Kein Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt für zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer
Die Klägerin, eine GmbH, nahm aus Eingangsrechnungen verschiedener Kapitalgesellschaften einen Vorsteuerabzug in Anspruch. Aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung versagte ihr das Finanzamt diesen Anspruch, weil die Rechnungen eine unzutreffende Leistungsbezeichnung enthielten. Nachdem entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide ergangen waren, zahlte die Klägerin die zu Unrecht in Anspruch genommenen Vorsteuerbeträge an das Finanzamt zurück.
Etwa zwei Jahre später begehrte die Klägerin die Erstattung eines Teils der zurückgezahlten Vorsteuern vom Finanzamt, weil ihr insoweit eine Inanspruchnahme der Rechnungsaussteller nicht möglich sei. Hierzu berief sie sich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), nach der einem gutgläubigen Leistungsempfänger ein unmittelbarer Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt zustehe, wenn der Leistende zahlungsunfähig oder -unwillig sei. Das Finanzamt lehnte dies mit der Begründung ab, dass die Klägerin keinen Anspruch habe, da die geänderten Umsatzsteuerbescheide einen Rechtsgrund für die Rückzahlung der Vorsteuerbeträge darstellten. Überdies habe sie ihre Gutgläubigkeit nicht nachgewiesen.
Der Senat, der die Ablehnung des Finanzamts als Abrechnungsbescheid auslegte, wies die Klage ab. Für einen Erstattungsanspruch der Klägerin gegen das Finanzamt fehle es an einer Rechtsgrundlage. Einen Anspruch auf Erstattung überzahlter Umsatzsteuer hätten allein die Rechnungsaussteller, die ihre Rechnungen berichtigt haben. Dem stehe der europarechtliche Grundsatz der Neutralität und Effektivität der Mehrwertsteuer nicht entgegen. Dieser werde grundsätzlich auch dann beachtet, wenn der Leistungsempfänger im Hinblick auf die Erstattung zu Unrecht gezahlter Vorsteuerbeträge auf den Zivilrechtsweg verwiesen werde. Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 15. März 2007 C-35/05 – Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH) könne sich der Rechnungsempfänger zwar ausnahmsweise unmittelbar an die Steuerbehörde wenden, wenn die Erstattung unmöglich oder übermäßig erschwert sei. Da diese Rechtsprechung zu einem grenzüberschreitenden Sachverhalt im Vorsteuervergütungsverfahren ergangen sei, sei sie – so der 6. Senat des FG Münster – auf einen reinen Inlandssachverhalt nicht übertragbar. Anderenfalls würde der Leistungsempfänger im Insolvenzfall gegenüber anderen Gläubigern des Rechnungsausstellers bevorzugt werden. Die vom Senat zugelassene Revision ist beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen VII R 42/14 anhängig.
FG Münster, Urteil v. 3.9.2014, 6 K 939/11 AO
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