Keine GiG bei Selbstnutzung nach Vollvermietung

Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen liegt nur vor, wenn die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten übereinstimmen. Dem steht allerdings nicht entgegen, wenn der Erwerber den von ihm erworbenen Geschäftsbetrieb in seinem Zustand ändert oder modernisiert.

Sachverhalt:
Gestritten wurde über das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen. Die Klägerin hatte ein aus Erdgeschoss und Obergeschoss bestehendes Gebäude voll vermietet und im Jahr 2007 veräußert, ohne dabei auf die Steuerfreiheit der Veräußerung zu verzichten. Die Erwerberin führte die Mietverhältnisse für das Obergeschoss der Immobilie unverändert fort, während sie das Erdgeschoss für eigene unternehmerische Zwecke nutzte. Nachdem das Finanzamt von der Klägerin Vorsteuerkorrekturen nach § 15a UStG forderte, wandte diese ein, die Veräußerung sei als Geschäftsveräußerung im Ganzen zu werten, weshalb eine Vorsteuerberichtigung unterbleiben könne (vgl. § 1 Abs. 1a Satz 3 und § 15a Abs. 10 UStG).

Entscheidung:

Für eine Geschäftsveräußerung im Ganzen ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung entscheidend, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht und ob die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten übereinstimmen. Dabei steht es der Fortsetzung der bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit nicht entgegen, wenn der Erwerber den von ihm erworbenen Geschäftsbetrieb in seinem Zustand ändert oder modernisiert. Dies war vorliegend allerdings nicht der Fall. Während das Vermietungsunternehmen der Klägerin die gesamte Immobilie umfasste, reduzierte es sich, nachdem die Erwerberin das Erdgeschoss fortan zu eigenen unternehmerischen Zwecken nutzte, um etwa die Hälfte seines Umfangs. Wie sich aus der BFH-Rechtsprechung ergibt (vgl. Urteil v. 30.4.2009, V R 4/07), ist bei einem Vermietungsunternehmen grundsätzlich Voraussetzung, dass dieses im bisherigen Umfang vom Erwerber weitergeführt wird. Wenn es der BFH noch als ausreichend ansieht, dass zwar nicht sämtliche Mietverträge vom Veräußerer übernommen werden müssen, die vorübergehend leerstehenden Flächen aber zumindest weiterhin zur Vermietung bestimmt sind und hierfür bereitstehen, erfüllt eine anderweitige Nutzung zuvor vermieteter Räume unter Aufgabe der Vermietungsabsicht - wie im vorliegenden Fall - diese Mindestanforderung an die Geschäftsveräußerung eines Vermietungsunternehmens gerade nicht mehr.

Entgegen der Ansicht der Klägerin stehen einer solchen rechtlichen Würdigung auch nicht die Grundsätze des BFH-Urteils vom 22.11.2007 (V R 5/06) entgegen. Während nämlich in dem Sachverhalt, welcher dem BFH zur Entscheidung vorlag, das Vermietungsunternehmen insoweit unverändert bestehen blieb, als dieselben Räume innerhalb der Immobilie vermietet und die übrigen zu eigenen Zwecken genutzt wurden, wurde im hier zu beurteilenden Fall der Umfang die Vermietungstätigkeit in nicht nur unerheblicher Weise reduziert. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass verpachtete bzw. vermietete Gebäudeteile, an denen Teil- bzw. Wohneigentum besteht, Gegenstand einer Geschäftsveräußerung im Ganzen sein können, denn bei einzelnen vermieteten oder verpachteten Wohnungen oder Räumen, welche Bestandteil eines zivilrechtlich einheitlichen Grundstücks sind, handelt es sich eben gerade nicht um selbstständige Unternehmensteile.

Praxishinweis:

Grundsätzlich steht es einer Geschäftsveräußerung nicht entgegen, wenn der Erwerber den von ihm erworbenen Geschäftsbetrieb in seinem Zustand ändert oder modernisiert (vgl. Abschn. 1.5 Abs. 1a UStAE). Eine bloße Änderung des Zuschnitts liegt aber nach Ansicht des Finanzgerichts nicht (mehr) vor, wenn sich die vermietete Fläche beim Erwerber um etwa die Hälfte reduziert. Aus Sicht des Erwerbers wird die unternehmerische Tätigkeit des Veräußerers insoweit nur quotal fortgeführt. Ob die Entscheidung mit der Rechtsprechung des BFH in Einklang steht, wonach die Übertragung teilvermieteter Immobilien zu einer partiellen Geschäftsveräußerung führen kann, muss im Revisionsverfahren geklärt werden (Az. beim BFH: XI R 1/15). Im Zuge dessen wird der BFH hoffentlich auch dazu Stellung beziehen, ob Teile einer Immobilie (z. B. ein Stockwerk) grundsätzlich Gegenstand einer Geschäftsveräußerung im Ganzen sein können. Bis auf Weiteres kann man sich nämlich schon die Frage stellen, warum eine (von Anfang an) nur teilvermietete Immobilie bei Fortführung der Teilvermietung durch den Erwerber zu einer Geschäftsveräußerung führen kann, während die Reduzierung einer anfänglichen Vollvermietung auf eine Teilvermietung durch den Erwerber dann zumindest keine Teil-Geschäftsveräußerung sein sollte.

Hessisches FG, Urteil v. 12.11.2014, 6 K 2574/11, Haufe Index 7604152

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Schlagworte zum Thema:  Umsatzsteuer, Geschäftsveräußerung