Erziehung von Kindern und Jugendlichen steuerfrei – mit Einschränkungen
Grundsätzliches
Bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten sind nach Art. 132 MwStSystRL von der Umsatzsteuer zu befreien.
Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. I MwStSystRL sind folgende Umsätze von der Umsatzsteuer zu befreien: „Die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung.“
Nach Art. 133 MwStSystRL können die Mitgliedsstaaten die Gewährung dieser Befreiung von der Erfüllung zusätzlicher Bedingungen abhängig machen.
Bis 2020 wurden folgende Umsätze steuerfrei gestellt (§ 4 Nr. 23 Satz 1 UStG a.F.):
„Die Gewährung von Beherbergung, Beköstigung und der üblichen Naturalleistungen durch Einrichtungen, wenn sie überwiegend Jugendliche für Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke oder für Zwecke der Säuglingspflege bei sich aufnehmen, soweit die Leistungen an die Jugendlichen oder an die bei ihrer Erziehung, Ausbildung, Fortbildung oder Pflege tätigen Personen ausgeführt wird.“
Erst durch das JStG 2019 wurde § 4 Nr. 23 UStG neu gefasst. Die mit Wirkung ab 2020 geltende Gesetzesänderung erfolgte zur Umsetzung der Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL (BT-Drucks. 19/13436 vom 23.9.2019 S. 148).
Vom BFH zu klärende Frage
Streitig war, ob der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit als Präventions- und Persönlichkeitstrainer im Streitjahr 2010 steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 23 UStG in der im Streitjahr geltenden Fassung ausgeführt hat. Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt verhielt sich folgendermaßen:
- Der Kläger ist Präventions- und Persönlichkeitstrainer und Mitglied des Vereins B. Er bot Präventionskurse für Kinder in Grundschulen an.
- Der Kläger trat als „Teamleiter“ auf. Ausweilich der Homepage wurden neun weitere, in seinem Team tätige Kursleiter für verschiedene Kursarten (Kinderbewegungsprogramm neben weiteren Sport- und Bewegungsangeboten eines Kooperationspartners, Präventionstrainings im Kindergarten, in der Grundschule und in weiterführenden Schulen, Persönlichkeitstrainings für Frauen und für ältere Leute, Erziehungsseminare für Eltern) vorgestellt.
- Der Kläger wurde von den jeweiligen interessierten Eltern beauftragt. Die Rechnungen erstelle der Kläger dann gegenüber den jeweiligen Eltern, die ihn dann bezahlen würden.
- Es gab im Streitjahr Klassenprojekte und sog. „offene Kurse“. Nur bei den Klassenprojekten fanden die Kurse während der Unterrichtszeiten statt und die Teilnahme war verpflichtend. Bei den Kursgebühren von 64 EUR brutto handelt es sich um ermäßigte Kursgebühren für den Fall, dass die Räume zur Unterrichtserteilung von den Schulen zur Verfügung gestellt werden.
Der Kläger beantragte die Änderung der ursprünglichen Umsatzsteuerfestsetzung 2010 und beantragte für seine Umsätze für Konfliktberatung an Schulen die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 21 UStG.
Der BFH (Urteil v. 15.12.2021, XI R 3/20, DStR 2022, 1428) hatte die Revision im ersten Rechtsgang an das FG zurückverwiesen. Zwar sei § 4 Nr. 21 UStG in der im Streitjahr geltenden Fassung nicht anzuwenden. Eine Steuerfreiheit könne sich aber in Frage kommen, wenn die Präventionskurse als „Erziehung von Kindern und Jugendlichen“ (Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL) anzusehen sind.
FG Berlin-Brandenburg: Gewährung der Steuerfreiheit
Das FG Berlin-Brandenburg (Urteil v. 17.1.2024, 7 K 7342/16, EFG 2024, 1063) hat die strittigen Umsätze nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL steuerfrei behandelt. Auch ein Präventionstrainer könne eine Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung sein.
Entscheidung: Umsatzsteuerfreiheit für Leistungen eines Präventions- und Persönlichkeitstrainers
Der BFH sah die Revision als unbegründet an und wies diese aus Folgenden wesentlichen Gründen zurück:
- Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL enthält keine Definition, was unter dem Begriff „Erziehung von Kindern und Jugendlichen“ zu verstehen ist. Die Regelung ist eng auszulegen (Rz. 17).
- Für die „Erziehung von Kindern“ ist über die bloße Wissensvermittlung hinaus eine Vermittlung sozialer Kompetenzen und Werte erforderlich.
- Der durchgeführte Präventionsunterricht geht über den Unterricht hinaus und dient der geistigen und sittlichen Entwicklung der Kinder (Rz. 19).
- Auch die persönlichen Voraussetzungen für die Anwendung der Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSyStRL sind erfüllt.
- Der Kläger ist eine Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung wie die der Einrichtung des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben (Erziehung) beauftragt sind. Einrichtung können auch natürliche Personen sein (Rz. 25).
- Im Streitjahr hatte die nationale Regelung keine weiteren Voraussetzungen für die Anerkennung bestimmt. Es sind dann die unionsrechtlichen Zielsetzungen zu prüfen (Rz. 29). Diese waren im Entscheidungsfall erfüllt.
Praxishinweis
Der aktuellen BFH-Entscheidung kommt Bedeutung für die vor 2020 geltenden Jahre zu, sofern diese noch offen sind. Dies dürfte nur in wenigen Fällen der Fall sein.
Zu beachten ist Folgendes: Ab 2020 hat der Gesetzgeber in § 4 Nr. 23 Buchst. a UStG zusätzlich bestimmt, dass die Steuerbefreiung von Umsätzen der Erzielung von Kindern und Jugendlichen nur gewährt wird, wenn keine systematische Gewinnerzielung angestrebt wird.
BFH, Urteil v. 30.4.2025, XI R 5/24; veröffentlicht am 28.8.2025
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