Grunderwerbsteuer bei noch zu errichtendem Gebäude

Vergütungen für nachträglich vereinbarte Sonderwünsche unterliegen beim Grundstückserwerb mit noch zu errichtendem Gebäude als zusätzliche Leistungen der Grunderwerbsteuer nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG, wenn ein rechtlicher Zusammenhang mit dem Erwerbsgeschäft vorliegt.

Hintergrund: Gesetzliche Regelung

Die Steuer bemisst sich bei der Grunderwerbsteuer nach dem Wert der Gegenleistung. Nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG gehören auch solche Leistungen zur Gegenleistung i. S. d. § 8 Abs. 1 GrEStG, die der Erwerber des Grundstücks dem Veräußerer neben der beim Erwerbsvorgang vereinbarten Gegenleistung zusätzlich gewährt.

Rechtsfrage

Fraglich war im Urteilsfall, ob die nachträglich mit dem Bauträger getroffene Vereinbarung über Sonderleistungen – abweichend der bisherigen Baubeschreibung (Bodenbelag, Badausstattung, Türen) – nach Erwerb einer noch nicht errichteten Eigentumswohnung eine grunderwerbsteuerpflichtige Gegenleistung darstellt.

Sachverhalt: Kläger erwarb noch zu errichtende Eigentumswohnungen

Der Kläger und seine Ehefrau erwarben von der X GmbH (Veräußerin) mit als Kauf- und Werkvertrag bezeichnetem notariell beurkundetem Vertrag jeweils die Hälfte von Miteigentumsanteilen an einem Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an 2 Wohnungen. Das Gebäude, in dem sich das veräußerte Sondereigentum befinden sollte, war im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht errichtet. Die Veräußerin verpflichtete sich als Bauträgerin zur Errichtung des Gebäudes. Die notariell beglaubigte Teilungserklärung und Baubeschreibung wurden Teil des Vertrags.

Unter § 1 Ziff. 3 des Vertrags war u. a. geregelt, dass Änderungswünsche des Käufers nur berücksichtigt werden können, wenn dadurch entstehende Mehrkosten vom Käufer übernommen werden. Die Ausführung von Arbeiten durch den Käufer selbst oder von ihm direkt beauftragte Handwerker war vor der Übergabe des Objekts ausgeschlossen. Er war nicht berechtigt, den ausführenden Werkunternehmen ohne Zustimmung der Veräußerin unmittelbar eigene Aufträge zu erteilen.

Nach Beginn der Rohbauarbeiten beauftragten der Kläger und seine Ehefrau bei der Veräußerin vor der Fertigstellung der Eigentumswohnungen verschiedene Sonderwünsche, die zu Mehrkosten führten. Die Übergabe des Vertragsobjekts erfolgte im November 2019.

Das Finanzamt erließ zunächst gegenüber dem Kläger und dessen Ehefrau nicht streitige Grunderwerbsteuerbescheide, denen als Bemessungsgrundlage jeweils die Hälfte des vereinbarten Kaufpreises zugrunde lag. Das FA erließ am 25.1.2021 weitere Grunderwerbsteuerbescheide gegenüber dem Kläger und dessen Ehefrau, denen als Bemessungsgrundlage jeweils zur Hälfte ein „Gesamtbetrag der Gegenleistung“ (Kaufpreis Sonderwünsche) zugrunde gelegt wurde.

Der Kläger legte gegen seinen Grunderwerbsteuerbescheid vom 25.1.2021 Einspruch ein. Er machte geltend, dass für die einzelnen Sonderwünsche ein Grunderwerbsteuertatbestand nicht gegeben sei und diese auch keine zusätzlichen Leistungen i. S. d. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG darstellten. Einspruch und Klagewurden  als unbegründet zurückgewiesen.

Entscheidung: Steuerpflicht auch für die nachträglichen Sonderwünschen

Das FG hat zu Recht entschieden, dass die vom Kläger nachträglich beauftragten Sonderwünsche als zusätzliche Leistungen der Grunderwerbsteuer nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG unterliegen. Die Steuer ist zudem in einem selbständigen Bescheid festzusetzen.

Zusätzliche Leistungen als Teil der Gegenleistung

Zusätzliche Leistungen, zu denen sich der Erwerber bereits bei Abschluss eines Grundstückskaufvertrags verpflichtet, gehören zu den übernommenen sonstigen Leistungen i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.

Demgegenüber werden von § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG nachträglich gewährte zusätzliche Leistungen erfasst. Das Entstehen der Steuer für nachträglich gewährte zusätzliche Leistungen ist dabei tatbestandsmäßig an zwei Voraussetzungen geknüpft. Zum einen muss bereits ein Erwerbsvorgang i. S. v. § 1 Abs. 1 GrEStG vorliegen. Hinzu kommen muss, dass die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG erfüllt sind.

