Zur Gebührenfestsetzung für eine von mehreren Personen beantragte verbindliche Auskunft
Hintergrund: Gesetzliche Regelung
Nach § 89 Abs. 3 Satz 1 AO wird für die Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft eine Gebühr erhoben. Wird eine verbindliche Auskunft gegenüber mehreren Antragstellern einheitlich erteilt, ist nur eine Gebühr zu erheben; in diesem Fall sind alle Antragsteller Gesamtschuldner der Gebühr (§ 89 Abs. 3 Satz 2 AO).
Rechtsfrage
- Ist, wenn mehrere Personen eine verbindliche Auskunft betreffend denselben Sachverhalt – hier ein mehrstufiges Umwandlungsverfahren – beantragen und daraufhin das Finanzamt wort- und inhaltsgleiche verbindliche Auskünfte an jeden Antragsteller erteilt, gegen jeden Antragsteller eine Auskunftsgebühr festzusetzen, oder hat ein gemeinsamer Gebührenbescheid gegen alle Antragsteller als Gesamtschuldner zu ergehen?
- Ist der Anwendungsbereich von § 89 Abs. 3 Satz 2 AO auf die in § 1 Abs. 2 StAuskV genannten Fallgruppen beschränkt?
Sachverhalt: Acht inhaltsgleiche Auskünfte für Gesellschafter einer Holdingsgesellschaft
- Die Kläger waren teils unmittelbar und teils mittelbar über die N GmbH & Co. KG an einer Holdinggesellschaft beteiligt. Die Beteiligungen waren teilweise mit einem Ertragsnießbrauch belastet.
- Um eine Veräußerung der Gesellschaftsanteile an fremde Dritte zu verhindern, wollten die Kläger eine neue GmbH errichten, in der die Gesellschaftsanteile der Kläger an der Holdinggesellschaft gebündelt und vinkuliert werden sollten. Hierzu wollten sie ihre Anteile an der Holdinggesellschaft zunächst in eine neu zu gründende GmbH & Co. KG einlegen. Anschließend sollte ein Formwechsel in eine GmbH vollzogen werden.
- Die Kläger beantragten gemeinsam beim Finanzamt (FA) in Bezug auf die geplante mehrstufige Umstrukturierung die Erteilung einer verbindlichen Auskunft. Ziel war die Klärung der Frage, ob die geplante Umstrukturierung ohne Aufdeckung stiller Reserven vollzogen werden kann.
- Im Schreiben auf verbindliche Auskunft waren alle Antragsteller namentlich bezeichnet. Der Sachverhalt enthielt Angaben zu den einzelnen Beteiligungsverhältnissen sowie zu dem Ertragsnießbrauch, mit dem die Beteiligungen teilweise belastet waren. Gegenstand des Auskunftsersuchens waren 6 Rechtsfragen zu dem geplanten Umstrukturierungsvorgang. In dem Antrag wurde darauf hingewiesen, dass der Sachverhalt von mehreren Personen gleichermaßen verwirklicht und daher die Auskunft von mehreren Beteiligten gemeinsam beantragt werde.
- Das FA erteilte jeweils 8 inhaltsgleiche verbindliche Auskünfte gegenüber den Klägern. Zudem setzte es mit 8 Gebührenbescheiden gegenüber den Klägern ausgehend vom gesetzlichen Gebührenhöchstwert jeweils eine Gebühr i. H. v. 109.736 EUR fest.
Hiergegen wandten sich die Kläger mit ihren Einsprüchen, mit denen sie den Erlass eines gemeinsamen Gebührenbescheids über 109.736 EUR bzw. hilfsweise die Herabsetzung der festgesetzten Gebühr auf jeweils 13.717 EUR begehrten. Das FA wies die Einsprüche als unbegründet zurück. Die nachfolgenden Klagen hatten demgegenüber Erfolg. Es könne – so das FG – nach § 89 Abs. 3 Satz 2 AO nur eine Auskunftsgebühr nach dem Höchstbetrag gegenüber allen Klägern als Gesamtschuldner angesetzt werden. Die nachfolgende Revision des FA blieb in der Sache ohne Erfolg.
Entscheidung: Angefochtene Gebührenbescheide sind rechtswidrig
Der BFH entscheidet, dass die angefochtenen Gebührenbescheide und die hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen rechtswidrig sind. Das FA hat die verbindliche Auskunft den Klägern gegenüber einheitlich erteilt, so dass gemäß § 89 Abs. 3 Satz 2 AO nur eine Gebühr festzusetzen war.
Zum Anwendungsbereich der Steuerauskunfts-Verordnung (StAuskV)
Nach § 89 Abs. 2 Satz 5 AO ist das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ermächtigt, durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen zu Form, Inhalt und Voraussetzungen des Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft und zur Reichweite der Bindungswirkung zu treffen. In der Rechtsverordnung kann auch bestimmt werden, unter welchen Voraussetzungen eine verbindliche Auskunft gegenüber mehreren Beteiligten einheitlich zu erteilen ist (§ 89 Abs. 2 Satz 6 AO).
Von der Befugnis hat das BMF am 12.7.2017 u. a. dadurch Gebrauch gemacht, dass es die StAuskV geändert und § 1 Abs. 2 StAuskV auf Organschaftsfälle erweitert sowie § 2 StAuskV modifiziert hat. Durch die – im Streitfall noch nicht anwendbare – weitere Änderung der StAuskV wurden die Fälle, in denen eine verbindliche Auskunft nur von allen Beteiligten gemeinsam beantragt werden kann, auf näher bezeichnete Umwandlungsfälle erweitert.
