Keine Steuerbefreiung für ein tatsächlich nicht für eigene Wohnzwecke genutztes Einfamilienhaus

Hintergrund
K ist Alleinerbe seines in 2009 verstorbenen Vaters V. Zum Nachlass gehörte ein von V selbst genutztes Einfamilienhaus, das K nach dem Erbfall renovierte und ab August 2010 vermietete. Weder K noch seine Familie nutzten das Haus zu eigenen Wohnzwecken. Seit 2006 ist K als Professor an der Universität X tätig. Er hatte sich dazu verpflichtet, seinen Wohnsitz an den Dienstort oder in dessen Nähe zu verlegen. Zunächst wohnte er dort in einer angemieteten Einzimmerwohnung und ab 2010 in einem von den Eheleuten neu errichteten Haus.
In der ErbSt-Erklärung machte K die Steuerbefreiung für ein Familienheim geltend. Er gab an, eine Selbstnutzung des von V geerbten Hauses sei wegen seiner beruflichen Tätigkeit mit Residenzpflicht in X bei der Entfernung von 500 km aus objektiv zwingenden Gründen nicht möglich.
Das FA versagte die Steuerbefreiung, weil die berufliche Tätigkeit des K kein zwingender Grund dafür sei, das Haus nicht für eigene Wohnzwecke zu nutzen. Die dagegen erhobene Klage wies das FG mit der Begründung ab, die Steuerbefreiung setze zwingend die anfängliche Bestimmung zur Selbstnutzung voraus.
Entscheidung
Die Steuerbefreiung erfasst u.a. die Wohnung in einem mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstück, wenn die Wohnung beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG). Die Bestimmung zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt vor, wenn der Erwerber die Absicht hat, das Haus selbst zu nutzen und diese Absicht auch tatsächlich umsetzt. Diese Absicht als innere Tatsache lässt sich nur anhand äußerer Umstände feststellen. Das erfordert, dass der Erwerber tatsächlich in die Wohnung einzieht und diese entsprechend nutzt.
Für eine Bestimmung zur Selbstnutzung reicht eine bloße Widmung nicht aus. Es genügt daher nicht, wenn der Erwerber lediglich angibt, die Wohnung sei zur Selbstnutzung bestimmt, könne aber aus zwingenden Gründen nicht für eigene Wohnzwecke genutzt werden. Die Steuerbefreiung scheidet daher aus, wenn der Erwerber von vornherein gehindert ist, die Wohnung für eigene Wohnzwecke zu nutzen und deshalb auch tatsächlich nicht einzieht. Die Gründe, die der Aufnahme der Selbstnutzung entgegenstehen sind unerheblich. Eine Steuerbefreiung kommt daher selbst dann nicht in Betracht, wenn zwingende Gründe den Erwerber an einer Selbstnutzung hindern.
Anders liegt der Fall, wenn ein Erwerber ein Haus zur Selbstnutzung bestimmt hat und später das Familienheim innerhalb von 10 Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken nutzt. Hier ist ausnahmsweise die Beendigung der Selbstnutzung unschädlich, wenn der Erwerber aus zwingenden Gründen am weiteren Bewohnen des Familienheims gehindert ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 5 ErbStG). Zwingende Gründe an der Selbstnutzung können somit die Steuerbefreiung eines bereits selbst genutzten Familienheims erhalten. Sie führen jedoch nicht dazu, dass die Steuerbefreiung ohne jede Selbstnutzung zu gewähren ist. Nimmt der Erwerber die Selbstnutzung überhaupt nicht auf, ist das erworbene Haus kein Familienheim und damit der Erwerb nicht steuerbefreit.
Der BFH wies daher die Klage als unbegründet ab. Gleichwohl musste das FG-Urteil aufgehoben werden, da das FA während des Revisionsverfahrens einen geänderten Bescheid erlassen hatte und das FG-Urteil damit gegenstandslos wurde. Da sich jedoch im streitigen Punkt nichts geändert hat, konnte der BFH in der Sache selbst - ohne Zurückverweisung an das FG - über die Klage entscheiden.
Hinweis
Der BFH unterscheidet somit zwischen einer von vornherein nicht beabsichtigten und einer späteren Beendigung der bisher stattgefundenen Selbstnutzung. Nur im Fall der tatsächlichen anfänglichen Bestimmung zur Selbstnutzung und der späteren Aufgabe der Selbstnutzung innerhalb des Zehnjahreszeitraums sind zwingende Gründe, die der (weiteren) Selbstnutzung entgegenstehen, für die Steuerbefreiung erheblich. Der BFH widerspricht damit der Verwaltungsregelung in Abschnitt 13.4 Abs. 7 Satz 4 ErbStR. Denn danach soll es unschädlich sein, wenn der Erwerber aus objektiv zwingenden Gründen an der Selbstnutzung gehindert ist. Eine berufliche Versetzung wird allerdings grundsätzlich nicht als objektiv zwingender Grund anerkannt (Abschnitt 13.4 Abs. 7 Satz 5 ErbStR).
Ergänzend verweist der BFH auf die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Steuerbefreiung für ein Familienheim, die es gebieten, zur Vermeidung eines noch bedenklicheren Verfassungsverstoßes die Vorschrift nicht über ihren Wortlaut hinaus auszulegen.
BFH, Urteil v. 23.6.2015, II R 13/13, veröffentlicht am 16.9.2015
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