BFH

Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft


Disquotale Einlage eines Gesellschafters als Schenkung

Es ist bei summarischer Prüfung ernstlich zweifelhaft, ob Leistungen eines Gesellschafters in die Kapitalrücklage einer GmbH zu einer steuerbaren Werterhöhung der Anteile der Mitgesellschafter i. S. d. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG führen, wenn die Gesellschafter vereinbaren, dass die Einzahlungen dem jeweils leistenden Gesellschafter zugeordnet werden.

Hintergrund: Fiktion einer Schenkung

Nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG gilt als Schenkung auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt. Die mit dem Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz eingeführte Vorschrift fingiert eine Schenkung des an eine Kapitalgesellschaft Leistenden an den mittelbar oder unmittelbar beteiligten (Mit-)Gesellschafter, dessen Geschäftsanteil durch die Leistung eine Werterhöhung erfährt.

Rechtsfrage

Ist eine disquotale Einlage eines Gesellschafters in die Kapitalrücklage seiner Kapitalgesellschaft grundsätzlich geeignet, zu einer steuerbaren Werterhöhung i. S. d. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG zu führen?

Sachverhalt: Einzahlungen werden dem jeweils leistenden Gesellschafter zugeordnet

  • Im Jahr 2010 gründeten A, B sowie C die X GmbH. A war zu 50 %, B zu 30 % und C zu 20 % an der X GmbH beteiligt.
  • Im Jahr 2010 trat A einen Geschäftsanteil in Höhe von 20 % an D ab. Im Jahr 2013 traten A und B jeweils einen Geschäftsanteil in Höhe von 10 % an die Antragstellerin ab.
  • Nach § 13 der Satzung der X GmbH war der Reingewinn ursprünglich an die Gesellschafter im Verhältnis ihrer Geschäftsanteile zu verteilen. Im Jahr 2014 änderten die Gesellschafter diese Regelung jedoch dahingehend, dass die Gewinnverteilung nicht mehr nach den Beteiligungsquoten, sondern nach dem finanziellen Beitrag der Gesellschafter zu Investitionen der X GmbH erfolgen sollte.
  • Zum Zwecke des Erwerbs von Anteilen an der Z AG leisteten im Jahr 2013 sämtliche Gesellschafter mit Ausnahme der Antragstellerin Zahlungen an die X GmbH. Im Jahr 2015 erbrachte A weitere Zahlungen an die X GmbH. Die gezahlten Beträge wurden mit Gesellschafterbeschluss der Kapitalrücklage der X GmbH zugeführt und im Jahresabschluss zum 31.12.2015 unter der Bilanzposition „Kapitalrücklage“ einzeln ausgewiesen und den jeweiligen Gesellschaftern der Höhe nach zugeordnet.
  • In den Jahren 2018 und 2019 leistete A Zahlungen zum Zwecke des Erwerbs weiterer Anteile an der Z AG. Die eingezahlten Beträge wurden mit Gesellschafterbeschlüssen aus den Jahren 2018 und 2019 ebenfalls der Kapitalrücklage der X GmbH zugeführt.
  • Zugleich vereinbarten die Gesellschafter, dass der Teil der Kapitalrücklage, der auf diese Einzahlungen entfällt, sowohl im Falle einer Ausschüttung als auch im Falle der Liquidation als personenbezogene disquotale Kapitalrücklage allein dem A zusteht. Außerdem wurde ein quotal erhöhtes Gewinnbezugsrecht aus den mit dem Kapital erworbenen Anteilen an der Z AG zugunsten des A beschlossen.
  • In den Jahresabschlüssen zum 31.12.2018 und 31.12.2019 wurden die in die Kapitalrücklage eingestellten Beträge einschließlich der in den Vorjahren geleisteten Zahlungen einzeln ausgewiesen und den jeweiligen Gesellschaftern der Höhe nach zugeordnet.

Das Finanzamt (FA) war der Auffassung, die Einzahlungen in die Kapitalrücklage der X GmbH erfüllten den Tatbestand des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG, und erließ im Dezember 2023 mehrere Schenkungsteuerbescheide gegenüber der Antragstellerin. Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Das FA lehnte die beantragte AdV ab.

