Hinzurechnung passiver Einkünfte nach § 8 AStG

Keine Hinzurechnungsbesteuerung, wenn die Einkünfte auf einer von der Zwischengesellschaft selbst ausgeübten "wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit" beruhen. Die Grundsätze des EuGH-Urteils "Cadbury Schweppes" sind für Zeiträume vor der Rechtsänderung durch das JStG 2008 unmittelbar anzuwenden.

Hintergrund: Nachgeschaltete Zwischengesellschaft in Zypern

Streitig war, ob die Voraussetzungen für die Hinzurechnung passiver Einkünfte nach §§ 8, 14 AStG gegeben sind.

Die inländische A (Muttergesellschaft) war zu 100 % an der in den Niederlanden ansässigen B-B.V. und diese wiederum zu 100 % an der in Zypern ansässigen C-Ltd. beteiligt. Die Tätigkeit der C bestand (lediglich) darin, Lizenzen an Buch-Urheberrechten einzuholen und an diesen Unterlizenzen für drei – in der Ukraine bzw. in Russland ansässige - Konzerngesellschaften (XYZ) der A zu bestellen. Die XYZ zahlten für die Unterlizenzen an C ein (überhöhtes) Entgelt. Unter Nutzung der Unterlizenzen vertrieben sie Bücher auf dem russisch-sprachigen Markt. Zum Nachweis der Tätigkeit der C in Zypern legte A einen Anstellungsvertrag der C mit einer zypriotischen Staatsbürgerin und einen Mietvertrag über ein Büro vor.

A gab für das Streitjahr 2008 (Wirtschaftsjahr 2007) für die Lizenzeinnahmen der C Feststellungserklärungen nach § 18 AStG ab. Sie ging davon aus, wegen der tatsächlichen Ansässigkeit der C in Zypern und ihrer dort ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeit komme eine Hinzurechnungsbesteuerung nicht in Betracht. Das FA folgte dem nicht und erließ gegenüber A entsprechende Zurechnungsbescheide. A wandte sich gegen die Versteuerung der Einkünfte der C. Das FG wies ihre Klage mit der Begründung ab, die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen seien nicht von der C, sondern von den in Russland und in der Ukraine ansässigen XYZ getroffen worden. Die C habe auf dem zypriotischen Markt keine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt.

Entscheidung: Keine Hinzurechnung bei wirklich wirtschaftlicher Tätigkeit

Die Hinzurechnungsbesteuerung bei nachgeschalteten Zwischengesellschaften erfolgt nach § 14 Abs. 1 AStG in der Weise, dass niedrig besteuerte passive Einkünfte einer ausländischen Untergesellschaft (C) im Wege der übertragenden Zurechnung anteilig einer ausländischen Obergesellschaft (B) zuzurechnen sind (Zurechnungsverfahren, "Zurechnungsbescheid"). Der so zugerechnete Betrag ist Grundlage der Hinzurechnungsbesteuerung nach § 7 Abs. 1 und 2 AStG bei dem inländischen Anteilseigner (A) der Obergesellschaft ("Hinzurechnungsbescheid").

Überhöhte Lizenzzahlungen sind vGA und verdeckte Einlage

Die Hinzurechnungsvoraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Nach den Feststellungen des FG hat C lediglich administrative Aufgaben wahrgenommen, während das eigentliche Verlagsgeschäft bei den (ukrainischen/russischen) Konzerngesellschaften (XYZ) der A lag. Diese haben für den Erwerb der Unterlizenzen von C überhöhte Zahlungen an diese geleistet, die über den Entgelten, die für eine Hauptlizenz zu zahlen gewesen wären, lagen. Die Entgelte waren damit nicht fremdüblich, sondern durch das Gesellschafts-/Konzernverhältnis zur Muttergesellschaft veranlasst. Dementsprechend sind die von den XYZ an die C erbrachten Lizenzzahlungen als vGA an A (Muttergesellschaft) zu werten. Sie wurden sodann über die B in das Vermögen der C geleistet und sind bei ihr als verdeckte Einlage zu erfassen. Dementsprechend mindern sich die Zwischeneinkünfte der C um den Betrag der verdeckten Einlage (§ 8 Abs. 3 KStG).

Vorrang der unionsrechtlichen Grundfreiheiten

Die sonach um die verdeckte Einlage geminderten Einkünfte der C betreffen daher nur die auf die administrative Tätigkeit entfallenden Einnahmen (und Ausgaben). Dafür ist jedoch ein Zurechnungsbetrag für C nicht festzustellen. Das widerspräche nach den Grundsätzen des EuGH-Urteils Cadbury Schweppes v. 12.9.2006, C-196/04 (Haufe Index 1573384) den unionsrechtlichen Grundfreiheiten. Danach kommt eine Hinzurechnung nicht in Betracht, wenn die Gesellschaft – unabhängig von steuerlichen Motiven – im Mitgliedsstaat tatsächlich angesiedelt ist und dort einer "wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit" nachgeht, es sei denn, es handelt sich um rein künstliche Gestaltungen zur Steuervermeidung. Mit der Wahrnehmung von administrativen Aufgaben durch die Angestellte der C in den angemieteten Räumlichkeiten hat A den Nachweis einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit der C erbracht. Die Revision der A war damit erfolgreich. Der "Zurechnungsbescheid" als Grundlagenbescheid für den "Hinzurechnungsbescheid" wurde aufgehoben.

Hinweis: Neuregelung im Nachgang zu "Cadbury Schweppes"

Als Reaktion auf die Entscheidung des EuGH Cadbury Schweppes wurde durch das JStG 2008 § 8 Abs. 2 AStG n.F. eingefügt. Danach ist eine Gesellschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung in einem EU-/EWR-Mitgliedstaat nicht Zwischengesellschaft für Einkünfte, für die nachgewiesen wird, dass die Gesellschaft insoweit einer "tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit" nachgeht. Die Regelung war im Streitjahr 2007 noch nicht anwendbar. Für vor dem Inkrafttreten liegende Streitzeiträume ergibt sich die entsprechende Entlastungsmöglichkeit durch den Gegenbeweis unmittelbar aus den Grundsätzen der Entscheidung Cadbury Schweppes bzw. aus dem Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts (BMF-Schreiben v. 8.1.2007, Haufe Index 1680842; BFH, Urteil v. 21.10.2009, I R 114/08, Haufe Index 2276793). Da die Neuregelung den Vorgaben des Urteils Cadbury Schweppes folgt, müssen dessen Grundsätze für die Auslegung der neuen Vorschrift herangezogen werden.

BFH, Urteil v. 13.6.2018, I R 94/15; veröffentlicht am 17.10.2018.