Der Anwendungsbereich des § 89 Abs. 3 Satz 2 AO ist jedoch nicht auf die in § 1 Abs. 2 StAuskV geregelten Fälle beschränkt. Daher kommt es für die Beantwortung der Frage, ob gegenüber den Klägern nach § 89 Abs. 3 Satz 2 AO nur eine Gebühr festzusetzen ist, nicht darauf an, ob die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 StAuskV gegeben sind. Maßgebend ist vielmehr, ob die verbindliche Auskunft den Klägern gegenüber tatsächlich einheitlich erteilt worden ist.
Voraussetzungen des § 89 Abs. 3 Satz 2 AO erfüllt
Im Urteilsfall sind die Voraussetzungen des § 89 Abs. 3 Satz 2 AO erfüllt. Hiernach ist nur eine Gebühr zu erheben, wenn die verbindliche Auskunft gegenüber mehreren Antragstellern einheitlich erteilt wird. In diesem Fall sind alle Antragsteller Gesamtschuldner der Gebühr. Dabei kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 StAuskV erfüllt sind und das FA – spiegelbildlich zu dem danach gebotenen gemeinsamen Antrag der Kläger – eine einheitliche verbindliche Auskunft erteilen musste. Denn es genügt, dass das FA gegenüber den Klägern eine einheitliche verbindliche Auskunft erteilt hat.
Gemeinsamer Antrag auf einheitliche Erteilung einer verbindlichen Auskunft
Die Kläger haben ausdrücklich einen gemeinsamen Antrag auf Erteilung einer einheitlichen verbindlichen Auskunft gestellt. Der im Auskunftsantrag geschilderte Umstrukturierungssachverhalt betraf ein mehrstufiges Vorhaben, das die Kläger – wie ihren Ausführungen ohne weiteres zu entnehmen ist – nur gemeinsam umsetzen konnten und wollten. Den Darlegungen der Kläger ist auch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass sie vom FA eine Auskunft in Bezug auf das gemeinsame Vorhaben begehrten, die allen Klägern gegenüber gleichermaßen verbindlich sein sollte. Auch wenn es sich um ein mehrstufiges Umstrukturierungsvorhaben handelte und verschiedene Steuertatbestände betroffen waren, bezieht sich der Antrag der Kläger auf nur einen Sachverhalt, nicht auf eine Mehrzahl von Sachverhalten. Die geschilderten Schritte zur Umsetzung des Vorhabens stehen in einem hinreichenden sachlichen und zeitlichen Zusammenhang. Sie bilden Teilschritte eines einheitlichen Vorhabens.
Das FA hat dem Antrag der Kläger in vollem Umfang entsprochen. Es hat die verbindliche Auskunft antragsgemäß – und wie von § 89 Abs. 3 Satz 2 AO vorausgesetzt – den Klägern gegenüber einheitlich erteilt. Aus dem Umstand, dass das FA für jeden Kläger einen gesonderten, allerdings inhaltsgleichen Bescheid erlassen hat, folgt nichts Anderes. Dies ergibt die Auslegung der Bescheide, zu der der Senat selbst befugt ist, da die tatsächlichen Feststellungen des FG hierfür ausreichen.
Hinweis: Auslegung von Verwaltungsakten
- Der Inhalt einer verbindlichen Auskunft, die einen Verwaltungsakt darstellt, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Entscheidend ist danach, wie der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen – nach seinem „objektiven Verständnishorizont“ – den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Bei der Auslegung eines Verwaltungsakts kommt es somit nicht darauf an, was die Finanzbehörde mit ihrer Erklärung gewollt hat. Im Zweifel ist das den Betroffenen weniger belastende Auslegungsergebnis vorzuziehen, da er als Empfänger einer auslegungsbedürftigen Willenserklärung der Verwaltung durch etwaige Unklarheiten aus deren Sphäre nicht benachteiligt werden darf.
- Bei entsprechender Auslegung der Bescheide hat das FA antragsgemäß eine verbindliche Auskunft den Klägern gegenüber einheitlich erteilt. Einheitlichkeit bedeutet, dass die Bindungswirkung der verbindlichen Auskunft gegenüber allen Klägern gleichermaßen besteht oder gleichermaßen nicht besteht oder wegfällt. Die Einheitlichkeit der Auskunftserteilung ergibt sich nicht allein aus der Inhaltsgleichheit der in den Bescheiden erteilten Auskünfte, sondern aus der nach Maßgabe der dargelegten Grundsätze durchzuführenden Auslegung der Bescheide, bei der allerdings auch die Tatsache der Inhaltsgleichheit der Bescheide zu berücksichtigen ist.
- Aus Sicht der Kläger hat das FA ihrem gemeinsamen Antrag, der auf die einheitliche Erteilung der verbindlichen Auskunft gerichtet war, uneingeschränkt entsprochen. Einschränkungen hat das FA nicht formuliert. Insbesondere hat das FA nicht zum Ausdruck gebracht, die verbindliche Auskunft nicht einheitlich ergehen könne, weil die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 StAuskV nicht gegeben seien. Ohne einen entsprechenden Hinweis mussten die Kläger nicht annehmen, dass sich das FA in Anbetracht des Regelungsinhalts des § 1 Abs. 2 StAuskV gehindert sah, ihnen eine einheitliche verbindliche Auskunft zu erteilen.
- Der Umstand, dass das FA jedem Kläger einen entsprechenden Bescheid übermittelt hat, führt zu keinem anderen Auslegungsergebnis. Obwohl 8 Bescheide ergangen sind, liegt unter Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten des Streitfalls in der Sache nur eine verbindliche Auskunft vor.
BFH, Urteil v. 3.7.2025, IV R 6/23; veröffentlicht am 4.9.2025
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