Die Antragstellerin stellte daraufhin einen Antrag auf AdV beim FG. Sie machte geltend, der Tatbestand des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG sei im Streitfall nicht erfüllt, da die inkongruenten Einlagen der Gesellschafter jeweils personenbezogen zugeordnet worden seien und nicht zu einer Werterhöhung der Beteiligungen der Mitgesellschafter der X GmbH geführt hätten. Das FG lehnte die beantragte AdV ab.

Entscheidung: Bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an Schenkungsteuerbescheiden

Die Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Das FG hat den Antrag auf AdV zu Unrecht abgelehnt. Bei der im vorläufigen Verfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage können ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Schenkungsteuerbescheide nicht ausgeschlossen werden.

Werterhöhung als steuerbegründende Tatsache

Gegenstand der Zuwendung nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG ist die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die durch die Leistung des Zuwendenden an die Gesellschaft eintritt. Voraussetzung für eine solche Werterhöhung ist, dass der gemeine Wert des Anteils des Bedachten nach der Leistung des Zuwendenden an die Gesellschaft den gemeinen Wert des Anteils vor der Leistung übersteigt. Ob eine Werterhöhung vorliegt, ist in jedem Einzelfall festzustellen. Die Feststellungslast (objektive Beweislast) für den Eintritt der Werterhöhung als steuerbegründende Tatsache trägt das Finanzamt. Auch eine disquotale Einlage eines Gesellschafters in die Kapitalrücklage seiner Kapitalgesellschaft ist grundsätzlich geeignet, zu einer steuerbaren Werterhöhung i. S. d. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG zu führen, weil sich durch eine solche Leistung auch der Wert der Anteile der anderen, nicht einlegenden Gesellschafter um den Betrag erhöht, der dem Einlagewert bezogen auf die jeweilige Beteiligungsquote des Gesellschafters entspricht.

Keine Werterhöhung beim Erwerb zusätzlicher Rechte oder bei Zusatzabreden

Der Eintritt einer solchen Werterhöhung der Anteile der Mitgesellschafter ist jedoch dann ausgeschlossen, wenn dem einlegenden Gesellschafter anlässlich seiner Leistung zusätzliche Rechte gewährt werden, wie z. B. eine Verbesserung seines Gewinnanteils, zusätzliche Anteile an der Gesellschaft oder eine von den Geschäftsanteilen abweichende Verteilung des Vermögens bei späterer Liquidation. Gleiches gilt, wenn zwischen den Gesellschaftern oder mit der Gesellschaft Zusatzabreden getroffen werden, die für den einlegenden Gesellschafter gewährleisten, dass seine Leistungen nicht zu einer endgültigen Vermögensverschiebung zugunsten der Mitgesellschafter führen, oder dem einlegenden Gesellschafter seine Einlageleistung über eine schuldrechtlich vereinbarte personenbezogene Kapitalrücklage bei der Gesellschaft zugeordnet wird.

Nach diesen Maßstäben ist es im Entscheidungsfall ernstlich zweifelhaft, ob die Einstellung der durch die anderen Gesellschafter eingezahlten Beträge in die Kapitalrücklage der X GmbH zu einer Wertsteigerung der Anteile der Antragstellerin geführt hat.

Personenbezogene Zuordnung der Kapitalrücklage

Aufgrund des Akteninhalts und des Vorbringens der Beteiligten ist bei summarischer Prüfung davon auszugehen, dass die Gesellschafter der X GmbH die in die Kapitalrücklage der Gesellschaft eingestellten Beträge in der Weise gesellschafterbezogen zugeordnet haben, dass in den Fällen der Liquidation oder der Auflösung der Kapitalrücklage die geleisteten Beträge nur den Gesellschaftern zustehen sollten, die die Leistung ursprünglich erbracht haben, sodass die übrigen Gesellschafter nicht über ihre Beteiligung von der eingelegten Leistung profitieren.