Voraussetzung rechtlicher Zusammenhang

Nachträglich vereinbarte Sonderwünsche sind nur dann steuerpflichtig, wenn sie in einem rechtlichen Zusammenhang mit dem Grundstückskaufvertrag stehen

  • Der rechtliche Zusammenhang mit dem Erwerbsgeschäft kann sich bei nachträglich vereinbarten Sonderwünschen insbesondere dadurch ergeben, dass eine vom Veräußerer geschuldete, sich aus dem Erwerbsgeschäft ergebende Bauleistung konkretisiert, verändert oder beispielsweise durch qualitativ höherwertige Materialien ersetzt und dafür eine zusätzliche Gegenleistung vereinbart wird.
  • Auch eine Gegenleistung für die bloße Erweiterung der Leistungspflicht des Veräußerers kann zu einer zusätzlichen Leistung i. S. d. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG führen, wenn im Übrigen die Regelungen des Erwerbsgeschäfts – ähnlich einem Rahmenvertrag – gelten sollen und nicht ein gänzlich neuer und unabhängig vom Erwerbsgeschäft geschlossener Vertrag vorliegt.
  • Ob ein rechtlicher Zusammenhang von Vereinbarungen weiterer Leistungen mit dem Erwerbsgeschäft im konkreten Einzelfall besteht oder ob die Leistungen auf einer neuen unabhängig vom ursprünglichen Vertrag abgeschlossenen Vereinbarung beruhen, unterliegt der Vertragsauslegung durch das FG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls.

Fertigstellung der Sonderwünsche nach Übergabe des Verkaufsobjekts hindert Besteuerung nicht

Dass einzelne Sonderwünsche erst nach der Übergabe des Verkaufsobjekts fertiggestellt wurden, hindert eine Besteuerung nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ebenfalls nicht. Die Verwirklichung des Erwerbsvorgangs i. S. d. § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ist bereits mit den Vereinbarungen über die Sonderwünsche eingetreten. Für die Verwirklichung eines Erwerbsvorgangs i. S. d. § 23 GrEStG ist auch bei der Gewährung zusätzlicher Gegenleistungen nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG der Zeitpunkt maßgeblich, in dem sich die Vertragspartner untereinander gebunden haben. Diese Bindung ist im Streitfall mit den nachträglichen Vereinbarungen über die Sonderwünsche eingetreten. Diese erfolgten unstreitig vor der Übergabe des Vertragsobjekts.

Steuerfestsetzung erfolgte zu Recht durch gesonderten Bescheid

Die aufgrund der nachträglichen Vereinbarungen über die Sonderwünsche zusätzlich gewährten Gegenleistungen ist nicht durch Änderung desjenigen Bescheides zu erfassen sind, durch den die Steuer für den ursprünglichen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 GrEStG festgesetzt worden ist, sondern durch einen gesonderten Bescheid. Mit Erfüllung der Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG entsteht ein neuer Grunderwerbsteueranspruch gemäß § 38 AO, der in einem selbständigen Bescheid festzusetzen ist. Der Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 GrEStG allein kann den Tatbestand für die neue Steuer nicht ausfüllen, weil die nachträgliche Leistung auf Umständen beruht, die erst nach Abschluss des Erwerbsvorgangs eingetreten sind.

Kein rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO

Die Gewährung der nachträglichen zusätzlichen Leistung kann nicht i. S. v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO auf den Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 GrEStG zurückwirken, weil mit ihr ein eigenständiger Steuertatbestand vervollständigt wird. Dies steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Senats, wonach ein nach dem Grundstückskaufvertrag abgeschlossener Bauerrichtungsvertrag ein rückwirkendes Ereignis darstellt und die Baukosten zur Gegenleistung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gehören. Die Einbeziehung solcher Baukosten als Gegenleistung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfordert anders als die nachträgliche Vereinbarung zusätzlicher Leistungen nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG, dass bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags die von der Veräußererseite zu erbringenden Bauleistungen und die dafür zu zahlenden Entgelte konkret benannt wurden.

Hinweis: Andere Beurteilung bei Vereinbarungen direkt mit den Handwerkern möglich

Vergütungen für nachträglich vereinbarte Sonderwünsche stellen zwar dann keine Gegenleistung dar, wenn die Vereinbarungen nicht mit dem Veräußerer oder der Veräußererseite, sondern etwa unmittelbar mit einzelnen Handwerkern getroffen worden sind. Von diesen Ausnahmen abgesehen, unterliegen aber Vergütungen für nachträglich vereinbarte Sonderwünsche beim Grundstückserwerb mit noch zu errichtendem Gebäude als zusätzliche Leistungen der Grunderwerbsteuer nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG. Im Urteilsfall war in diesem Zusammenhang auch die Tatsache unerheblich, dass der streitgegenständliche Vertrag bei einer entsprechenden Zustimmung der Veräußerin die Möglichkeit einer unmittelbaren Erteilung eigener Aufträge an die ausführenden Handwerker durch den Kläger vorsah. Nach den Feststellungen der Vorinstanz, sowie dem eigenen Vortrag des Klägers erfolgte bei den mit Grunderwerbsteuerbescheid erfassten Sonderwünschen keine unmittelbare Beauftragung der Handwerker durch den Kläger.

BFH, Urteil v. 30.10.2024, II R 15/22; veröffentlicht am 6.3.2025

Alle am 6.3.2025 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen


Schlagworte zum Thema:  Grunderwerbsteuer, Bemessungsgrundlage