit darstellt, die weder auf einem Rechtsirrtum noch auf mangelnder Sachaufklärung beruht. Für jeden unvoreingenommenen Dritten ist bei Einsichtnahme in die Steuerakten ersichtlich, dass der Veräußerungsgewinn ohne erkennbaren Grund nicht erfasst worden ist. Vielmehr ist nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass ein bloßer mechanischer Erfassungsfehler vorlag.

Das Finanzgericht folgt ersichtlich der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Sind erklärte steuerliche Sachverhalte zunächst nicht im Steuerbescheid berücksichtigt und erfolgt später eine Berichtigung des Steuerbescheids nach § 129 AO, ist unter Berücksichtigung des Akteninhalts zu prüfen, ob eine offenbare Unrichtigkeit vorliegt. In entsprechenden Fällen sollte ein betroffener Steuerpflichtiger daher spätestens mit einer Klage beim Finanzgericht Einsichtnahme in die Akten des Finanzamts nach § 78 FGO beantragen.

Thüringer FG, Urteil v. 31.1.2018, 3 K 480/17, Haufe Index 12126295 

Schlagworte zum Thema:  Steuerbescheid, Abgabenordnung