Dies ergibt sich für die Jahre 2018 und 2019 aus den Gesellschafterbeschlüssen, in denen eine solche personenbezogene Zuordnung der Kapitalrücklage zugunsten des A ausdrücklich festgelegt wurde, sowie aus den für die Jahre 2013 bis 2019 festgestellten Jahresabschlüssen, in denen die einzelnen in die Kapitalrücklage eingestellten Beträge den Gesellschaftern individuell und der Höhe nach zugewiesen wurden. Der Feststellung des Jahresabschlusses kommt insoweit die Bedeutung einer Verbindlicherklärung der Bilanz sowohl im Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft als auch im Verhältnis der Gesellschafter untereinander zu. Bei summarischer Prüfung ist die in den Bilanzen der Streitjahre jeweils ausgewiesene betrags- und personenbezogene Zuordnung der Einzahlungen in die Kapitalrücklage und sind die hieraus resultierenden disquotalen Rückzahlungsansprüche der Gesellschafter in Bezug auf die Kapitalrücklage als zum jeweiligen Bilanzstichtag rechtlich bindend vereinbart anzusehen.

Weisungslage der Finanzverwaltung führt zu keinem anderen Ergebnis

Gemäß R E 7.5 Abs. 11 Satz 13 ErbStR 2019 führen Leistungen einzelner Gesellschafter nicht zu einer nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG steuerbaren Werterhöhung der Anteile von Mitgesellschaftern, soweit am Stichtag diesbezüglich zwischen den Gesellschaftern oder mit der Kapitalgesellschaft „Zusatzabreden“ bestehen, die für den einlegenden Gesellschafter gewährleisten, dass seine Leistung nicht zu einer endgültigen Vermögensverschiebung zugunsten der Mitgesellschafter führt. Gleiches gilt, soweit die Leistung als „schuldrechtlich“ zugunsten des leistenden Gesellschafters gebundene Kapitalrücklage verbucht wird (R E 7.5 Abs. 11 Satz 14 Alt. 2 ErbStR 2019).

Der Wortlaut dieser Regelungen spricht dafür, dass auch eine außerhalb der Satzung getroffene Abrede zwischen den Gesellschaftern ausreichen kann, um zu verhindern, dass die Leistung eines Gesellschafters in das Vermögen der Gesellschaft zu einer Wertsteigerung der Anteile der Mitgesellschafter führt. Legt man dieses Verständnis der Verwaltungsanweisung zugrunde, wäre ein Erfolg der Antragstellerin im Rechtsmittelverfahren gegen die angefochtenen Schenkungsteuerbescheide auch auf der Grundlage der Weisungslage der Finanzverwaltung nicht von vornherein auszuschließen. Denn der Steuerpflichtige hat grundsätzlich einen auch vor den Steuergerichten zu beachtenden Rechtsanspruch darauf, nach Maßgabe der allgemeinen Verwaltungsanweisungen besteuert zu werden. Den Finanzbehörden ist es danach verwehrt, in Einzelfällen, die offensichtlich vom Wortlaut der Verwaltungsanweisung gedeckt werden, deren Anwendung ohne triftige Gründe im Rahmen des ihnen prinzipiell eingeräumten Ermessens abzulehnen.

Noch keine Klärung durch höchstrichterliche Rechtsprechung

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist bislang noch nicht abschließend geklärt, ob die Wirksamkeit einer solchen gesellschafterbezogenen Zuordnung der Kapitalrücklage eine satzungsmäßige Grundlage erfordert. Im Schrifttum wird aber – soweit ersichtlich – übereinstimmend die Auffassung vertreten, dass § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG bereits dann keine Anwendung findet, wenn die Gesellschafter schuldrechtlich vereinbaren, dass die von ihnen in das Vermögen der Gesellschaft geleisteten Einlagezahlungen – wie im Streitfall – innerhalb der Kapitalrücklage persönlich zugeordnet werden.

BFH, Beschluss v. 6.6.2025, II B 43/24 (AdV); veröffentlicht am 3.7.2025

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