Keine Ist-Versteuerung: freiwillig buchführende Partnerschaften

Für eine freiberuflich tätige Partnerschaft von Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern, die die Umsatzgrenze überschreitet und ihren handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt, kommt die Ist-Versteuerung nicht in Betracht. Das hat das FG Baden-Württemberg entschieden.

Die klagende Partnerschaft von Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern ermittelt ihren handels- und steuerrechtlichen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Die von der Klägerin ab dem 1.1.2021 beantragte Genehmigung der Ist-Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG lehnte das Finanzamt ab, da die Partnerschaft freiwillig Bücher führe. Nach der dagegen eingelegten Sprungklage der Klägerin sei für die Ist-Besteuerung des § 20 Satz 1 Nr. 3 UStG Umsätze aus freiberuflicher Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG die einzige Tatbestandsvoraussetzung. Auch verweist die Klägerin auf die Neuregelung des § 20 Satz 1 Nr. 4 UStG (in der Fassung des JStG 2002) für juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

Keine Ist-Besteuerung

Nach Auffassung des FG hat das Finanzamt die Anwendung der Ist-Besteuerung zurecht versagt. Nach dem im Urteilsfall geltenden § 20 Abs. 1 Satz 1 UStG alte Fassung kann das Finanzamt auf Antrag einem Unternehmer die Berechnung der Umsatzsteuer nach den vereinnahmten Entgelten (anstatt nach vereinbarten Entgelten) gestatten,

  1. wenn sein Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 3 UStG) im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600.000 EUR betragen hat, oder
  2. wenn er von der Verpflichtung, Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen, nach § 148 AO befreit ist, oder
  3. soweit er Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausführt.

Freiwillige Führung von Büchern

Die Umsatzgrenze in § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG hat die Klägerin unstreitig überschritten. Die daher allein in Frage kommende Genehmigung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG kommt aber nicht in Betracht, da die Klägerin freiwillig Bücher führt.

Der BFH (Urteil v. 22.7.2010, V R 4/09, und Urteil v. 22.7.2010, V R 36/08) hat § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG dahingehend auslegt, dass die Ist-Besteuerung nicht in Betracht kommt, wenn ein Freiberufler verpflichtet oder freiwillig Bücher führt. Das BVerfG (Beschluss v. 20.3.2013, 1 BvR 3063/10) hat die Verfassungsgemäßheit der restriktiven BFH-Auslegung zu § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG bestätigt.

Buchfühung und Ist-Besteuerung

Zwar schweigt der Wortlaut des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG zur Frage der Buchführung. Jedoch hat der BFH anhand der amtlichen Gesetzesbegründung zurecht objektiv gefolgert, dass Unternehmern, die gesetzlich schon keine Bücher führen müssen, keine Erleichterung durch die Ist-Besteuerung gewährt werden kann. Schließlich sei der Normzweck des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG die Vermeidung von zusätzlichen Aufzeichnungspflichten für nur umsatzsteuerliche Zwecke. Im Hinblick auf die von der Klägerin hervorgehobene Vorfinanzierungsbelastung des Unternehmers bei dem gesetzlichen Regelfall der Soll-Besteuerung verweist der BFH aber treffend darauf, dass es sich insoweit um eine rechtlich nicht zu beanstande Grundsatzentscheidung des Unionsgesetzgebers handelt.

Neuregelung des § 20 Satz 1 Nr. 4 UStG

Nach der Neuregelung des § 20 Satz 1 Nr. 4 UStG (in der Fassung des JStG 2002) steht die Ist-Besteuerung nur solchen juristischen Personen des öffentlichen Rechts offen, die weder aufgrund gesetzlicher Pflichten noch freiwillig Bücher führen. Hierbei handelt es sich nach der Gesetzesbegründung um eine auf die juristischen Personen des öffentlichen Rechts begrenzte Regelung. Inhaltlich knüpft der Gesetzgeber mithin mit der ausdrücklichen Aufnahme des Ausschlusskriteriums der Buchführung in § 20 Satz 1 Nr. 4 UStG sogar erkennbar an § 20 Satz 1 Nr. 3 UStG – in der geltenden oben genannten BFH-Auslegung – an. Denn auch mit § 20 Satz 1 Nr. 4 UStG soll für den Fall der Existenz einer Buchführung eine zweckwidrige Bevorzugung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts ausgeschlossen werden.

Zwar wäre es wünschenswert gewesen, wenn der Gesetzgeber im Zuge der oben genannten Einfügung des § 20 Satz 1 Nr. 4 UStG auch den § 20 Satz 1 Nr. 3 UStG für Freiberufler ausdrücklich um das Ausschlusskriterium der Buchführung ergänzt hätte. Dies ist aber nicht geeignet, etwas an den oben dargelegten inhaltlichen Zusammenhängen zu ändern. Dem Gesetzgeber war bei Einfügung des § 20 Satz 1 Nr. 4 UStG die oben genannte BFH-Auslegung zu § 20 Satz 1 Nr. 3 UStG jahrelang bekannt. Hätte er die Nichtanwendung derselben gesetzlich regeln wollen, hätte die Einfügung eines Passus nahegelegen, wonach für Freiberufler die Ist-Besteuerung selbst im Fall der Buchführung in Betracht kommt.

Revision beim BFH

Das FG hat die Revision beim BFH zugelassen, da die Genehmigung der Ist-Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 UStG für freiwillig buchführende Steuerpflichtige noch nicht höchstrichterlich entschieden ist. Auch habe die Klägerin bezüglich des oben genannten BFH-Urteils v. 22.7.2010 gewichtige, vom BFH noch nicht geprüfte rechtliche Gesichtspunkte vorgebracht (etwa die oben genannte Einfügung des § 20 Abs. 1 Nr. 4 UStG).

FG Baden-Württemberg, Gerichtsbescheid v. 9.7.2024, 9 K 86/24